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Jacob von Molay, der letzte Templer 33

Franz Theodor Wangenheim
Jacob von Molay, der letzte Templer
Dritter Teil
König Philipp
Verlag von Joh. Fr. Hammerich, Altona, 1838

Achtes Kapitel

Durch alle Stände, sowohl in Paris als auch in ganz Frankreich, verbreitete die Nachricht von der Gefangennahme der Tempelherren Erstaunen und Schrecken, denn es gab beinahe nicht ein bedeutendes Geschlecht, welches nicht Verwandte unter den Tempelherren zählte. Die öffentliche Meinung des Volkes lief dahinaus, eine Verschwörung müsste gegen König und Staat im Gange gewesen sein, und dieserhalb hätte man eine so schleunige Maßregel ergriffen. Ohne Säumen wurden die Ritter in verschiedene Gefängnisse abgeführt, nach der Veste Melun der bei Weitem größere Teil. Den gemeinsten Verbrechern gleich wurden sie mit Ketten belastet und erhielten, während der König sich aller ihrer beweglichen und unbeweglichen Güter bemächtigte, jeder nicht mehr als zwölf Heller zu ihrem täglichen Unterhalt. Selbst von diesem geringen Geld entzogen ihnen die Kerkermeister noch etwas. Nicht nur beraubte König Philipp sie aller ihrer Güter, sondern auch das Archiv nahm er in Beschlag. Es blieb ihnen nichts Schriftliches über den Orden. Königliche Kommissarien wurden in alle Provinzen geschickt, um über die Verwaltung des Raubes zu wachen; jedoch nur zur Sicherheit des Königs, nicht aber des Papstes, mit welchem Philipp übereingekommen war, die Schätze der Tempelherren zur Wiedereroberung des Gelobten Landes zu verwenden. Der Heilige Vater sah sich daher auf doppelte Weise hintergangen, sah sich an seiner Würde gekränkt, an seiner Ehre, und auch um den geringsten Anteil an der Beute betrogen. Wilhelm von Paris feierte seinen höchsten Triumph, und Wilhelm von Nogaret. Jetzt brauchte Wilhelm von Paris den König Philipp nicht mehr. Er war ja Glaubensinquisitor von Frankreich, dessen Geistlichkeit, hohe und niedere, mehr ihm als dem Papst ergeben war. Die Erzbischöfe und Bischöfe standen hauptsächlich, im Betreff des Tempelherrenordens, eine missvergnügte Schar herrschsüchtiger Priester, dem Papst gegenüber. Sie hegten nicht einmal Zweifel, dass jetzt das Vorrecht des Ordens, nur vom Papst gerichtet zu werden, aufhörte und es ihnen nun zustände, im Namen der Kirche über Männer zu entscheiden, die der König, wie es schien, verdammt hatte. Niemals in der Weltgeschichte findet sich ein Verfahren, wie es Wilhelm von Paris gegen so edele Herren eröffnete. Seine Gewalt als Glaubensinquisitor missbrauchend, zog er mit den königlichen Kommissarien zuvörderst nach Melun, richtete dort alles zum Verhör der Ritter ein und nahm einem jeden derselben den Eid ab, dass er die Wahrheit gestehen wollte. Nach diesem Eingang wurde jeder Ritter allein befragt, im Angesicht der ausgesuchtesten Marterwerkzeuge wurde er befragt. Nicht bei den Verbrechen, von denen man sich längst so vieles erzählt hatte, blieb man stehen, auch noch andere todeswürdige Sünden rechnete man dem Orden zu. Mit einer Grausamkeit, deren nur ein Dominikanermönch fähig ist, verfolgte Wilhelm von Paris sein Verfahren. Viele Ritter, welche Mut genug hatten, die Beschuldigungen als unwahr und erlogen anzugeben, wurden auf die Folter gelegt, und in den schrecklichsten Martern versprach ihnen Wilhelm von Paris, dass ein freiwilliges Geständnis ihnen nicht allein die Freiheit wiedergeben würde, sondern des Königs Gnade sollte ihnen nicht fehlen und ein angemessenes Jahresgehalt zeit ihres Lebens. Männer, die allen Gefahren Trotz geboten, die nur Wunden und Narben für Ehrenzeichen gehalten hatten, sie konnten nicht alle so feige sein, unter Folterqualen das zu gestehen, was sie verabscheuten. Diese Standhaftesten wurden mit verrenkten Gliedern wieder in ihre Gefängnisse geworfen. Andere hingegen, welche teils schon der Anblick der Folter schreckte, teils bei ihnen schon in Anwendung gebracht worden war, gestanden, was man von ihnen verlangte. Wieder andere gab es aber auch, welche sich in die weltliche Gesellschaft zurückwünschten, welche in dem allgemeinen Verderben für sich zu ernten gedachten. Und so lernte Wilhelm von Paris in seinen Verhören mehr, als er geglaubt hatte: Er lernte daraus die Uneinigkeit im Orden kennen. Das war genug für ihn, um das Werk, seiner würdig, zu vollenden.

Es war nicht möglich, dass ein so grausames Verfahren verborgen bleiben konnte. Rings umher, wo Wilhelm von Paris zu Gericht saß, erzitterte die Luft von dem Geschrei der Gemarterten. Auch dieses wurde dem Papst zugetragen und der griff es als einen Vorwand auf, sich für den Betrug, welchen ihm der König gespielt hatte, zu rächen. Zuvörderst schrieb er an König Philipp, stellte ihm die Ungerechtigkeit seines Verfahrens vor, wodurch das päpstliche Ansehen geradezu angegriffen wurde. Er setzte hinzu, dass er dergleichen Beispiel von den Königen, seinen Vorfahren, nicht empfangen hätte, welche stets die heiligste Ehrfurcht gegen den Päpstlichen Stuhl gehegt hatten; eine Ehrfurcht, die ihnen so viel Ehre gebracht haben. Es sei dies nicht der Gehorsam, welchen die christlichen Prinzen dem Nachfolger Petri schuldig wären. Der Papst sei darüber betrübt und erstaunt, allein er hoffte, Seine Majestät würde bald in sich gehen, alles, was gegen die gute Ordnung vorgefallen sei, wieder gut zu machen und ihm eine völlige Genugtuung zugeben.

König Philipp beachtete dieses Schreiben des Papstes nicht im Geringsten, ja, er spottete sogar über dasselbe, und da Clemens gar keinen Erfolg sah, so entsandte er von Poitiers zwei Kardinäle nach Paris, welche den König anhalten sollten, die Gefangenen und ihre Güter auszuliefern. Zugleich mit diesen Legaten ließ der Papst eine für den König schimpfliche Bulle ergehen, des Inhalts:

Zum Nachteil desjenigen, was christliche Könige dem Stuhl des heiligen Petrus schuldig wären, sei es unerhört, dass sie jemals unternommen hätten, Geistliche zu richten, wie König Philipp getan und tun wollte, welcher, nicht damit zufrieden, aus eigener Macht alle Tempelritter in Verhaft genommen zu haben, sie noch dazu martern ließe, um ein Geständnis der Tatsachen, die man ihnen zuschriebe, von ihnen zu erzwingen, und sich ihrer sämtlichen Güter hätte bemächtigen lassen, ohne einige Achtung gegen die Briefe zu haben, die der Papst vorgängig in dieser Absicht ergehen lassen. Es sei keineswegs seine Meinung, fügte der Papst hinzu, diese Ritter dadurch von der Strafe, welche sie verdienten, wenn sie schuldig befunden würden, zu befreien, Allein ihm, ihrem Superior und natürlichen Richter, komme es zu, ihnen den Prozess zu machen, und hierzu sei er auch entschlossen.

Wer weiß, ob König Philipp auch diese Bulle viel geachtet hätte, wenn nicht zugleich mit derselben der Papst die Macht des Glaubensinquisitors suspendierte. Der habe sein Amt missbraucht, behauptete der Papst, indem es sich nicht auf Sachen erstreckte, die dem Heiligen Stuhl selbst vorbehalten wären. Eben so suspendierte der Papst sämtliche Bischöfe in ihren Funktionen in Ansehung dieses Prozesses. Philipp, sein Pater, die ganze hohe Geistlichkeit in Frankreich geriet über das Benehmen des Papstes dermaßen in Zorn, dass die Kunde von dem Missverhältnis zwischen dem Apostolischen Stuhl und den eigenmächtigen Richtern über den Orden sogar in die Gefängnisse der Tempelherren drang. Ha! Ein Lichtstrahl in der Nacht dieser Unglücklichen; ihr Superior verließ sie nicht! Nur er konnte sie retten und jetzt erhob er sich kühn für sie, in Frankreich selbst gegen Frankreichs König und seine Geistlichkeit. Das konnte nicht ohne einen guten Erfolg bleiben. Aber viele von den Rittern auch bereuten nun die ihnen abgedrungenen Geständnisse. Welche Schmach für sie, wenn der Orden siegreich gegen seine Ankläger bestände! Viele von ihnen beteuerten nun die Unschuld des Ordens, widerriefen, was sie ausgesagt hatten, und Wilhelm von Paris sah sich um alle Früchte seiner List, seiner Grausamkeit betrogen. König Philipp sollte die Schätze des Ordens dem päpstlichen Legaten überantworten? Törichter Gedanke! Wie konnte Clemens V. einen solchen Gedanken fassen! Eine Vorstellung, kühn, wie ein katholischer Fürst sie wohl nie an den Papst gesandt hatte, floss aus der Feder Wilhelms von Paris:

Wir von Gottes Gnaden …

Der Kaltsinn, welchen Eure Heiligkeit in einer so hochwichtigen Sache für die Religion bezeigt, ist unbegreiflich. Anstatt Uns, die Wir das Recht haben, zu erwarten, zu unterstützen und gegen einen verdorbenen und der abscheulichsten Verbrechen schlechterdings schuldigen Orden zu verfahren, will Sr. Heiligkeit den Lauf der Gerechtigkeit hemmen, und das unter Eurer Autorität von einem Glaubensinquisitor, der von Euch seine Macht hat, angestellte Verfahren vernichten. Dies heißt, die Verbrechen der Verklagten zu billigen, sie ermuntern und reizen, dieselben nicht anzuerkennen. Schon widersprechen einige ihren, obwohl rechtsförmlich ge­machten Aussagen. Ew. Heiligkeit hätte die Macht der Prälaten nicht suspendieren sollen, im Gegenteil, ihnen anbefehlen, ihre Pflicht zu tun, um einen so verhassten Orden auszurotten. Wir können übrigens nicht begreifen, mit welchem Recht Ew. Heiligkeit diese Suspension vorgenommen haben; sind doch die Prälaten Teilhaber der Pastoralfunktionen Ew. Heiligkeit und Gehilfen im Kirchenregiment. Die Bulle ist um so weniger regelmäßig, da die Bischöfe, jeder in seinen Kirchensprengel, den Prozess weit leichter, geschwinder und mehrerer Einsicht instruieren können. Es ist also eine offenbare Ungerechtigkeit, ihnen diese Instruktionen zu nehmen, um Fremde, ohne Erfahrung, und die keine Bekanntschaft mit den Landeseinwohnern haben, an ihre Stelle zu setzen. Wir werden das nicht dulden, Wir eben so wenig, wie die Bischöfe es dulden. Wir werden Uns den Bullen widersetzen, in denen Ew. Heiligkeit die Religion und die Sache Christi verachtet. Nicht allein habt Ihr es vor Gott zu verantworten, selbst vor den Menschen kann man Euch deswegen zur Rechenschaft ziehen, weil Ew. Heilig­keit den Gesetzen Eurer Vorfahren unterworfen seid, und man gegen Euch, besonders in Glaubenssachen, verfahren kann.

Wir halten dafür, Ew. Heiligkeit beabsichtige, den Prozess gegen die Tempelherren in die Länge zu ziehen, sei es, dass Ihr selbst untersuchen wollt oder durch delegierte Richter untersuchen lasst, in jedem Fall begünstigt Ihr die Tempelherren damit und möchtet wohl am Ende bewirken, dass sie ungestraft blieben. Wir sind weder Kläger noch Angeber in dieser großen Sache. Wir entledigen Uns bloß der Pflicht eines christlichen, mit Eifer für die Religion erfüllten Prinzen, eines Prinzen, der ein Diener Gottes und sein Ritter ist, und der ihm strenge Rechenschaft von allem geben muss, was in Seinem Reich gegen den Glauben, gegen die Sitten und gute Ordnung vorgeht.

Clemens der Fünfte, ehrgeizig, stolz, wurde von dieser Vorstellung fürchterlich ergriffen. Sein Gemüt empörte sich, dass man sich erkühnte, sein Ansehen und seine Würde öffentlich anzugreifen.

Die Ehre verband ihn und der eigene Vorteil, Würde und Ansehen zu behaupten. Hingegen sah der Papst auch wohl ein, wie schwierig seine Stellung war. Mit Philipp, dem mächtigsten König von Europa, mit diesem kühnen und unternehmenden Fürsten wollte er es öffentlich aufnehmen. Auch gedachte er, dass ihn der König so erhoben hatte, gedachte der Versprechungen in St. Jean d‘Angeli, gedachte des Eides dort. Die letzteren Dinge hätten wohl seiner Ehre, seiner Würde, nicht das Gleichgewicht gehalten, wenn er sich in Rom befunden hätte. Hier aber, in des Königs eigenem Reich, in seiner Gewalt, das fiel ihm schwer aufs Herz. Tausend Gefahren würde Clemens sich bloß gegeben haben, wenn er sich aus Frankreich nach Italien begeben wollte. Der König hätte ihn erstens nicht ziehen lassen, und zweitens fürchtete er den Aufruhr und den Tumult der Römer, die gewissermaßen das Joch seiner Vorfahren abgeworfen, zu öfteren Malen die Päpste aus ihrer Stadt vertrieben hatten und aus Rom eine Republik machen wollten. Die Furcht zog ein in des Papstes Brust, als er sich des achten Bonifaz erinnerte, der im Streit mit Philipp unterlegen, Thron und Leben eingebüßt hatte. Hatte nicht Philipp noch so treue Diener wie Nogareto und Colonna? Wer konnte ihn, den Papst, vor einer ebenso schimpflichen Behandlung schützen, wie sie Bonifaz zuteilgeworden war. Dies alles wohl erwägend, suchte Clemens ein Mittel ausfindig zu machen, welches nicht allem den König schonte, sondern durch welches er mindestens den äußeren Schein seines Ansehens rettete. Lediglich und allein, um sich mit Philipp wieder zu befreunden, widerrief Papst Clemens die Bullen, überging schweigend alles Trotzige und Beleidigende, welches die Vorstellung des Königs enthielt. Eine neue Bulle ließ er ausfertigen, in welcher er die Suspension, die er verordnet hatte, wieder aufhob. Er erlaubte allen Bischöfen, dass jeder in seinem Kirchensprengel den Prozess der Tempelherren, selbst bis zum Endurteil, instruieren könne, nur unter der einzigen Bedingung, dass Selbiges von einem Provinzialkonzilium bestätigt werde, und, um mindestens einen Teil seiner Ehre zu retten, behielt er sich das Erkenntnis im Prozess des Großmeisters und der hohen Beamten vor, welche in Frankreich in Haft genommen worden waren. Damit noch nicht zufrieden, und augenscheinlich von übergroßer Furcht getrieben, schrieb er an die Kardinallegaten, welche beim König waren, sie sollten sich in allem, was die Tempelherren beträfe, in des Königs Willen fügen, ihm darin Genüge tun und, soviel sie könnten, die päpstliche Autorität dabei schonen.

Die unglücklichen Ritter in ihren Kerkern, sie wussten freilich nicht, wie treulos ihr Superior sie auf diese Weise ihren Feinden überantwortet hatte, bis endlich des furchtsamen Papstes Betragen von einer anderen Bulle gekrönt wurde. Er gebot darin alle und jedermann, die Tempelherren, wo man sie nur antreffen würde, von welchem Stand sie auch sein mögen, aufzugreifen, in Haft zu bringen und sie den Bischöfen auszuliefern. Noch wurde das Verbot hinzugefügt, keinem Tempelherrn einen Aufenthalt zu geben. Die Gerichte, welche Papst Clemens verordnete, oder vielmehr die Beisitzer zu den königlichen Gerichten, bestanden aus zwei Canonici von der Kathedralkirche, zwei Dominikanern und zwei Barfüßern. Dennoch überließ er den Kommissarien die Macht, wenn in dem Prozess etwas vorkäme, das sich nicht auf die Ketzerei bezöge, sie doch immerhin unter päpstlicher Autorität, dem kanonischen Recht gemäß, darüber erkennen sollten.

Was nur feindlich diesem berühmten mächtigen Orden gegenübergestanden hatte, das war versammelt, um über ihn ein Urteil zu sprechen. Nur auf diese Weise war es möglich, ihn dem Hohn, der Schande, dem blutigen Rachedurst verabscheuungswürdiger Pfaffenseelen preiszugeben.