Archive

Die Fahrten und Abenteuer des kleinen Jacob Fingerlang 19

Die Fahrten und Abenteuer des kleinen Jacob Fingerlang
Ein Märchen von Gotthold Kurz
Nürnberg, bei Gottlieb Bäumler 1837

Neunzehntes Kapitel

Wie Jacob bei einem Sturm die schiffbrüchige Mannschaft rettet.

Aufs Neue wurden nun die Segel gesetzt, und ein günstiger Wind trieb das Geschwader wieder der Richtung zu, von welcher es während des Sturmes weit verschlagen worden war. Alles war nun wieder frohen Mutes und sah sich im Geist schon am Ziel der Reise, als unerwartet neue Gefahr aus der Ferne heranzog. Beim Anbruch des nächsten Tages wurde nämlich von der Höhe des Mastkorbes eine Flotte von zahlreichen Segeln signalisiert. Sie kam schnell herauf in den Gesichtskreis aller. Bald überzeugte man sich, dass es die feindliche sei. Ein schlimmes Zusammentreffen, da das holländische Geschwader in seinem jetzigen Zustand derselben bei Weitem nicht gewachsen war. Es war jedoch zu spät derselben auszuweichen. Man hatte nur die Wahl zwischen schmachvoller Ergebung oder verzweifeltem Kampf. Man besann sich nicht lange. Alle zeigten sich entschlossen, der Gefahr die Stirn zu bieten, und lieber zu sterben, als in die Hände des Feindes zu fallen, der schon früher durch empörende Gewalttätigkeiten das Völkerrecht verletzt und der holländischen Macht in diesen Gewässern überdies großen Schaden zugefügt hatte. Schnell machte sich jeder pflichtgetreu an seinen Posten. Die Frauen und Kinder wurden abermals in die Kajüten gebannt und einige Räume für den Notfall zum Spital eingerichtet. Die Verschläge zwischen den Kanonen wurden weggeräumt und Munition herbeigeschafft. Auf dem Verdeck trat die Mannschaft unter Gewehr, ein Teil derselben wurde auf die Mastkörbe, ein anderer in die Schaluppen kommandiert. Waffen blitzten auf allen Seiten, Trommeln wirbelten, Signale gingen ohne Unterlass hin und her. Jetzt breiteten sich die Schiffe zu einer weiten Linie aus, mit wehenden Flaggen und Wimpeln. Jenseits kam in schweigender Majestät die mächtige Flotte der Gegner herangeschwommen, ihre Segel glänzten im Sonnenschein, ihre Verdecke wimmelten von streitbarer Mannschaft, schon konnte man die kriegerische Musik herüber hören. Da krachte die erste Salve und fuhr rauschend in weißem Rauch über das Wasser her, jetzt eine zweite, dritte!

Aber mit betäubendem Hurrageschrei gab nun der wackere Holländer den Gruß aus allen seinen Feuerschlünden zurück und drang entschlossen auf den Gegner ein. Im Augenblick war alles in dicke Wolken von Rauch verhüllt, durch welchen unaufhörlich Blitze zuckten und Donner krachten. Die Fregatte, auf der sich Jacob befand, geriet bald in harte Bedrängnis. Das feindliche Feuer hatte ihr den Hauptmast zerschmettert und die Seiten durchlöchert. Schnell kam nun der Feind herbei, enterte und bemächtigte sich ihrer, wie wohl nur nach verzweifelter Gegenwehr und nachdem auch der letzte Mann kampfunfähig geworden war. Aber zu gleicher Zeit begann auch das lecke Schiff unaufhaltsam zu sinken. Es blieb den Siegern nichts übrig, als schnell zu ihren Schiffen zurückzukehren. Die Beute, die sie im Augenblick zusammenrafften, obwohl an sich geringe, war doch für uns von erheblicher Wichtigkeit, denn unter diese hatte sich Jacob klug und behänd versteckt, um dem Ertrinken zu entgehen.

Zwar lag ihm wenig daran, die umgekommenen Kameraden auf solche Weise zu überleben, aber wohl, sie, wenn es anginge, zu rächen, den anderen, die noch stritten, mit seinem Leben noch einen großen Dienst zu leisten!

In seinem Versteck vernahm er die dringende Gefahr der Freunde und wie deren Untergang auf unaufhaltsame Weise beschlossen ward. Alsbald schlich er sich, unbeachtet bei dem fortwährenden Getümmel der Schlacht, hinab unter das Verdeck und ersah sich in kurzer Zeit alle Gelegenheiten des unteren Schiffsraums. Da schlüpfte er in einen düsteren Verschlag, wo kleine Fässer aufgeschichtet standen. Einzelne waren offen, der Boden war mit schwarzem Staub bedeckt. Es ist die Pulverkammer!

Er machte sich dort zu schaffen und zog sich darauf in den dort liegenden feuchten Mantel des Wachtpostens zurück. Es verbreitete sich bald ein Geruch wie von brennendem Schwamm. Die Wache bemerkte es und eilte davon, um Lärm zu machen. Ein Fünkchen flackerte auf und verlosch, jetzt wieder eins! Eine seltsam leuchtende Schlange lief gemach quer über den Boden hin, und jetzt! Gott erbarme sich! Blitz und Schlag! Alles in Rauch und Feuer hinauf in die Lüfte! Das Admiralschiff des Feindes wurde vernichtet! Mit ihm die zwei anderen, zunächst befindlichen. Andere brannten! Alles floh auseinander und ließ vom Kampf ab, um nur dem nahen Verderben zu entrinnen. Die Holländer, vor Kurzem noch in äußerster Not, ermutigten sich und wandten sich wieder zum Angriff. Manches feindliche Schiff wurde genommen, manches in Grund gebohrt. Das Treffen hörte auf, der Sieg war vollständig, und triumphierend lief bald darauf das holländische Geschwader in den Hafen der Küstenstadt ein.