Fort Aldamo – Band 63
Frank Callahan
Fort Aldamo
Die Abenteuer des Master Sergeant Finnewacker
Band 63
Attacke auf Fort Lincoln
Western, Military, Heftroman, Bastei, Köln, 66 Seiten, 1,80 €, Neuauflage vom 03.04.2018, Titelbild von Günter König
Kurzinhalt:
Sonderauftrag für Master Sergeant Finnewacker. Schreckensnachrichten aus Camp Lincoln, dem abgelegenen Armee-Fort an der mexikanischen Grenze, haben das Oberkommando in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Meuterei und Befehlsverweigerung sind in diesem Fort an der Tagesordnung. Einige Vorgesetzte sind schon von unbekannten Aufrührern überfallen und lazarettreif geschlagen worden. Einen Lieutenant hat man aus dem Hinterhalt erschossen. Da kann nur ein Mann wie der eisenharte Finnewacker wieder für Ordnung sorgen. Und er verspricht, dass er eine Attacke reiten wird, wie sie diese Halunken noch niemals erlebt haben …
Leseprobe
»Eine Brieftaubenmeldung aus Camp Lowell, Master Sergeant!«, schmetterte der Korbmeister und stand wie eine Eins vor dem kommissarischen Commander von Fort Aldamo und Spieß der Strafkompanie.
»Steh schon bequem, du Hecht. Her mit der Meldung. Was steht denn drin, Sergeant?«
Der Korbmeister, dem die Brieftauben unterstanden, rührte und schüttelte dann fast beleidigt den Kopf.
»Also hör mal, Finnewacker, ich würde es nie wagen, eine Botschaft vom Regiment zu lesen.«
»Na, na, na«, antwortete Master Sergeant Finnewacker breit grinsend. »Da bin ich mir nicht so sicher. Doch was soll’s, mein Guter? Du wirst’s ja erfahren, sollte die Meldung die Strafkompanie betreffen.«
»Aye, Finnewacker.«
»Kannst abschwirren, Sergeant.«
Der Korbmeister salutierte und stiefelte zur Tür. Doch dort holte ihn Finnewackers Stimme noch mal ein.
»Moment noch. Ich hab da ’ne Idee, die deine Lieblinge betrifft!«
»Wirklich?«, fragte der Korbmeister strahlend. Er hegte und pflegte seine gefiederten Freunde voller Liebe. Und die Brieftauben stellten nun einmal die schnellste Verbindung mit dem fünf Tagesritte entfernt liegenden Camp Lowell dar.
»Da bin ich aber neugierig, Finnewacker.«
Der alte Haudegen grinste breit. Schalk blitzte in seinen Augen auf. Doch das schien der Sergeant nicht zu bemerken.
»Du solltest mal ’ne Brieftaube mit ’nem Specht kreuzen, mein Bester. Na, ist das nicht ein prächtiger Vorschlag?«
»Was …?«, staunte der Korbmeister. »Davon habe ich noch nie gehört. Und was versprichst du dir davon …?«
»Ist doch klar wie Kloßbrühe, Sergeant. Die Tauben klopfen dann an, ehe sie in den Verschlag hüpfen.«
Der Korbmeister stand wie erstarrt und starrte seinen Vorgesetzten verblüfft an, der schallend lachte.
»Werde es mal ausprobieren, Master Sergeant«, antwortete der Sergeant dann todernst. »Es gibt da aber ein Problem, das nicht so leicht zu lösen ist: Wo kriege ich nur ’nen Specht her?«
Der Korbmeister verließ die Kommandantur mit schnellen Schritten. Finnewacker blieb das Lachen in der Kehle stecken.
Er kratzte sich am Kopf, nahm seine qualmende Zigarre aus dem Aschenbecher und sog daran.
»Mein lieber Schwan«, murmelte er dann. »Entweder hat dieser Vogelzüchter keinen Humor oder er ist total bescheuert. Hoffentlich hat er meinen Scherz nicht in die falsche Kehle gekriegt!«
Sergeant Fitzgerald, Finnewackers Stellvertreter, trat ein und baute voller Elan sein Männchen.
Der kleinwüchsige und krausköpfige Sergeant nickte dann seinem Freund und alten Kampfgefährten zu.
»Ist nicht vor wenigen Minuten eine Brieftaube angeflattert, mein Alter?«
»Richtig, Kleiner. Wenn du nichts dagegen hast, dann möchte ich die Meldung mal lesen.«
»Nichts dagegen einzuwenden, Sir!«, spöttelte der kleine Krauskopf. Dabei sah er den Commander von Fort Aldamo neugierig an.
Das winzige Zettelchen wirkte verloren in Finnewackers großer Hand. Der Master Sergeant kniff die Augen zusammen, als er die Meldung aus dem fernen Camp Lowell las.
»Na, was ist…?«, konnte Fitzgerald seine Ungeduld nicht länger zügeln, als sein Vorgesetzter den Zettel auf die Schreibtischplatte zurücklegte.
»Mann, o Mann, es wäre ja nicht mit dir auszuhalten, wenn du neugierig wärst, alter Herzensbrecher. Gut, ich will dir sagen, was anliegt. Major Deshay wird in den nächsten Tagen mit zwei seiner Leute hier auftauchen. Was er will, steht nicht in der Brieftaubenmeldung.«
»Scheint sich um eine reine Routine-Inspektion zu handeln«, meinte Fitzgerald. »Du weißt doch, dass Deshay hier der offizielle Commander von Fort Aldamo ist, obwohl du das alles hier alleine schaukelst. Colonel Brooke musste den Major aber vorschieben, damit du nicht wieder einen Offizier vor die Nase gesetzt bekommst. Und bisher sind wir mit Major Deshay gut gefahren. Er lässt dir völlig freie Hand. Du kannst schalten und walten, wie du willst.«
Master Sergeant Finnewacker nickte.
»Deshay ist ein prächtiger Bursche. Er steht voll hinter mir. Wir können uns auf ihn verlassen. Trotzdem bin ich mächtig gespannt, was er auf dem Herzen hat. Für eine Routine-Inspektion ist es noch zu früh. Na gut, wir lassen uns überraschen. Du sagst den Wachposten auf dem steinernen Turm Bescheid, dass hoher Besuch im Anmarsch ist. Ich möchte sofort informiert werden, sollte eine Staubwolke in der Nähe des Buschgürtels zu sehen sein!«
Sergeant Fitzgerald schlug die Hacken zusammen.
»Zu Befehl, Finnewacker!«
*
»Das ist ja die Höhe!«, brüllte Finnewacker und fuhr wie ein Springteufel hinter seinem Schreibtisch hoch. »Himmel, Arsch und zugenäht, das lasse ich mir von diesem … diesem … äh … Geflügelzüchter nicht gefallen!«
»Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?«, fragte Fitzgerald, der am langen Tisch saß und den Dienstplan für die nächste Woche ausarbeitete. »Welchen Geflügelzüchter meinst du denn? Haben wir eine neue Planstelle bekommen, von der ich keine Ahnung habe?«
»Du hast ja ebenfalls ’ne Meise«, schimpfte der Commander von Fort Aldamo. Dann blickte er zur Tür, die in die Schreibstube führte.
»Ordonnanz!«
Zwei Sekunden später sauste ein Strafsoldat im grauweißen Drillich herein und salutierte so zackig, dass es ihn fast von den Beinen riss.
»Zu Befehl, Master Sergeant!«
»Setz mal deinen dicken Hintern in Bewegung, du Blindschleiche, und schaff mir den Korbmeister herbei. Aber dalli, dalli. Kaporus?«
»Zu Befehl, Master Sergeant!«, schmetterte der zur Schreibstube abkommandierte Sträfling, schlug erneut die Hacken zusammen, dass es nur so krachte. Dann sauste er davon.
Sergeant Fitzgerald legte den Kopf schief und sah seinen Vorgesetzten wie ein seltenes Insekt an.
»Was willst du denn vom Korbmeister?«, fragte er. »Ist schon wieder eine Brieftaube angekommen?«
»Natürlich nicht, du Naseweis. Und erspare mir alle weiteren neugierigen Fragen. Hast du verstanden?«
Der kleine Krauskopf ließ sich beleidigt auf seinen Stuhl zurückfallen und widmete sich wieder seinem Dienstplan.
Es klopfte.
»Herein«, brüllte Finnewacker wie ein hungriger Löwe, der eine lohnenswerte Beute gewittert hatte.
Es rührte sich nichts. Schritte wurden laut, die sich langsam entfernten.
»So geht das nicht«, tobte der Commander und rannte zur Tür. Ehe er sie öffnen konnte, wurde sie aufgerissen.
Damit hatte der alte Kämpe nicht gerechnet. Es dröhnte dumpf, als er die Tür gegen seinen Schädel knallte.
»Ach du grüne Neune«, flüsterte Fitzgerald.
Finnewacker taumelte zurück und ließ einen schaurigen Fluch los, bei dem jede Lady in Ohnmacht gefallen wäre.
Der Korbmeister, der eintrat, grinste aber nur und legte seine rechte Hand federnd gegen den Rand seines Käppis.
»Melde mich zur Stelle, Finnewacker!«
Der Spieß der Strafkompanie holte mehrmals tief Atem, ehe er sich umwandte und zu seinem Schreibtisch zurückmarschierte. Er ließ sich wie ein Kartoffelsack auf den Stuhl fallen, der protestierend ächzte.
»Wenn du noch ein bisschen grinst, dann reiße ich dir den Hintern bis zum Geht-nicht-mehr auf!«, drohte Finnewacker. »Und wenn ich ›Herein‹ rufe, dann hast du sofort einzutreten und dich nicht davonzuschleichen!«
»Du musst mich verwechseln«, verteidigte sich der Korbmeister. »Der dicke Kleiber begegnete mir in der Schreibstube. Bestimmt hast du wieder furchtbar gebrüllt. Und da hast du wohl unseren Wonneproppen in die Flucht geschlagen.«
»Ach was …!«
»Du kannst’s glauben oder auch nicht!«
»Na gut, du Brieftaubenbändiger. Ich habe ein anderes Hühnchen mit dir zu rupfen. Bestimmt ahnst du schon, was ich von dir will?«
»Nein, Finnewacker. Keine Ahnung!«
Der Commander von Fort Aldamo griff nach einem Stück Papier und hielt es dem Sergeant vor die Nase.
»Was ist das …?«
»Ach so, Finnewacker!«
»Nichts ›ach so‹! Beantworte meine Frage, ehe ich aus der Haut fahre und explodiere!«
»Das ist eine schriftliche Anforderung, die du mit dem nächsten Nachschubtransport nach Camp Lowell schicken sollst!«
»Und …?«
So fragte Master Sergeant Finnewacker gefährlich leise. Sein Schnurrbart stand wie eine Bürste ab. Und das war das äußere Zeichen, dass es um seinen Gemütszustand verdammt schlecht aussah.
»Was … und? Ich verstehe beim besten Willen nicht, was deine Aufregung zu bedeuten hat!«
Das kapierte auch Sergeant Fitzgerald nicht, der neugierig das Geschehen in der Kommandantur verfolgte.
»Mensch, Sergeant, bist du so beknackt oder willst du mich auf den Besen laden, du Knalltüte?«
Der Korbmeister zuckte ratlos mit den Schultern.
»Habe ich etwas falsch gemacht?«
Finnewacker stand auf und stützte sich mit beiden Händen auf der Schreibtischplatte ab. Sein Gesicht hatte die Farbe einer überreifen Tomate angenommen. Und er blähte jetzt die Backen, als wollte er sie zum Platzen bringen.
»Nein, mein Guter. Deine Anforderung ans Regiment ist völlig korrekt geschrieben«, sagte er gefährlich leise. »Aber dass du einen Specht in Camp Lowell anforderst, das ist die größte Unverschämtheit, die mir jemals unter die Augen gekommen ist. Du hast doch nicht mehr alle Latten im Zaun, du … du … Gesundbeter!«
Der Korbmeister wankte einige Schritte zurück. Fitzgerald sah, dass er sich nur mit Mühe ein Grinsen verbiss.
»Aber du hast doch selbst gesagt, dass ich …«
»Raus!«, brüllte der Commander. »Raus. Und wenn du mich nochmals verschei… veräppeln willst, dann lernst du mich aber kennen. Das verspreche ich dir. Und nun raus. Tritt mir bloß in den nächsten vier Wochen nicht mehr unter die Augen, sonst lasse ich die Sau raus!«
»Aye, Finnewacker!«, erwiderte der Korbmeister scheinbar zerknirscht und salutierte. Dann beeilte er sich, die Kommandantur zu verlassen.
Nachdem die Tür zugefallen war, drang brüllendes Gelächter aus der Schreibstube an Finnewackers Ohren.
Der Commander ließ sich auf seinen Stuhl zurückfallen.
Dann grinste auch er breit.
»Na endlich. Und ich hatte doch wirklich geglaubt, dass dieser Hühnerdieb das alles ernst meint. Da hat er mich aber auf die Schippe genommen. Du brauchst gar nicht so neugierig zu gucken, Kleiner. Von mir erfährst du keinen Pieps.«
Quelle:
- Frank Callahan: Fort Aldamo. Die Abenteuer des Master Sergeant Finnewacker. Band 63. Bastei Verlag. Köln. 03.04.2018