Der Ritter von der Entersburg
Vom frischen Quell
Sagen, Legenden und Geschichten aus der Eifel
Jung und Alt in neuer Fassung dargeboten von Rektor Jos. Schiffels
Verlag Georg Fischer. Wittlich. 1912
Zweites Bändchen
Der Ritter von der Entersburg
Auf einer von der Üss umflossenen, jetzt bewaldeten Anhöhe oberhalb Bertrich stand in alter Zeit die Entersburg, ein Raubritterschloss. Dort hauste ein Ritter, der Wege und Stege unsicher machte, den Wanderer ausplünderte und vom Raub lebte. Man wollte ihn auf seinen Raubzügen aufspüren, um ihm das unredliche Handwerk gründlich zu legen. Aber er bekam Kunde davon und verstand es lange, diejenigen, welche ihn aufsuchen und verfolgen wollten, durch eine List zu täuschen. Er ließ nämlich seinem und seiner Gefährten Rosse die Eisen verkehrt auf die Hufe nageln, sodass sie immer in die entgegengesetzte Richtung von jener zeigten, welche die Räuber genommen hatten. Um seiner habhaft zu werden, wurde beschlossen, seine Burg zu belagern und zu zerstören. Eine Zeit lang hielt die Besatzung der Entersburg die Belagerung aus. Als aber der Vorrat an Lebensmitteln erschöpft war, musste man sich zur Übergabe der Burg verstehen.
Da erschien die Burgfrau auf der Ringmauer und sagte zu den Belagerern: »Wir übergeben euch das Schloss, wenn ihr mir gestattet, frei auszuziehen und soviel mitzunehmen, wie ich in einer Manne1 auf meinem Kopf tragen kann.«
Ihrem Antrag wurde stattgegeben. Die Tore öffneten sich, und die Burgfrau schritt mit ihrer Last unbehelligt durch die feindlichen Krieger hindurch. Sie erreichte glücklich das dichte Gebüsch in der Nähe und konnte sich mit ihrem Gemahl – denn diesen trug sie in dem Korb – durch die Flucht retten. Die von der Entersburg gegen Hontheim sich hinziehende Waldschlucht heißt heute noch das Mannetal.