Denise Mulligan – Insel-Horror Part 6
Gunter Arentzen
Denise Mulligan
Insel-Horror
Part 6: Das Ende der Quest
Zitat:
In einem Theater brach hinter den Kulissen Feuer aus. Der Pierrot trat an die Rampe, um das Publikum davon zu unterrichten. Man glaubte, es sei ein Witz, und applaudierte. Er wiederholte seine Mitteilung; man jubelte noch mehr. So, denke ich mir, wird die Welt eines Tages untergehen.
(Søren Aabye Kierkegaard)
Rückblick
Die Ruhe nach dem Sturm
I
London, 14. August
»Gut gekämpft!«, brummt er. »Aber nun ist es vorbei!«
Ich blicke zu Milou. »Lauf!«, bringe ich hervor, dann zieht er die Lanze zurück und ich stürze zu Boden – einer Marionette gleich, der die Fäden durchtrennt wurden.
»Wo ist der Kristall?«, fragt jener, der mich erwischt hat.
»Ich habe ihn gegessen!«, wispere ich und schaffe es, leise zu lachen. Die Welt entfernt sich von mir.
»So?« Er stößt die Lanze in meinen Oberschenkel. »Wo ist der Kristall?«
Der Schmerz löst den Schleier, ich bäume mich schreiend auf. »Der Kristall«, wispere ich nach ein paar Sekunden, »steckt im Hintern deines Freundes!«
Er blickt mich an, dann jagt die Lanze erneut in die Tiefe und triff nun meinen Unterleib.
Schmerzen explodieren tief in mir. Erbrochenes schießt über meine Lippen, vermischt mit Blut.
»Die Magie der Waffe verhindert Ohnmacht und raschen Tod!«, erklärt er. »Ich kann dich sehr lange leiden lassen!«
Ich sehe, dass Milou noch immer in der Tür steht und mit fassungslosem Grauen meinem Leid beiwohnt.
»Deine räudige Mutter hat ihn sich in ihr Loch geschoben!«, bringe ich hervor.
Das war ein Fehler. Er stößt einen Schrei aus und nun bohrt sich die Lanze tief in meinen Magen und pinnt mich an den Boden. Abermals übergebe ich mich, die Schmerzen sind grausamer, als ich es mir je hätte vorstellen können.
»Du wirst nicht reden! Aber vielleicht deine Freundin!«
Er blickt zu Milou, reißt die Lanze zurück und richtete sie auf meine Freundin.
Sie steht noch immer dort und regt sich nicht. Ihr Blick ist blank, sie begreift nicht, in welcher Gefahr sie schwebt.
Woher ich die Kraft nehme, ich weiß es nicht. Aber ich schaffe es, das Schwert zu umfassen und mit einer verzweifelten Geste nach oben zu wuchten. Die Schneide trifft den Fomori und es ist Magie, nicht meine Kraft, die ihm zusetzt. Er schreit auf, grünes Blut fließ aus einer tiefen Wunde.
»Lauf!«, stoße ich hervor. »Milou – lauf!«
Sie läuft nicht, sondern wirkt zwei Zauber. Ein Schutzzauber, der sich blau zwischen ihr und den Fomori aufbaut, dann die bekannte Mauer.
Was sie damit bewerkstelligen will, ich weiß es nicht.
Die Fomori auch nicht.
Jener, der mich folterte, er ist verletzt, aber nicht allzu schwer, jagt seine Lanze in meine Schulter. Die anderen hingegen richten ihre Waffen auf die Mauer, Blitze jagen aus ihren Schwertern und Lanzen, hinein in Milous Zauber und lassen ihn zerplatzen.
»Huch«, wispere ich, während mein Körper eine einzige Wunde zu sein scheint, die panisch Schmerzsignale an mein Hirn schickt.
Denn Milou ist nicht mehr alleine.
Große, halb nackte Männer stehen dort, bewaffnet mit Schwertern, Lanzen und Bögen.
Bei ihnen befinden sich zwei junge Frauen, wie ich sie schöner nie sah.
»Jetzt, da ich sterbe, kommen die Elfen oder Feen!«, flüstere ich, während die Fomori zurückweichen. »Ironie!«
Die halb nackten Krieger stürmen vor. Dabei stoßen sie wilde Laute aus, wie ich sie noch nie hörte. Und doch verstehe ich, was sie rufen.
Die Welt um mich herum verschwimmt. Kälte hüllt mich ein, die Schmerzen verschwinden. Der Tod, er wird mich schon bald erlösen.
Milou geht links neben mir in die Hocke, meine Hand umklammernd, als könne sie mich im Diesseits halten.
Auf der anderen Seite geht eine der jungen Frauen in die Knie und betrachtet mich.
»Schade, dass du erst jetzt kommst!«, bringe ich hervor. »Was hätten wir alles tun können, als ich noch nicht im Sterben lag!«
Sie lacht leise und hell, dann küsst sie mich ungeachtet von Blut und Erbrochenem. Süßer Speichel fließt in meinen Mund, in meinem Hirn explodiert ein grelles Licht.
Wunderbare Gefühle durchfließen meinen Leib; unwillkürlich umschließe ich ihre Schultern mit meinen Armen.
Wie lange wir einander küssen, ich weiß es nicht! Aber als der Kuss endet, fühle ich mich stark und gesund.
Erstaunt richte ich mich auf. »Was …«
»Mein Name ist Fiona, ich bin eine Bewahrerin des Hohen Hofs. Die Göttin bat mich, dich zu heilen!«
Sie schenkt mir ein Petzauge. »War mir ein Vergnügen!«
Ich starre sie an, dann drehe ich den Kopf und schaue zu Charlie. »Kannst du sie auch …«
»Sie ist gegangen!«, sagt Fiona leise. »Die Banshee führte sie nach Hy Braesil.«
»Nein!« Tränen fließen über meine Wangen. »Das ist …«
Fiona legt eine Hand auf meine Wange und die Trauer verblasst ein wenig. »Solltest du morgen noch immer unter dem Verlust leiden, rufe meinen Namen! Ich werde dir die Qual nehmen!«
»Den Schmerz nehmen? Ich werde trauern, denn alles andere wäre Betrug an ihr!«
Fiona lächelt sanft. »Das wäre es nicht, Kriegerin. Sie führt eine unbeschwerte Existenz in der besten aller Welten. Sie möchte nur eines – dass es dir gut geht! Sie sagt es dir durch mich! Lass dir helfen, wenn das Wissen um ihr Glück nicht genügt!«
Damit erhebt sich Fiona, nickt und geht davon. Milou drückt meine Hand; auch sie hat tränennasse Augen. Der Kampf indes ist vorbei; die Fomori sind weg, die Halbnackten stehen ein wenig unschlüssig herum, gehen dann aber mit den beiden Frauen. Sie verlassen den Saal – und sind weg.
Reste von dem, was geschah, bleiben zurück. Löcher im Boden, die jedoch lediglich in das Tiefgeschoss führen, nicht dorthin, wo die Fomori hausen.
Charlie; tot.
Und Blut. Meines, aber auch das der Fomori, die ich tötete.
Langsam erhebe ich mich, greife nach dem Schwert und schiebe es in die Scheide auf meinem Rücken.
Sir Livingston kehrt zurück; alleine. Er schaut sich um, sieht Charlie und stößt einen erschrockenen Schrei aus.
Dann sieht er den Kristall. »Er wurde nicht gestohlen!«, ruft er. »Was hat sich hier …« Er winkt ab. »Es gibt Überwachungsvideos, sie werden mir alles sagen!«
»Nach Hause!«, wispere ich Milou zu. Die Schmerzen sind verschwunden, man sieht mir meine Verletzungen nicht mehr an. Aber ich fühle mich unendlich müde.
Sie nickt und ordert per eServ ein Taxi. Fahren können wir an diesem Abend beide nicht!
Die vollständige Story steht als PDF, EPUB,MOBI und AZW3 zur Verfügung.
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