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Die Einsetzung der republikanischen Verwaltung in Wittlich am 5. April 1798

Vom frischen Quell
Sagen, Legenden und Geschichten aus der Eifel
Jung und Alt in neuer Fassung dargeboten von Rektor Jos. Schiffels
Verlag Georg Fischer. Wittlich. 1912
Zweites Bändchen

Die Einsetzung der republikanischen Verwaltung in Wittlich am 5. April 1798

Zu den Gebieten, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts in die Gewalt der Franzosen gekommen waren, wurde auch die französische Gesetzgebung und Verwaltung eingeführt. Das geschah in Wittlich unter großen Feierlichkeiten am 5. April 1798. Wittlich war der Hauptort des gleichnamigen Kantons im Saardepartement1. Der Verwalter desselben, der Bürger Haan, hatte den Auftrag, die neuen Behörden in Wittlich einzusetzen. In der Stadt waren alle Vorbereitungen getroffen, um ihn seiner Würde gemäß zu empfangen. Die Jünglinge aus Wittlich hatten ein Kavalleriekorps gebildet. Sie stellten Vorposten aus, um die Ankunft des Erwarteten auszukundschaften. Als sie seinen Wagen erblickten, ritten sie rasch in die Stadt zurück. Sofort begannen die Kanonen zu donnern und die Glocken zu läuten. So wurde allen Gemeinden des Kantons kund, dass der Bürger Haas gekommen sei, um den Kanton Wittlich nach den Grundsätzen der Republik einzurichten. Alsbald ritt die in schöne Uniform gekleidete Kavallerie ihm entgegen und geleitete ihn unter dem Geschmetter der Trompeten und dem Wehen der dreifarbigen2 Fahnen bis an das Stadttor, wo sich die Schuljugend aufgestellt hatte. Unter dem Zuruf »Es lebe die Republik!« und dem Gesang patriotischer Lieder begleitete sie ihn bis an das Rathaus.

Dort stieg der Bürger Haan ab. Er wurde von Mitgliedern des alten Stadtrates, der gesamten Geistlichkeit und den städtischen Abgesandten (Deputierten) empfangen und unter Frohlocken und Jubelgeschrei in das Rathaus geführt. Hier ernannte er die für die einzelnen Stellen bestimmten neuen Beamten. Diese mussten den Eid der Treue und Anhänglichkeit an die Republik leisten und schwören, die ihnen übertragenen Obliegenheiten und Verpflichtungen gewissenhaft und eifrig zu versehen. Dem Präsidenten der neuen Stadtverwaltung legte er zum Zeichen seiner Würde eine Schärpe an und gab ihm den Bruderkuss. Danach zeigte der Bürger Haan in einer Rede die Vorteile der neuen Ordnung gegenüber der alten Verfassung.

Nach dieser Feierlichkeit bewegte sich ein langer Festzug zum Trierer Tor, durch das nach einer Bestimmung des früheren Stadtrats der Freiheitsbaum in die Stadt gebracht werden sollte.

Der Zug war folgendermaßen geordnet:

  1. das bürgerliche Kavalleriekorps, davor ein Trompeter und zwei Fähnriche zu Pferde, welche die dreifarbige Fahne trugen;
  2. die Schuljugend mit ihren Lehrern;
  3. ein Korps junger Bürger, die Musik und sechs mit Bändern geschmückte Jünglinge, welche den Freiheitsbaum trugen;
  4. eine Kompanie Artillerie mit ihren Offizieren;
  5. weiß gekleidete und mit dreifarbigen Bändern gezierte Jungfrauen, Girlanden tragend; in ihrer Mitte fuhr ein Wagen mit zwei verwundeten Kriegern;
  6. der Bürger Deuster nebst drei anderen Bürgern, welche die neue Verfassung auf einem samtenen Kissen trugen;
  7. die Söhne der Bürger Keucker und Weis, welche dreifarbige Fahnen trugen; in ihrer Mitte dreijährige Knaben Hand in Hand;
  8. die neu eingesetzten Beamten und der Bürger Haan;
  9. die von Bernkastel zu dieser Feier eingeladenen Bürger;
  10. die Mitglieder des alten Stadtrats und die Geistlichkeit;
  11. Vertreter der verschiedenen Zünfte;
  12. die übrigen Beamten des Kantons und zuletzt
  13. die Bürgerschaft von Wittlich.

Während der Zug durch die Straßen ging, donnerten die Kanonen; die Glocken läuteten, und unaufhörlich erscholl Musik. Auf dem Markt stellte man sich im Kreis auf. Der alte Freiheitsbaum wurde zerkleinert und verbrannt. Der Bürger Keucker hielt von einem erhöhten Platz aus eine mit Beifall aufgenommene Rede, in der er sich als eifrigen Anhänger der Grundsätze der Republik bekannte. In französischer Sprache dankte er den beiden verwundeten Soldaten, die mit Lorbeerkränzen geschmückt wurden, für ihre tapfere Mitwirkung im Kampf um die Freiheit. Dann wurde der mit dreifarbigen Bändern, mit Blumen und Girlanden gezierte neue Freiheitsbaum aufgerichtet. Die Bürgerin Hensch ließ eine weiße Taube fliegen zum Zeichen der Freiheit. Dabei brach die Volksmenge in begeisterten Jubel aus.

Für die Bürgerschaft war das Fest ein Tag der Freude und der Bruderliebe. Allenthalben ertönte der Freudenruf: »Hoch lebe die Republik!« Die Feierlichkeit schloss mit einem Ball für die Jugend, der um 11 Uhr abends endete. In ähnlicher Weise wurde auch an anderen Orten die neue Verwaltung eingeführt, die zum Segen der Bevölkerung aber bald von der preußischen abgelöst wurde.

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  1. Departement bedeutet Verwaltungsbezirk. Das Saardepartement (Hauptstadt Trier) hatte 34 Kantone.
  2. Die französischen Nationalfarben der Fahnen und Kokarden waren blau, weiß und rot.