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Fort Aldamo – Band 59

Frank Callahan
Fort Aldamo
Die Abenteuer des Master Sergeant Finnewacker
Band 59
Blutige Weide

Western, Military, Heftroman, Bastei, Köln, 66 Seiten, 1,80 €, Neuauflage vom 06.02.2018, Titelbild von Günter König

Kurzinhalt:
Master Sergeant Finnewacker steht vor einem Rätsel. Sein Stellvertreter Fitzgerald benimmt sich seit ein paar Tagen mehr als seltsam. Irgendein düsteres Geheimnis macht ihm schwer zu schaffen. Als Fitzgerald vier Wochen Urlaub beantragt und sich auf den Weg nach Yuma City macht, muss Finnewacker ihn zähneknirschend reiten lassen.

Was will der Kleine in Yuma City? Was bedrückt ihn so sehr? Verzweifelt sucht Finnewacker nach einem Grund, dem kleinen Krauskopf folgen zu können. Er bekommt ihn schneller, als er glaubt: Fitzgerald machte sich ohne Proviant auf den höllischen Trail!

Wie der Teufel jagt Finnewacker seinem besten Freund hinterher – und in ein Abenteuer, wie es dramatischer nicht sein kann …

Leseprobe

»Morgenstund ist aller Laster An­fang«, brummte Sergeant Fitzgerald missvergnügt und nickte Master Ser­geant Finnewacker zu, der hinter sei­nem Schreibtisch thronte und sich mit dem Rauch einer dicken Zigarre ein­genebelt hatte.

Der kommissarische Commander von Fort Aldamo und Spieß der Strafkompanie grinste breit und wedelte dann mit einer Hand die Rauchschwaden fort, als wolle er einen Fliegenschwarm verscheuchen.

»Morgenstund hat Gold im Mund, wer daran glaubt, ist selber schuld!«, tönte er. »Uralter Kalenderspruch ei­gens von mir überarbeitet!«

Fitzgerald, der kleinwüchsige und kraushaarige Sergeant Finnewackers Stellvertreter in Fort Aldamo – trat ans Fenster und öffnete es.

»Ich verstehe beim besten Willen nicht, wie du es nur in diesem Mief aushalten kannst«, protestierte er.

»Mein lieber Schwan!«, tönte der alte Haudegen. »Du scheinst heute aber mit beiden Beinen falsch aufgestanden zu sein, Kleiner. Hast wohl schlecht ge­schlafen, was?«

»Habe ich nicht!«

»Was denn sonst? Anstatt mir einen wunderschönen Tag zu wünschen, pflaumst du mich schon am frühen Morgen an.«

Sergeant Fitzgerald nahm Haltung an.

»Einen wunderschönen guten Mor­gen, Sir!«, spöttelte er.

Dann aber wurde das braun ge­brannte Gesicht des kleinen Krauskopfs ernst. Finnewackers Stirn furchte sich.

»Also spuck schon aus, was du auf dem Herzen hast, Kleiner. Aber bitte schonend. Es ist wirklich noch reichlich früh am Tage.«

»Ich bitte dich um Urlaub, Master Sergeant. Vier Wochen – wenn’s mög­lich ist!«

Der Commander von Fort Aldamo legte die Zigarre in den Aschenbecher und starrte seinen alten Kameraden verblüfft an.

»Was …? Sag das noch einmal. Könnte ja sein, dass ich mich veritort habe, altes Kanonenrohr!«

»Ich bitte dich, mir vier Wochen Urlaub zu gewähren. Er steht mir zu, wie du weißt. Außerdem ist er längst überfällig!«

Es hielt den Commander nicht mehr länger hinter seinem Schreibtisch. Er stand auf, stiefelte auf Fitzgerald zu und blieb dicht vor dem altgedienten Sergeant stehen.

»Dürfte ich den Grund dafür wissen, Fitzgerald? Mit dir stimmt doch etwas nicht. Wenn ich so nachdenke, dann fällt mir erst jetzt auf, dass du seit zwei Tagen reichlich mürrisch durch die Gegend wandelst. Was ist geschehen? Kann ich dir irgendwie helfen?«

Fitzgerald zögerte mit einer Antwort.

»Steckst du in einer Klemme, Klei­ner? Spielschulden, oder hat es Ärger mit den anderen Chargierten gegeben?«

Fitzgerald schüttelte den Kopf.

Master Sergeant Finnewacker sah seinen Freund ernst an.

»Bring mich nur nicht auf die Palme«, fauchte er dann. »Muss ich dir wirklich jedes Wort aus der Nase ziehen ver­dammt noch mal? Wenn du aber kein Vertrauen zu einem alten Amigo hast, dann zieh Leine.«

Der kleine Krauskopf nickte traurig und wollte sich abwenden. Finnewacker packte den Gefährten am Arm und hielt ihn zurück.

»Ist doch nur Spaß gewesen, du Hecht. Du hast mächtig große Sorgen.

Das sehe ich dir an. Du solltest mir wirklich dein Herz ausschütten. Wozu sind wir Freunde? Und Freundschaft beweist sich erst in der Stunde der Not. Selbstverständlich ist der Urlaub genehmigt.«

»Danke, Finnewacker.«

»Ist das alles . .

»Ja … äh … nein.«

»Drück dich klarer aus – zum Hen­ker!«

Sergeant Fitzgerald sah seinen Vor­gesetzten mit gequältem Gesichtsaus­druck an. Einige große Schweißperlen rannen ihm über die Stirn.

»Tut mir wirklich leid, mein Alter. Ich kann’s dir aber beim besten Willen nicht sagen.«

»Na gut«, brummte Finnewacker enttäuscht. »Ich hätte niemals gedacht, dass du kein Vertrauen zu mir hast. Ist aber wohl nicht zu ändern. Wann willst du losreiten?«

»In einer Stunde!«

»Gut, lass dir von Sergeant Kleiber genügend Vorräte mitgeben. Bringe den dicken Küchenbullen mal ein bisschen auf Schwung.«

»Aye, Finnewacker!«

Fitzgerald grüßte korrekt und ver­ließ mit schnellen Schritten die Kom­mandantur. Der Commander von Fort Aldamo starrte ihm nachdenklich hinterher.

»Himmel, Arsch und Zwirn!«, machte er dann seinem Ärger Luft. »Das ist ja ein Ding. Ich kriege aber raus, was da läuft. Das wäre doch gelacht!«

 

*

 

Sergeant Wollcram sauste in die Kommandantur hinein. Der schnei­digste Soldat der Strafkompanie schlug schon an der Tür die Hacken zusammen, dass es nur so krachte. Und vor Finnewackers Schreibtisch machte er nochmals »Diesen«, wie es der Master Sergeant bezeichnete.

Wollcram übersah, dass sein Vor­gesetzter die Stirn runzelte.

»Sergeant Wollcram meldet sich als Wachhabender zur Stelle, Master Ser­geant. Keine besonderen Vorkomm­nisse!«

Wollcram salutierte erneut und re­agierte nicht auf den tiefen Seufzer Finnewackers. Bisher war es dem Com­mander nicht gelungen, Wollcram das ewige Salutieren abzugewöhnen.

»Danke, Sergeant.«

»Hast du noch Befehle für mich?« Finnewacker schüttelte den Kopf.

»Wer steht heute als Wachhabender auf dem Dienstplan?«

»Sergeant Gammer!«

»In Ordnung, Wollcram. Du kannst dich aufs Ohr hauen und den versäum­ten Schlaf nachholen. Gammer soll den Morgenappell abhalten.«

»Zu Befehl, Master Sergeant!«, schmetterte Wollcram und schlug erneut die Hacken zusammen. Dann machte er zackig kehrt und sauste da­von, als wären ein Dutzend blutgieriger Apachen hinter ihm her.

Die Tür fiel dumpf ins Schloss.

Sekunden später pochte es zaghaft dagegen.

»Herein – wenn’s kein Feind ist!«, ließ der Commander von Fort Aldamo seinen altbewährten Spruch los und hoffte, dass der Bursche erst gar nicht in die Kommandantur kam.

Es war Sergeant Fitzgerald, der her­eintrat und vor seinem Vorgesetzten sein Männchen bauen wollte.

»Schon gut, Kleiner«, winkte Fin­newacker ab. »Du bist reisefertig, nicht wahr? Gut, dann kann ich dir nur noch viel Glück auf deinem Trail wünschen. Und komme mir bloß wieder gesund und munter zurück!«

»Das habe ich vor, mein Alter«, ant­wortete der kleine Krauskopf und schüt­telte Finnewackers Hand. Er wich dem Blick des alten Haudegens aus und lä­chelte ein wenig verloren.

»Nimm dir ‘ne Brieftaube mit, alter Waldschrat. Könnte ja sein, dass du ir­gendwie in Schwulitäten gerätst. Ich bin dann sofort zur Stelle, wie du weißt. Viel Glück Kleiner!«

»Danke, Finnewacker!«

»Willst du mir nicht wenigstens ver­raten, wohin du reiten willst? Das brau­che ich für den Urlaubsantrag. Könnte ja sein, dass hier alles zusammenbricht und deine Anwesenheit vonnöten ist.«

Fitzgerald zögerte schon wieder.

»Mann, du stellst dich an wie eine alte Jungfer vor dem ersten… äh … Rendez­vous.«

»Nach Yuma City«, sagte Fitzgerald leise.

»Na also. Ich hoffe nicht, dass du dort die Bank ausrauben oder sonst ein dickes Ding drehen willst!«

»Vielleicht will ich eine Postkutsche überfallen; vielleicht will ich aber auch nur einige Tage meine Ruhe haben.«

Sergeant Fitzgerald salutierte, verließ die Kommandantur und ließ seinen Mas­ter Sergeant reichlich verbiestert zurück.

Finnewacker trat ans Fenster und spähte hinaus. Der Morgenappell war längst vorüber. Die einzelnen Komman­dos hatten das Fort verlassen. Auf den Zinnen der hohen Mauern, die Fort Al­damo umgaben, patrouillierten Wach­posten.

Es dauerte nicht lange, dann ritt Sergeant Fitzgerald durch (las Tor in die Wüste hinaus, die die alle, ehemals spanische Festung der Konquistadoren umgab.

Das Tor wurde wieder quietschend und ächzend von zwei Strafsoldaten geschlossen.

»Hölle!«, knurrte Finnewacker. »Was ist nur geschehen, dass Fitzgerald kein Vertrauen mehr zu mir hat? Er scheint in einer mächtig schlimmen Klemme zu stecken. Was kann ich nur für ihn tun?«

Master Sergeant Finnewacker starrte noch immer grimmig auf das geschlossene Tor.

Und er hatte plötzlich das Gefühl, seinen langjährigen Kameraden nie­mals wieder zu sehen …

 

*

 

»Was willst du denn von mir, alte Küchenschabe?«, fragte Finnewacker und musterte Sergeant Kleiber wie ein seltenes Insekt.

Der dicke Küchensergeant versuchte, seinen kugelrunden Bauch einzuziehen, der wie ein Ballon über das Koppel quoll. Wie immer ging dieser Versuch mächtig daneben.

Der wohlgenährte Küchenbulle, wie Kleiber scherzhaft von seinen Kamera­den genannt wurde, deutete einen Gruß an, bei dem jeden Rekrutenausbilder der Schlag getroffen hätte.

Finnewackers Schnurrbart begann sich Unheil verkündend zu sträuben.

Und das war stets ein schlechtes Zeichen, was den Gemütszustand des altbewährten Haudegens betraf.

»Ich versteh’s einfach nicht, Finnewacker«, seufzte Kleiber. »Erst macht dieser Gartenzwerg einen solchen Wir­bel, und dann reitet er davon, ohne den Proviant mitzunehmen.«

»Sprichst du von Fitzgerald?«, fragte Finnewacker interessiert.

»So ist es, Master Sergeant. Der Kleine scheint wohl sehr zerstreut zu sein. Auf jeden Fall ist er mit leeren Satteltaschen losgeritten.«

Kleiber zuckte hilflos mit den Schul­tern. Seine dicken Backen wackelten wie ein Pudding.

»Vielleicht hat Sergeant Fitzgerald auch angenommen, dass ihm meine Leute alles in die Satteltaschen packen. Als wir es tun wollten, war Fitzgerald aber schon losgeritten. Das wollte ich dir melden, Finnewacker!«

Quelle:

  • Frank Callahan: Fort Aldamo. Die Abenteuer des Master Sergeant Finnewacker. Band 59. Bastei Verlag. Köln. 06.02.2018