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Romantruhe-Western Band 21

John F. Beck
Romantruhe-Western Band 21
Sheng – Der Kung Fu-Kämpfer

Western, Paperback, Romantruhe, Kerpen-Türnich, Dezember 2017, 70 Seiten, 4,95 Euro, Titelbild: FABA-Romantruhe
www.romantruhe.de

Kurzinhalt:
Unverhofft trifft Sheng auf die schöne Lai Yin. Er kennt sie noch aus seiner Zeit in China. Schon damals wurde er vom Geheimbund des Schwarzen Drachen gnadenlos verfolgt und musste um sein Leben kämpfen. Lai Yin half ihm seinerzeit, aber dann trennten sich ihre Wege, als Sheng in den amerikanischen Westen kam.

Nun muss Sheng erkennen, dass ausgerechnet Lai Yin auf der Seite des Schwarzen Drachen steht. Ihr Vater Sen Kiang herrscht über die Namenlose Stadt fern abseits jeglicher Ansiedlungen in der Wüste. Wer einmal diese Stadt gesehen hat, kehrt niemals zurück, heißt es!

Sheng besitzt einen Teil der heiligen Schriftrolle mit den Lehren des Tao Chi und nun befindet sie sich in den Händen Lai Yins. Für Sheng gibt es nur noch eins: Er muss diese Schriftrolle zurückholen. Auch wenn er dafür die Namenlose Stadt betreten und sein Leben riskieren muss!

Leseprobe:

Sein Name ist Sheng – und er ist auf der Flucht vor den Männern des Schwarzen Drachen, die ihm den Tod geschworen haben. Deshalb hat er China verlassen und ist nach Amerika gekommen. Aber er ist nicht nur ein Gejagter, sondern auch ein Suchender. Denn sein leiblicher Vater ist ein Amerikaner und ihn gilt es zu finden. Den Tod im Nacken und die Hoffnung, eines Tages seinen Vater zu finden – dies ist der Weg, den er gehen muss.

Shengs Flucht vor den Männern des Schwarzen Drachen führt ihn nach Nevada, wo eine neue Bahnlinie gebaut wird. Frank Bennet, ein skrupelloser Bahnbau-Ingenieur, will die Strecke nach Tonopah ohne jegliche Rücksicht vollenden. Egal, wie viele chinesische Arbeiter dabei ihr Leben verlieren. Wess Matlock und seine Revolvergarde brechen jeden Widerstand unter den Bahnarbeitern. Und auch Sheng bekommt diese Gewalt am eigenen Leib zu spüren …

Er kam aus der Wüste. Das Krachen der fernen Schüsse hallte noch in seinen Ohren. Die Rauchsäule, die hinter den mit Scrubwood und Kakteen bestandenen Hügelkämmen kerzengerade in den wolkenlosen Himmel von Nevada stieg, war sein Ziel.

Er hörte die wilde Stimme: »Rede, verdammt noch mal. Sag uns, wo sich dieser Hundesohn verkrochen hat, wenn du nicht willst, dass wir dich hängen!«

Wie ein Spuk tauchte der einsame Wüstenwanderer aus den schwimmenden Hitzeschleiern vor den drei Halunken auf.

Sie standen mit angeschlagenen Colts neben dem brennenden Trümmerhaufen einer ehemals kleinen, armseligen Farmhütte.

Ungläubig starrten sie auf den großen, schlanken, über und über mit Wüstenstaub bedeckten Mann.

Er besaß ein markantes Gesicht mit dunklen, leicht geschlitzten Augen. Ein Ge­sicht, das man nicht so leicht vergaß, wenn man es einmal gesehen hatte.

Er kam ohne Pferd und ohne Waffen. Sein ganzer Besitz war das leichte Decken­bündel auf seiner linken Schulter. Hinter ihm lagen vierzig Meilen leeres, sonnenver­branntes Land. Vierzig Meilen ohne Wasser. Eine Gluthölle bei Tag. Eisige Kälte in den sternklaren Nächten. Kein Mann hatte jemals diese Strecke zu Fuß bewältigt. Aber der Fremde schwankte nicht, keuchte nicht, und als er den Ziehbrunnen und den mit Wasser gefüllten Blecheimer auf der Steinmauer sah, begann er nicht zu rennen. Mit gleichmäßigen, festen Schritten kam er einen lang gestreckten, mit Geröll und niedrigen Kakteen übersäten Hang herab.

Drei schussbereite Colts wanderten mit ihm mit. Die verkniffenen Gesichter dar­über waren hart und mitleidlos. Gesichter von Mördern. Die Kerle trugen derbe Reiterkleidung. Patronenschwere Gurte spannten sich um ihre Hüften, ihre Oberkörper.

Zwischen ihnen und den Pferden mit den schweren mexikanischen Bocksätteln lag ein Mann in einer dunklen, im Sand eingetrockneten Blutlache. Die schmächtige, ärmlich gekleidete Gestalt eines grauhaarigen Chinesen. Drei Kugellöcher waren in seinem Rücken. Nicht weit von ihm kniete eine leise schluchzende junge Chinesin. Ihr einfaches Kattunkleid war zerrissen, ihre Hände auf den Rücken gefesselt. Aus dem knorrigen Geäst einer alten Korkeiche, des einzigen Baumes weit und breit, baumelte über ihr eine leere Henkerschlinge.

Das Knistern und Prasseln der Flammen vertiefte noch die unheilvolle Stille. Leise knirschte der Sand unter den weichledernen Stiefeln des großen Fremden. Der Mann näherte sich mit ausdrucksloser Miene dem Brunnen. Er schien den Toten, das Mädchen, die drei Mörder nicht zu sehen.

Der hagere Bandit mit dem hohlwangigen Gesicht, in dem nur ein Auge unheimlich glühte, spuckte aus.

»Worauf warten wir noch, Wess? Bennets Befehl lautet aus­drücklich: keine Zeugen!«

»Immer mit der Ruhe, One Eye!«, brummte der breitschultrige Anführer. »Viel­leicht weiß er, wo sich diese verfluchte gelbe Ratte Yün Lan versteckt hält. Vielleicht ist er ein Freund von ihm. Der Kerl sieht zwar aus wie ‘n Weißer, aber ich will verdammt sein, wenn er nicht Chinesenblut in den Adern hat. Ich hab ‘ne feine Nase, Amigos. Ich wittere einen Chink fünf Meilen gegen den Wind. He, Hombre, wie heißt du?«

Der Mann ging auf den Brunnen zu, als wüsste er eine unsichtbare Wand aus schusssicherem Glas zwischen sich und den Banditen. Der schwerkalibrige Colt in der Faust des Breitschultrigen krachte. Die Kugel hieb eine Handbreit neben dem rechten Fuß des Fremden in den Boden. Sand spritzte hoch.

Der dritte Bandit, ein gedrungener, bärtiger Kerl mit fransenverzierter Lederjacke und hochschäftigen Stiefeln, lachte dröhnend. Kein Muskel bewegte sich in dem harten Gesicht des Fremden.

Ruhig ging er weiter. Auch dann noch, als die nächste Kugel an seinem linken Hosenbein zupfte. Der Bärtige hörte auf zu lachen.

Mit schmalen, gefährlich glitzernden Augen beobachteten die Schurken, wie der große schlanke Mann sein Deckenbündel auf den Brunnenrand legte und den Eimer aufhob.

Er trank ruhig und beherrscht. Nicht wie einer, hinter dem ein mörderischer Vierzigmeilenmarsch durch die glühenden Ausläufer der Nevadawüste lag.

Eine Kugel durchlöcherte den Eimer dicht neben seinen Händen. Das Wasser schoss in dickem Strahl daraus hervor. Der Fremde stellte den Eimer gelassen auf die Brunnenmauer zurück, ehe er sich umdrehte. Inzwischen standen die Banditen im Halbkreis vor ihm. Kalte, gnadenlose Augenpaare starrten ihn aus dem Schatten breitkrempiger Hüte an.

»Ich bin Wess Matlock«, sagte der Breitschultrige drohend. »Das sind meine Freun­de One Eye und Buffalo. Es gibt niemand zwischen Reno und Tonopah, der nicht schon von mir und meiner rauen Mannschaft gehört hat. Jeder weiß, dass ich immer erreiche, was ich will. Also, wie heißt du?«

»Man nennt mich Sheng.«

»Na also, warum nicht gleich!«, grinste Matlock. »Und jetzt verrate uns noch, wo sich dein Freund Yün Lan verkrochen hat. Hast du ihn in die Wüste gebracht? Na los, rede schon! Wir erwischen den Kerl ja doch.«

»Ich kenne ihn nicht.«

Matlocks Grinsen erlosch. »Hör zu, Freundchen, du spielst mit deinem Leben. Und mit dein von Yün Lans Schwester. Sollen wir die Puppe erst vor deinen Augen aufknüpfen, bevor dir wieder einfällt, wohin du diesen verrückten Chink gebracht hast? Der bildet sich nur ein, dass er uns entkommen kann. Das hat noch keiner ge­schafft. Sieh dir den Alten an, wenn du glaubst, dass ich nur bluffe. Na?«

Das Aufblitzen in Shengs Augen war so flüchtig, dass es den Halunken entging. Sie vertrauten auf ihre Colts, auf ihre Übermacht. Ein Mann ohne Waffen, ohne Pferd in diesem gesetzlosen wilden Land war für sie ohnehin nur ein harmloser Irrer.

Ruhig schüttelte Sheng den Kopf. »Ich bin fremd in dieser Gegend. Ich kenne hier niemand. Es ist Zufall, dass ich hier aus der Wüste kam …«

»Verdammter Lügner!«

Matlock sprang vorwärts. Sein 45er Colt war zum Schlag erhoben.

Da bewegte sich Sheng, und die drei Killer hatten plötzlich den Eindruck, einen schlafenden Tiger am Schwanz gezogen zu haben. Was jetzt kam, hatte noch keiner von ihnen erlebt.

Sheng, der Mann aus der Wüste, war nur noch ein huschender, wirbelnder Schatten. Matlock wusste nicht, wie es zuging, aber sein Colt lag auf einmal im Sand. Ein ziemlicher Schmerz lähmte für Sekunden seinen rechten Arm. Shengs Fußspitze hatte blitzschnell sein Handgelenk getroffen. Fluchend taumelte der breitschultrige Bandit gegen die Brunnenmauer.

One Eye und Buffalo hielten zwar den Finger am Drücker, kamen aber nicht mehr zum Schuss. Wo Sheng eben gestanden war, gab es jetzt nur Leere. Der unheimlich schnelle und geschmeidige Mann war plötzlich zwischen ihnen.

»Knallt ihn nieder!«, brüllte Matlock.

Sheng riss die Hände rückwärts über den Kopf und schnellte so hoch in die Luft, als hätte er Sprungfedern unter den Stiefelsohlen. Seine Beine scherten auseinander. Seine Fußspitzen prellten den beiden Verbrechern gleichzeitig die Waffen aus den Fäusten.

Federnd setzte Sheng auf. Kaum berührten seine Füße wieder die Erde, da waren seine Hände in Aktion. Wie der Blitz zuckten sie nach links und rechts. Sheng kämpfte nicht mit den Fäusten. Seine Handkanten waren hart wie Stahl. Nur diese beiden sausenden, nicht mit den Augen zu verfolgenden Schläge, und Matlocks Kumpane wälzten sich Luft schnappend im heißen Sand.

Ungläubiges Entsetzen weitete ihre Augen. Sie waren hartgesottene, wilde Bur­schen, die sich bisher mit ihren Colts für unbesiegbar gehalten hatten. Und jetzt – dieser unheimliche Fremde war wie ein Tornado über sie hereingebrochen.

Aber da war noch Wess Matlock. Ein Mann, der zwei Dutzend so skrupellose Bur­schen wie One Eye und Buffalo mit eiserner Faust kommandierte. Ein Mann, der sich selbst mit dem Teufel anlegen würde, wenn er nur gut genug dafür bezahlt wurde. Er hatte ein schweres, breitklingiges Green River-Messer gezogen. Geduckt, mit wild­funkelnden Augen, starrte er Sheng an.

»Komm nur, du verdammter Hund!«, keuchte er. »Ich werde dir den Bauch aufschlitzen, bevor du es fertigbringst, mich auch nur anzurühren. Los doch, versuch es nur!«

Aber Sheng stand so ruhig da wie zuvor. Nur ein kaltes, verächtliches Lächeln spielte um seinen Mund. Matlocks Faust schloss sich fester um das Messer. Die Spit­ze zielte nach oben. Der Stahl glänzte wie versilbert in der grellen Sonne. Lauernd bewegte sich der Verbrecher auf den Gegner zu.

»Du lausiger Chink!«, höhnte er. »Kämpfen nennst du das? Ich werde dir diese ver­dammten Tricks schon austreiben. Ich werde dich töten.«

»Worauf wartest du dann noch?«