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Pamfilius Frohmund Eulenspiegel 27

Pamilius-Frohmut-Eulenspiegel-Band-2Des Erzkalfakters, Quadratschlankels und durchtriebenen Leutvexierers, Pamfilius Frohmut Eulenspiegel, des allbekannten, berüchtigten und weltverrufenen Till Eulenspiegel einzigen Sohnes pfiffigen Streiche, Ränke, Schwänke und lustige Possen als: Hendlschnipfer, Brotschwindler, Rahmkripfer, Fischdieb, Entenangler, Zigeuner-, Schneider- und Schusterlehrbua, Herzogslebensretter, Herold, Schatzgräber, magistratischer Bademeister, Hofnarr, Feldherr, frommer Pilger, glücklich dem Galgen entgangener Spieler usw.

Pamfili als Schneider und Schuster

Da der Herr Prälat das Lehrgeld für mich bezahlte, so nahm mich der Dorfschneider recht gern als Lehrjungen auf und begann den Unterricht sogleich damit, dass ich das Kindsmensch der faulen Meisterin machen, ihr Kind, von dem ich noch heute nicht weiß, ob es ein rechtes Kind oder ein Wechselbalg oder gar ein Affe war, waschen, wiegen und herumtragen musste. Das war mir schon zu dumm, dauerte aber Gottlob nicht lange, denn es starb bald an einer kuriosen Krankheit, an schwarzem Schusterpechmus, denn gerade so sah das aus dem gröbsten Mehl oder Kleiegekochte Mus für den kleinen Meck-Meck-Sprössling aus, der in die Schar der himmlischen Engel aufgenommen wurde, wenn ihn der heilige Petrus ohne mitgebrachten Taufschein durch die Himmelspforte einzulassen sich getraut hat.

Da kein anderer Bamsen mehr im Haus war, konnte ich aufhören, das Kindsmensch zu machen und zu schneidern anfangen. Im Nähen hatte ich mir schon bei dem Sack Brot, von dem ich weiter oben erzählte, einige Vorkenntnisse erworben, und so war es mir ein Leichtes, alles überwindlings zusammenzunähen, so fest ich nur konnte. Und dennoch ging dieser Rat immer wieder auf, wenn der Meister mir das zusammengenähte Zeug ein paar Mal ums Maul geschlagen hatte, was mich natürlich nicht wenig verdross, und mich nachdenklich machte, durch welchen Streich ich es dahin bringen könnte, auf eine manierliche Weise davongejagt oder hinausgeworfen zu werden, ohne wie ein nichtsnutziger Lehrbube davonzulaufen.

Ich aß bei meiner Mutter die gute Klosterkost, brauchte also nicht die schneiderische Schweinskost hinunterzuwürgen und daran mein Lebenslicht auszublasen, wodurch ich verhindert gewesen wäre, zu erleben, was ich erlebt habe, und dies meinen geneigten Lesern zu erzählen. Eines Mittags, als ich eben fortgehen wollte, hatte die Meisterin die gewöhnliche Kost bereits aufgetragen, da der Meister, der zu einem Kunden gegangen war, jeden Augenblick heimkommen musste.

»Ihr könntet wohl Eure Schüssel schonen und Eure Kost im Schweinstrog auf den Tisch stellen, Meisterin!«, sagte ich, lachend fortgehend, während sie mir nachbrummte, wie eine alte, zersprungene Bassgeige.

Ich weiß nicht, ob sie dem Meister etwas davon sagte, wenigstens ließ er sich nichts davon anmerken, als ich nach Tisch wieder in die Werkstätte kam.

»Höre, Pamfili«, rief er mir zu, »ich gehe jetzt mit der Meisterin ins Wirtshaus, wo eine benachbarte Freundschaft von uns angekommen ist, und wir werden vor Abend nicht heimkehren. Da hast du ein altes zerrissenes Wams vom Klauselbauer. Regiere unterdessen recht tüchtig die Stange, damit du so viel wie möglich zusammenbringst!«

Beide gingen fort.

Der Meister hatte mir noch nie gesagt, dass man eine Schneidernadel eine Stange heiße, aber ich ihn öfters dies zu der Meisterin sagen hören.

»Weib, heute will ich mich fleißig umtun mit der Stange«, worauf er sogleich die Nähnadel ergriff. Nun hatte ich die gewünschte Gelegenheit zur Rache, indem ich seinen Auftrag wörtlich ausführte. Ich zog also mühsam eine Stange aus dem hohen Stangenzaun und stieß alles, was nicht niet- und nagelfest war, in die Mitte der Kammer. Da Fensterscheiben sehr nachgiebig sind, so flogen auch die schon längst erstickten zwei einzigen Scheiben des Kreuzstockes in das Krautgärtlein hinaus.

Die heimgekommenen schneiderischen Eheleute waren bei diesem Anblick wie niedergedonnert. Ich saß auf der Ofenbank, ganz erschöpft von Anstrengung und wischte mir mit einem Paar frisch gewaschenen Strümpfen der Meisterin den Schweiß von der Stirn.

»Verdammter Pamfili, was hast du da getan?«, schrie der Meister, schnaubend vor Zorn.

»Was ihr mir befohlen habt; die Stange recht tüchtig regiert, und damit so viel wie möglich zusammengebracht.«

»Heilloser Halunke!«

Der Meister eilte zur Tür, neben welcher ein aus Stricken geflochtener Heimtreiber hing, mit welchem er nicht selten sein hartes Weib erweichte, und nun auch mich trischacken wollte. Allein ich war schon zum Fenster hinausgesprungen, bevor er sich nur umkehrte.

Mit der Schneiderei war es also aus, und ich kam jetzt zur Schusterei.

Der Meister, ein hochmütiger Pechpatzen, der sich einbildete, die G’scheitheit aus Wasserzubern gesoffen zu haben, schaute mich bei meinem Eintritt von oben bis unten an, als hätte er mich noch gar nie Äpfel in seinem Garten stehlen sehen, und sagte: »Ich sehe nichts davon, dass in dir das Talent zu einem Schuster steckt, wie er sein soll. Ein rechter Schuster muss nicht immer bei der alten Hacke stehen bleiben, sondern auch Neues erfinden können. Aber ich will dich doch probieren. Da hast du ein Paar Bauernstiefel. Schlag die Nägel ein, bis ich heimkomme. Ich habe noch einen Gang zu machen.«

Um mein Erfindungstalent zu zeigen, suchte ich lange starke Nägel und schlug sie verkehrt in den Stiefel, nämlich von inwendig heraus, anstatt von außen hinein, sodass die Stiefelsohle sehr viel einem Igel gleich aussah.

»Ja, was hast du da getrieben?«, rief der Meister nach seiner Heimkehr.

»Erfindung, Meister! Da könnt ihr sehen, dass ich ein großes Talent zur Schusterei habe und mit der Zeit ein berühmter Schuster werden kann. Das taugt nichts, dass die Spitzen der Nägel in das Leder hineinsehen, worin sie vor Finsternis blind werden müssen. Jetzt aber schauen sie heraus und nutzen dem Bauer, dass er im Winter beim Glatteis oder wenn er im Wirtshaus zu viel aufgeladen hat, nicht auf den Boden fällt, und nicht Hals und Bein bricht. Aber sagt unserem Bader nichts davon, damit er mich nicht aus Furcht prügelt, dass ihm durch meine neue Erfindung die Einnahme für die Kur eines gebrochenen Armes oder Fußes entgehen könnte!«

Der Pechpatzen wurde vor Zorn im Gesicht rot wie ein Pippstückl, dem man ein rotes Tuch zeigt, und bückte sich, um mir ein Paar neue Stiefel anzumessen mit dem … Knieriemen. Aber als er sich umsah, war ich schon durch die Tür verschwunden.

Auf diese Art ging auch meine kurz gefasste Schusterei zu Ende.

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