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Pamfilius Frohmund Eulenspiegel 26

Pamilius-Frohmut-Eulenspiegel-Band-2Des Erzkalfakters, Quadratschlankels und durchtriebenen Leutvexierers, Pamfilius Frohmut Eulenspiegel, des allbekannten, berüchtigten und weltverrufenen Till Eulenspiegel einzigen Sohnes pfiffigen Streiche, Ränke, Schwänke und lustige Possen als: Hendlschnipfer, Brotschwindler, Rahmkripfer, Fischdieb, Entenangler, Zigeuner-, Schneider- und Schusterlehrbua, Herzogslebensretter, Herold, Schatzgräber, magistratischer Bademeister, Hofnarr, Feldherr, frommer Pilger, glücklich dem Galgen entgangener Spieler usw.

Pamfili im Kloster

Der Pater Bernhard im nahen Kloster Gottsgnad war der Beichtvater meiner Mutter. Auf ihre Bitte und seine Verwendung wurde ich im Kloster zu allen für mein Alter passenden dienstlichen Verrichtungen aufgenommen und hatte das beste Essen und Trinken ja so viel, dass ich es gar nicht hinunterzwingen, sondern den großen Überrest täglich abends meiner guten Mutter in einem Weidenkorb bringen konnte. Im Sommer morgens 6 Uhr, im Winter erst um 9 Uhr, ging ich ins Kloster und nach dem Abendessen im Kloster wieder heim.

Ich war jetzt 10 Jahre alt, lernte im Kloster bald Lesen, Schreiben und Rechnen, und galt viel bei dem hochwürdigen Herrn Prälaten wegen meines Fleißes, meiner Pünktlichkeit und guten Aufführung. Bald brachte ich es auch dahin, dass ich in der Kirche ministrieren konnte. Wenn ein Hochamt oder Gottesdienst mit Opfer war, in welches die reichen Bauern und Bäuerinnen oft viel einlegten, durfte oder vielmehr musste ich am Ende der heiligen Handlung die volle Opferschüssel durch den schmalen Gang hinter dem Choraltar in die Sakristei tragen, vergaß aber niemals, da ich mir damals eben eine Münzensammlung anlegte, einige alte Groschen davon in meine Tasche zu stecken, von denen ich aber meiner Mutter nichts sagte, weil ich sie zu Hause heimlich verbergen wollte, um mit der Zeit zur Wanderung in die weite Welt einen rechtschaffenen Zehrpfenning zu haben, ohne meiner armen Mutter darum kommen zu dürfen.

Das war gewiss ein Beweis meiner kindlichen Liebe.

Der alte Gärtner war ein mürrischer Kauz, dem ich nie genug arbeitete. Da ich zum Umgraben noch nicht die nötige Kraft hatte, musste ich Unkraut jäten in einem Gemüsegarten, der anderthalb Tagwerk groß war, sodass ich oft glaubte, vor lauter Bücken müsse mir das Rückgrat abbrechen. Dabei verdross mich sein abscheulicher Geiz. Er vergönnte mir keinen einzigen Rettich. Ich sann auf Rache. Während er bei der Kellerei Bier soff, zog ich Rettiche, die das stärkste Kraut hatten, dutzendweise aus der Erde, schnitt sie in der Mitte rund halb auseinander und setzte sie wieder ein, den oberen Teil auf den unteren. So gewichtige Rettiche mit starkem Kraut müssen mit großer Kraft aus der Erde gezogen werden. Dies tat der alte Gärtner allabendlich zur klösterlichen Herrentafel. Ich passte auf, als er den Ersten von diesen Rettichen herauszuziehen sich anschickte.

Er bog die Knie, stemmte die Füße fest in den Boden und fasste das breite Kraut mit beiden Händen. Als er fest anzog und das Kraut samt der oberen Hälfte des Rettichs schnell in seinen Händen blieb, schnappte er rückwärts über und fiel der Länge nach zu Boden.

Mühsam krabbelte er empor, suchte im Loch die andere Hälfte des Rettichs, hielt mir, der ich in seiner Nähe Unkraut jätete, die beiden Hälften hin und fragte mich mit einem grimmigen Blick: »Pamfili, was soll das bedeuten?«

Vermutlich hatte er einen kleinen Verdacht auf mich.

Nachdem ich den durchschnittenen Rettich aufmerksam betrachtet hatte, antwortete ich mit ganz gleichgültigem Gesicht und ohne mir etwas anmerken zu lassen: »Ah, das kenne ich schon! Hab’s von den Zigeunern erfahren, die erst kürzlich oft zu uns ins Dorf kamen.«

»Nun, und was noch?«

»Ein Schwertfisch muss es mit seinem Schwert getan und den Rettich durchschnitten haben.«

»Wie kann ein Fisch unter der Erde sich aufhalten, der nur im Wasser leben kann?«

»Wer sagt dies? Ich habe erst gestern vom hochwürdigen Herrn Pater Ignatius gehört, dass es Fische gibt, die im Wasser und auf dem Land leben können. Dass der Schwertfisch den Rettich durchschnitten hat, begreife ich leicht, und er hat dies vermutlich noch mehreren Rettichen angetan. Aber dass er den Rettich nicht auch gefressen hat, das wundert mich. Es müsste nur sein, dass er kein Liebhaber von Rettichen ist, die nicht eingesalzen sind. An Eurer Stelle würde ich diese zwei halben Rettiche dem Pater Ignatius bringen und ihn um seine Meinung fragen, da er ein gelehrter Kenner der Natur ist.

Dies tat aber der alte Gärtner wohlweislich nicht, um nicht etwa ausgelacht zu werden. Vielleicht fiel sein Verdacht auf einen ihm feindlich gesinnten Klosterknecht. Aber so oft er noch einen solchen Pamfili-Rettich aus der Erde herausziehen wollte, machte er immer stets richtig einen Purzelbaum, was ihn immer gewaltig ärgerte. So oft er einen großen Rettich herausziehen wollte, wurde ihm stets Angst und Bange, ob ihm nicht schon der Schwertfisch zuvorgekommen sei, der vielleicht ihn selbst noch für einen großen Rettich halten und mitten entzwei schneiden könnte.

Um einen lästigen Zeugen seiner unfreiwilligen Purzelbäume  vom Halse zu schaffen, zeigte er dem Gartenpater an, dass er jetzt meines Beistandes im Garten nicht mehr bedürfe.

Nunn wurde ich dem Fischer zur Aushilfe überlassen, denn das Kloster hatte einen fischreichen See, und ich die beste Gelegenheit zur Übung in den von dem Zigeunerhauptmann erlernten Fischfangkünsten. Wenn wir, ich und der Fischer, mit der Abenddämmerung vom See heimfuhren, sagte der Fischer Paul immer zu mir: »Bring die Netze samt dem Kahn in die Schiffhütte, wasche dich dann und geh heim!«

Mein mit dem ersparten Essen halb gefüllter Weidenkorb stand schon immer in dieser Hütte bereit, wofür ich treulich sorgte, so oft wir auf den Fischfang ausfuhren. Weil aber in meinem Korb stets auch noch Platz war für ein paar 2 bis 3-pfündige Karpfen oder Hechte, die ich sehr gerne aß, blau gesotten oder gebraten, so schmierte ich beim Waschen immer meinen rechten Arm mit der Zigeunersalbe ein, streckte ihn ins Wasser und zog nach wenigen Augenblicken die gewünschten Fische heraus.

Als absonderlicher Freund vom Geflügel fing ich in heimlichen Legangeln im dichten Uferschilf viele zahme und wilde Enten, die da herumschwammen. Die gebratenen wilden Enten kamen mir gar nicht mehr wild vor, sondern sehr mild und appetitlich.

Eines Morgens schickte mich der Küchenmeister mit dem Mittagsspeisezettel zum hochwürdigen Herrn Prälaten, bei dem eben der Klosterjäger Vincenz war, zu dem ich den Prälaten sagen hörte: »Heute früh stand ich am Fenster und hörte eine Nachtigall schlagen. Wenn du sie mir verschaffen kannst, schenke ich dir einen Taler. Ich glaube, dass sie sich im Wald da drüben aufhält.«

»Nichts leichter als dies«, erwiderte Vincenz, »wenn sie nicht weit aus schon auf und davon geflogen ist. Mit meinem Schlaghäusl fang ich sie wohl in längstens 3 bis 4Tagen.«

Das kam mir ganz erwünscht. Vom Prälaten weg eilte ich mit meinem Nachtigallenruf in den Wald hinaus, fing zwei Nachtigallen, Männchen und Weibchen, und brachte sie dem höchst erstaunten Prälaten, der mir voll Freude gleich 2 Taler schenkte und lachend äußerte: »Sag dem Vincenz nichts von diesem Geld, weil er dich sonst deshalb durchprügeln würde, dass du ihm diesen Fang weggeschnappt hast. Für seinen guten Willen aber werde ich ihm einen Taler schenken.«

Von nun an war ich auch prälatischer Vogelfänger und brachte dem Prälaten alle Arten von Vögeln, die er wünschte, erhielt auch immer Geld dafür, wenn auch nicht talerweise.

Mein Vater war schon lange zuvor gestorben, ehe ich in das Kloster kam, in dessen Bibliothek ich, als ich 13 Jahre alt war, die schriftliche Sammlung aller seiner Abenteuer fand, die ich für mich abschreiben durfte. Als ich damit fertig war, riet mir der Prälat, nachdem er zuvor auch mit meiner Mutter darüber gesprochen hatte, nun ein ehrliches Handwerk zu erlernen, um mich in der Welt gleich fortbringen zu

können, und erlaubte mir, täglich in der arbeitsfreien Mittagsstunde im Kloster das Essen für die Mutter und mich holen zu dürfen, was ich auch niemals zu tun vergaß.