Sir Henry Morgan – Der Bukanier 8
Kapitän Marryat
Sir Henry Morgan – Der Bukanier
Aus dem Englischen von Dr. Carl Kolb
Adolf Krabbe Verlag, Stuttgart 1845
Achtes Kapitel
Unser Held und sein Freund sind wie der würdige Neffe des Gil Pepez gefangen. Morgan wird beredt über das an ihm geübte Unrecht und versucht sich in einem ruhmlosen Kampf
Alles war angenehm genug vonstatten gegangen, bis der Delphin die Chops des Kanals zurückgelegt hatte und die letzte Spur von England in dem bläulichen Nebel verschmolzen war, welcher auf der bestimmt gezeichneten Linie des Horizonts den Himmel mit der See vereinigte.
Es war ungefähr zwei Uhr nachmittags, als Henry Morgan mit schwellender Brust und einer lordartigen Miene in der Hauptkajüte hin und her schritt und sorglos den Vorbereitungen zusah, welche der Kajütenjunge unter Anweisung des Schiffstewards für das Mittagessen traf.
Mag sich die Philosophie ihren stoischen Mantel umwerfen, so wird sie doch einer kleinen Neugierde nicht widerstehen können, wenn vor ihren Augen Zurüstungen für eine so wichtige Angelegenheit, wie ein Mittagessen ist, vorgehen. Henrys ganze Selbsterhebung konnte ihn nicht hindern, von Zeit zu Zeit nach den Vorbereitungen hinzusehen. Auch entging es seiner Aufmerksamkeit nicht, dass in den Gesichtern des Stewards und des Knaben ein drolliger Ausdruck lag, der wirklich boshaft hätte erscheinen können, wenn er nicht so unzweideutig die Merkmale der Heiterkeit an den Tag gelegt haben würde.
»Ihr seid ja recht vergnügt, mein Freund«, sagte Henry patronisierend.
»Blaues Wasser, mein junger Squire. Wenn man dies sieht, grinsen einem die beiden Seiten der menschlichen Futterfalle.«
Über diese tiefsinnige Bemerkung entfaltete der garstige Ka jütenjunge ein paar Zahnreihen, die einem Kadmus gut gelassen haben wurden.
»Na«, versetzte Henry ein wenig pomphaft, »Mein Dienstmann Owen soll Euch bei der Zurüstung des Diners helfen, wenn Ihr es wünscht. Er ist zwar nicht sonderlich gewitzt …«
»Ja, ja, das ist keiner von Euch beiden«, versetzte der Kajütenjunge.
»Unverschämter Benager schmutziger Knochen, wie unterstehst du dich, mir so zu antworten ? Dies, dies und dies wird dich lehren, elender Spitzbube, wie du einen Gentleman anzureden hast. Und wenn du damit noch nicht genug hast, so nimm dies als Dreingabe und lerne Respekt.«
Das Geschrei des zerwalkten Buben brachte den gefürchteten Kapitän Vagardo in die Kajüte, in dessen Gesicht alsbald eine ungestüme Wut aufkochte. Bei seinem Eintreten steigerte der Kajütenjunge seine Lamentationen zu einem höchst kläglichen Ton, welcher bald wie ein Gewinsel, bald wie ein Geheul klang. Der Kapitän ging mit geballter Faust auf Morgan zu, um ihn zu schlagen. Dieser aber, der seine Geistesgegenwart nie verlor, trat zurück, riss von einer der eisernen Kanonen in der Kajüte den Rammer weg und stellte sich kaltblütig zur Verteidigung auf. Owen war gleichfalls bereit, den Angreifer von der Seite zu bedrängen, und in dieser Lage ließ sich der Kapitän zum Parlamentieren herab.
Mit schrecklichen Flüchen fragte er Morgan, wie er sich habe unterstehen können, das Deportiertengefängnis auf dem Hauptdeck zu verlassen und sich in seine Kajüte einzudrängen. Er schickte dann augenblicklich nach seinem Ersten und Zweiten Lieutenant, desgleichen nach drei gut bewaffneten Matrosen. Als diese ankamen, erteilte er Befehl, Morgan und Owen zu ergreifen und sie mit Fesseln aneinander zu schließen.
Mehr Entrüstung als Furcht raubte unserem Helden anfangs das Sprachvermögen. Sobald aber seine Leidenschaft Worte fand, brach er in einen überwältigenden Erguss von Schimpfreden aus. All dies erzielte jedoch vonseiten des Schiffers nur ein geringschätziges Lachen, in welches die Offiziere und Matrosen einfielen.
»Lasst Euch sagen, ihr beide sollt augenblicklich mit dem schmutzigsten Marlpfriemen des Schiffs geknebelt werden, wenn Ihr nicht eine höfliche Klapper in Euren Bugen führt. Es findet hier ein kleiner Irrtum statt, Mr. Spunyarn. Diese beiden Burschen sind aus Bridewell entwischt. Zeigt mir die Schiffsliste der Deportierten – ja , da ist es. Simon Simeox, ungefähr sechzehn Jahre alt …« Dann fuhr er fort, ein genaues Signalement von Morgans Person abzulesen. »… ist dreimal wegen kleiner Diebstähle gepeitscht und nun vom Sherif verurteilt worden, als Sklave auf den Pflanzungen in Barbados verkauft zu werden. Ohne Zweifel ein gewalttätiger kleiner Spitzbube. Sein letzes Verbrechen bestand darin, dass er einem Gott suchenden Mitglied einer der selbstverläugnenden Gemeinden ein Zahnbürstlein und ein Traktätchen, betitelt Die Leiter der göttlichen Liebe, oder fünfzehn Sprossen aufwärts aus der Tasche mauste. Na, Simon Simeox, was habt Ihr hingegen einzuwenden?«
»Schädlicher, tückischer Verräter, Ihr wisst wohl, dass ich Henry Morgan heiße, ein Name …«
»Den Ihr von Eurem Paten und Onkel, dem guten Mr. Price erhieltet«, entgegnete der Kapitän mit einem boshaften Hohnblick. »Und ich bin überzeugt, Eure achtbare Tante, die Dame Meredith, wird dafür als Zeugin einstehen. Mr. Spunyarn und Mr. Deadeye, ich kenne die ganze Geschichte dieses Springinsfeld. Ungeachtet seiner schönen Worte könnt Ihr wohl bemerken, dass seine Sprache stark nach Lauch riecht. Er war Page eines Kavaliers und hat da einige schöne Phrasen aufgelesen. Aber wegen seiner zahlreichen kleinen Mausereien wurde er aus jenem ehrlichen Dienst gepeitscht, denn nichts war sicher, an was der Knirps seine Hand legen konnte. Er hat die Prügel aller Gefängnisse von Nord- und Südwales zu schmecken bekommen und wurde dann auf die Straße gestoßen, wo er sich durch Stehlen und Betteln fortbrachte, bis er in London anlangte. Aber dort war man ihm zu scharf, weil er es nicht pfiffig genug angriff. Vor Gericht gab er sich den Namen Simon Simeox, vermutlich, um seine welsche Abkunft zu verbergen, aber sie drückt sich noch immer zu stark in seiner Sprache aus. Der andere – lasst mich sehen – heißt Joseph Bradley, ein ebenso großer Schelm wie sein Kamerad, aber auch ein viel größerer Dummkopf. Na, da sie ein paar starkgliedrige Kerle sind, so werden sie unter den Pflanzern einen guten Preis einbringen. Für den rotköpfigen Joseph kriegen wir wenigstens hundert Pfund, und es müsste schlimm hergehen, wenn sich für diesen Simon Simeox nicht hundertundfünfzig erzielen ließen.«
»Schändlicher Lügner – Menschendieb ! Oh, glaube nicht, dass du meiner Rache entrinnen wirst. Deshalb habe ich also das Haus meines ehrlichen Vaters verlassen?«, rief Morgan in der Bitterkeit seines Schmerzes.
»Da seid Ihr im Irrtum, meine interessante junge Waise. Ihr meint Euren verehrlichen Paten; und Ihr wisst ja, dieser jagte Euch aus dem Haus, weil Ihr aus seiner Speisekammer Rahm
und neuen Käse stahlt und den Dienstmägden allerlei Tand entwendetet.«
»Meine Freunde«, sagte Morgan, indem er sich an die Leute um ihn wandte, »wenn die Worte der Wahrheit und die Gefühle des Rechts Einfluss auf Euch haben, so glaubt mir, dass wir zwei arme Jungen sind, die in schnöder, in der allerschnödesten Weise und unter dem Vorwand der Gastlichkeit an Bord dieses Schiffes betrogen wurden. Ihr alle müsst wissen, dass dieses schändliche Geschöpf, welches sich Kapitän nennt und dem ihr gemeiner Weise Gehorsam leistet, mich bis auf diese Stunde als seines Gleichen behandelte. Schließt Euch mir an, um ihm zu beweisen, wie gottvergessen er handelt. Und wenn er mich nicht, wie er mir versprochen hat, zur Gesellschaft haben will, so duldet wenigstens nicht, dass er mich wie einen Verbrecher behandelt.«
Die rohen Menschen, welche er also anredete, grinsten nur und schüttelten heiter ihre zottigen Köpfe. Sie waren zu sehr an derartige Szenen gewöhnt, um sich nicht an dem hochtragenden Wesen zu ergötzen, das, wie sie meinten, der junge Morgan nur angenommen hatte.
»Weißt du auch, du kleines sommersprossiges Vieh«, sagte der Kapitän, »dass ich dich an meine Nocke da könnte knüpfen lassen, weil du meine Offiziere und Matrosen zur Meuterei verlockst? Aber ich bin ein Freund von Gerechtigkeit, und obwohl ich mich erniedrige, wenn ich mich über mein Benehmen gegen einen solchen pestilenzialischen Vagabunden eine Erklärung abgebe, so will ich doch, nur damit meine ehrlichen Matrosen sehen, welch ein vollendeter Lügner und Dieb du bist, anführen, wessen du dich schuldig gemacht hast, ehe du in London wegen deiner letzten Mauserei an dem frommen Mitglied Wisch-ab-die-Flecken-der-Ungerechtigkeit Hogflesch (denn so lautet der wiedergeborene Name des würdigen Mannes) verurteilt wurdest. Wohlan denn , Simon Simeox, der du dich fälschlich Henry Morgan nennst, unterstehst du dich, vor mir, vor diesen Gentlemen und vor diesen ehrlichen Matrosen zu wiederholen, dass du in Bristol eine Tante Namens Meredith und in Caermarthen einen Onkel Namens Squire Price ap Price mit großen Besitzungen und weiten Jagdgründen hast?«
Morgan bebte unter dem Blick des zornigen Kapitäns. Sein Gesicht erbleichte, und es fehlte wenig, dass er zitterte.
»Und hier ist ein von vier Friedensrichtern unterzeichneter Haftbefehl, welcher genau diese zwei jungen Vagabunden schildert. Sie sollen aufgegriffen werden, weil eine schwere Beschuldigung des Meineids gegen sie erhoben wurde, indem sie fälschlich und böslich den wohlbekannten, tätigen agitierenden Reiter Schlag-den-Beelzebub-nieder Dobson angeklagt haben. Ihr Satansbrut, wagt Ihr dies in Abrede zu ziehen?«
Und der furchtbare Kapitän schlug mit seiner Rechten mehrere Male auf das Papier, das er in seiner Linken hielt. Das knitternde Geräusch erschreckte Morgan mehr, als eine volle Lage einem Linienschiff.
»Sind das nicht saubere Burschen?«, fuhr der Kapitän fort, indem er sich verächtlich an seine Leute wandte. »Aber Simon Simeox, ich bin noch nicht fertig mit dir. Du junger Teufelsbraten, was ist schändlicher und feiger als Meuchelmord? Memme, die du bist – liegt es an dir, dass ein gewisser edler Spanier noch lebt?«
Die Zuhörer des Kapitäns wichen mit Zeichen des Abscheues einen Schritt von Morgan zurück. Dieser aber wandte sich wütend gegen den armen Owen, fasste ihn mit seiner ungefesselten Hand an der Kehle und würde ihn wohl auf der Stelle erdrosselt haben, wenn man den zitternden Jungen nicht seinen krampfhaften Griffen entrissen hätte.
»Und auch du, Owen!«, keuchte Morgan hervor, »hast du deinen Freund verraten?«
»Schäme dich, Henry«, versetzte Owen in welscher Sprache, sobald er wieder hinreichend Atem gewonnen hatte. »Mir ist nie ein Wort über die Lippe oder ein Gedanke durch den Kopf gegangen, der dir nachteilig werden konnte. O, mein armer Vater, wollte Gott, ich könnte wieder die wilde Musik deiner Harfe hören. Zum ersten Mal bereue ich, dass ich mich dem Geschick dieses wilden jungen Menschen angeschlossen habe.«
Owen sprach dies mit so tiefem Pathos, und die ursprünglichen Worte waren so rührend einfach, dass Morgan vergeblich das Hervorquellen seiner Tränen zu unterdrücken versuchte. Aber diese Innigkeit gegen seinen Begleiter schien ihn nur noch mehr gegen seine Quälgeister aufzubringen. Er wandte sich daher mit der glühenden Bosheit des Hasses gegen den Kapitän und redete ihn folgendermaßen an: »Tyrann, ich habe gelogen – ich bekenne es – aber du bist ein scharlachfarbiger Lügner im Vergleich mit mir. Ich habe nur gelogen, um mich zu schützen und meinen Gefährten sicherzustellen. Aber du, du tatest es, um ein paar Menschen um ihr junges Leben zu betrügen und es zu zerstören. Jede deiner Lügen ist schlimmer als der Dolch eines Meuchelmörders, denn wer im Dunkeln zustößt, läuft doch einige persönliche Gefahr. Du aber – doch es ekelt mich, weitere Worte an dich zu verschwenden. Ich werde nicht mehr lügen – ich habe keinen Versuch auf das Leben des Spaniers gemacht. Du weißt, dass ich es rettete, wenn du anderes von der ganzen Sache Kunde hast. Aber wäre er auch gestorben, so hätte er es verdient, denn ich hasse ihn, wie ich dich hasse – offen und männlich.«
»Bringt den Gefangenen auf das Deck«, lautete die einzige Antwort, deren ihn der Kapitän würdigte.
Obwohl sehr schlau, war doch Henry Morgan zu ländlich erzogen worden, um die Bräuche und das Treiben der Welt im Großen gut würdigen zu können. Zwar verbreitete sich in jenen Zeiten eine Kunde nicht mit solcher Geschwindigkeit, wie heutzutage, aber dennoch kamen Nachrichten in Umlauf, und mehr als ein Späher war unseren jungen Galgenstricken nachgesandt worden. Wären sie nicht an Bord des Delphin gegangen, so würden sie in Bristol aufgegriffen worden sein, denn man nahm allgemein für gewiss an, dass die Kugel, welche Don Alonzo verwundet hatte, von Morgan abgefeuert worden sei. Es passte nicht in die Pläne des Kapitäns, die jungen Leute vor den Friedensrichter zu stellen, und da einige Formen nötig waren, so musste er ihnen eine Verurteilung andichten, um ihren beabsichtigten Verkauf rechtfertigen zu können.
Die Seelenverkäuferei war damals eine Art Nebenverdienst für die Schiffer, welche nach Indien reisten, (denn so nannte man damals die Neue Welt) und alle, welche dahin bestimmte Schiffe kommandierten, waren stets mit den nötigen gefälschten Dokumenten versehen, in welche sie nur Namen und Signalement der gestohlenen Personen einzutragen brauchten. Die Ausführung der Schwarzen war damals erst kürzlich in Anwendung gekommen, und die Pflanzungen wurden entweder von den eingeborenen Indianern, welche unter der ungewohnten Arbeit schnell dahin starben, oder von weißen europäischen Sklaven bebaut, welche sich freiwillig für eine gewisse Summe von Jahren – gewöhnlich zwanzig – verkauft hatten. Den Leser, der über diesen Gegenstand weitere Auskunft zu erhalten wünscht, müssen wir übrigens auf Defoe verweisen, welcher ihn sehr umständlich behandelt hat1. Wir wollen hier nur noch erwähnen, dass Cromwell die Gemeinen der besiegten Royalisten zu Hunderten und sogar Tausenden in dieser Weise deportieren zu lassen pflegte.
Virginia und unsere anderen nordamerikanischen Kolonien wurden kaum anders bevölkert. In der Zeit, als Morgan in die Schlinge fiel, war Barbados der Lieblingsplatz.
Auf ihrem Weg zum Deck drückten sich Henry und Owen unbemerkt die Hände, trotz der Fesseln, durch die sie zusammengeschlossen waren. Als sie vor dem Kapitän standen, hatten sich viele Matrosen und einige der achtbareren Personen, welche sich auf den Inseln niederlassen wollten, um sie gesammelt. Der Kapitän nahm nun die Miene der Gerechtigkeit und Mäßigkeit an, wandte sich in mildem Ton an die Umstehenden und setzte ihnen die Umstände auseinander, unter welchen die Knaben deportiert wurden. Nachdem er sie und sich selbst völlig zufrieden gestellt hatte, fragte er Henry Morgan feierlich, ob er noch immer in Abrede ziehe, dass er die in dem Deportationsbefehl beschriebene Person sei und dass man ihn unter dem Namen Simon Simeox verurteilt habe. Zugleich setzte er wohlmeinend bei, dass sein eigentlich walischer Name nicht in Betracht komme.
»Ich ziehe es in Abrede«, rief unser Held mit Nachdruck. Obwohl ich höchst töricht und unter Umständen, die großen Verdacht auf mich lenken, das Haus und die Liebe meines Vaters verlassen habe, werde ich doch nimmermehr seinen Namen aufgeben. Unter allen Verhältnissen, seien sie ehrenvoll oder beschimpfend – ob sie mir Weh oder Wohl bringen – will ich als Henry Morgan leben und sterben?«
»Wohl gekräht, mein kleiner Hahn. Und du, schlichthaariger rotplattiger Tölpel – dein Name ist vermutlich auch nicht Joseph Bradley?«
»O ja, wenn es Euch so beliebt, Sir«, versetzte Owen sehr ruhig.
»Na«, verlautete der Kapitän, »so einfältig dieser Junge aussieht, hat er doch im Grunde mehr Verstand als der andere. Und Du bist nicht sein Bedienter, Joseph?«
»Nein, wenn es Euch nicht ansteht, Sir«, entgegnete Owen sehr unterwürfig.
»Er ist vernünftig – aber was den anderen betrifft, der ist ein toller Narr. He, Schließer, schafft sie beide in den Käfig unter den Luken. Dem Rohen da, dem Joseph Bradley, könnt Ihr die Handschellen abnehmen, aber den anderen lasst in Eisen liegen, bis er sich auf seinen wahren Namen besinnt. Hinweg mit den welschen Dieben, sie stinken abscheulich nach faulem Käse und muffigem Lauch.«
Der Mann, den man am Ufer den Schließer genannt haben würde, näherte sich nun, Hand an die Gefangenen zu legen. Aber jetzt entfalteten diese mit einem Mal eine wunderbare Einmütigkeit, obwohl sie während der letzten Viertelstubde nicht sonderlich gleichen Sinnes gewesen waren. Die linke Hand Henryks war an Owens Rechte geschlossen und jeder erhob jetzt das gefesselte Glied, um es mit furchtbarer Gewalt auf den Schädel des Schließers niederfallen zu lassen. Sein schwerer Hut hinderte nicht, dass er durch den Schlag nicht völlig betäubt wurde. Diese plötzliche Handlung befreite die zwei Knaben von den bereits losgemachten Schellen, und noch ehe die Umstehenden sich von ihrer Überraschung erholen konnten, hatte jeder dem nächsten Matrosen einen Stutzsäbel entrissen und für sich einen sehr achtungsgebietenden Kreis gelichtet.
»Owen, kannst du hier mit mir sterben?«, rief Morgan in walischer Sprache.
»Recht gut, Heinz«, versetzte Owen in derselben Zunge.
»Wir wollen uns nun und nimmermehr als Sklaven verkaufen lassen.«
»Es würde nicht sehr gemächlich. Cambria für immer!«
Und ein Hieb seines Säbels trennte dem nächststehenden Matrosen das Ohr vom Haupt.
»Gib ihnen die Spitze, Owen, Bruderherz – und geh nicht von dem Mast weg. Du musst nicht im Kreis fuchteln, sondern in dieser Weise stoßen. Sie sollen mir zugestehen müssen, dass ich meines Vaters Sohn bin!«
»Und ich der des meinen«, erwiderte Owen, mannhafte Stöße führend.
Sie deckten sich den Rücken mit dem Mast, und die Angelegenheiten begannen eine ernste Gestalt zu gewinnen. Ein Mann lag bereits in seinem Blut und mehrere waren den kräftigen Stößen, die ihnen von allen Seiten so freigebig geboten wurden, kaum entkommen.
»Sollen wir hineinstürzen und die törichten Knaben entwaffnen?«, fragte der Erste Offizier.
»Nicht doch«, versetzte Kapitän Vagardo. »Es hieße, den bettelhaften Landstreichern zu viele Ehre erweisen, wenn man sie wie Männer erschlüge oder überhaupt nur Männerwaffen gegen sie brauchte. Bringt des Kochs Geschiedelfass herbei … so … jetzt tränkt sie damit.«
Im Augenblick waren sie fast erstickt und völlig geblendet durch die Güsse des gesammelten Fettes und Schiffsunrates. Man entriss ihnen, ehe sie noch sehen oder zu Atem kommen konnten, die Säbel, stieß sie mit Fußtritten in ihre Höhle und schleuderte sie, so mit Unreinigkeiten aller Art besudelt, unter die Verbrecher.