Der Kommandant des Tower 41
Der Kommandant des Tower
Band 2
Historische Erzählung von W. Harrison Ainsworth
Verlag von Christian Ernst Kollmann, Leipzig, 1863
Drittes Buch
Der Lordgroßadmiral von England
Vierzehntes Kapitel
Wie der Lordadmiral seinen königlichen Neffen mit Geld versieht
Wenn Lord Seymour sich mit der hohen Stellung, die er jetzt einnahm, hätte begnügen können, so würde er vielleicht geehrt und glücklich gelebt haben, aber er wurde von einem unersättlichen Ehrgeiz verzehrt, der ihm keine Ruhe ließ, und all seine Intrigen wurden in derselben lebhaften Weise fortgesponnen wie bisher.
Der Lordprotektor, den die offenbare Absicht seines Bruders, sich der ausschließlichen Neigung des jungen Königs und seines Vertrauens zu versichern, beunruhigte, führte endlich seine oft wiederholte Drohung aus und verbot jeden persönlichen Verkehr zwischen dem Admiral und seinem Neffen. Diese Ordre, die aufs Strengste aufrecht erhalten wurde, war für Seymour ein harter Schlag, aber er wusste sie bis zu einem gewissen Grad zu umgehen und führte durch Fowlers Vermittlung, der zwar das Vertrauen des Protektors besaß, in Wahrheit aber in Seymours Sold stand, eine geheime Korrespondenz mit Edward.
Der Kammerdiener stattete in Seymour House sehr oft flüchtige Besuche ab. Eines Morgens erschien er zu ungewöhnlich früher Stunde; aber obwohl der Admiral mit seiner Toilette beschäftigt war, befahl er doch, ihn augenblicklich vorzulassen.
»Guten Morgen, Fowler!«, rief er, als sein geheimer Agent eintrat. »Ich freue mich, dich zu sehen. Bringst du mir eine Botschaft oder einen Brief von Seiner Majestät?«
»Nur diesen kleinen Zettel, Eure Hoheit«, antwortete Fowler, indem er einen kleinen Streifen Papier überreichte.
»Bei meiner Treu, kurz genug!«, rief der Admiral aus. »Gebt Fowler das Geld, das er verlangt, steht da. Wie viel willst du haben?«
»Für mich selbst nichts«, erwiderte der Kammerdiener, »aber Seine Majestät bedarf sogleich zweihundert Pfund.«
»Er soll sie haben, und mehr, wenn er will. Ugo soll es dir auszahlen. Aber, bei meiner Seele, der Lordprotektor hält Seine Majestät sehr knapp!«
»Der König hat kaum etwas anderes in seiner Börse, als was ihm von Eurer Hoheit zufließt«, bemerkte Fowler. »Wenn er Geld fordert, so wird er stets unter irgendeinem Vorwand zurückgewiesen. Ich ergreife jede Gelegenheit, um den Gegensatz zwischen Eurer Hoheit Freigebigkeit und der Knauserei des Lordprotektors, wenn ich wagen darf, den Ausdruck zu gebrauchen, hervorzuheben. Ich sage so zu Seiner Majestät: Sire, Ihr würdet wohl daran tun, wenn Euer jüngerer Oheim, der Lordadmiral, Euer Hofmeister wäre. Seine Hoheit hat eine offene Hand und würde Euch nimmer in der Weise beschränken, wie Euer älterer Oheim dies tut, und Ihr würdet dann genug haben, um Eure Leute angemessen zu bezahlen.«
»Und was sagte der König dazu?«, fragte der Admiral. »Was sagte er dazu?«
»Er antwortete, dass er sehr froh sein würde, wenn Eure Lordschaft sein Hofmeister wäre, aber er fürchte, das sei unmöglich. Ich antwortete ihm, dass er das wohl durchsetzen könne, wenn er ernstlich wolle.«
»Er kann es – und er wird es, guter Fowler. Sagte er sonst noch etwas?«
»Nicht viel, um Eurer Hoheit die Wahrheit zu sagen. Ich glaube, er hat Angst vor dem Lordprotektor, der sehr in Zorn gerät, wenn seinem Willen entgegen gehandelt wird. Wenn er erführe, dass ich Eurer Hoheit irgendwelche geheime Mitteilungen machte, so würde ich meine Stelle verlieren und ins Gefängnis geworfen werden.«
»Sei vorsichtig, Fowler, und fürchte nichts Böses. Aber da du immerhin einige Gefahr läufst, so soll auch dein Lohn dem entsprechend sein. Außer dem Geld für meinen Neffen nimm diese hundert Pfund für dich.«
»O, Eure Hoheit! Das ist zu viel für die geringen Dienste, die ich Euch leisten kann. Es ist wahr, ich habe stets Euer Interesse im Auge, und wenn je ein Wort zu Euren Gunsten gesprochen werden kann, so versäume ich es nicht.«
»Sollte es nicht angehen, dass du mir morgen eine geheime Unterredung mit Seiner Majestät verschafftest, Fowler?«
»Es wird schwer sein«, entgegnete dieser, »denn wie Eure Hoheit weiß, hat der Lordprotektor dem ganzen Hauspersonal die strengsten Befehle gegeben, Euch den Zutritt nicht zu gestatten. Aber vielleicht lässt es sich einrichten. Ich werde Euch durch einen zuverlässigen Boten Bescheid schicken.« Darauf ging Fowler, nachdem er sich abermals bedankt hatte.
Spät am Tag, als der Admiral allein in seinem Kabinett saß, trat Ugo ein, gefolgt von Xit. Seymour lächelte über des Zwerges wichtige Miene und fragte nach seinem Begehr.
»Meine Botschaft gilt Eurer Hoheit allein«, erwiderte Xit mit einem Blick auf Ugo.
Seymour machte seinem Diener ein Zeichen, und dieser entfernte sich sogleich.
»Nun, Bursche, was hast du mir zu sagen«, fragte der Admiral.
»Seine Majestät will Eure Hoheit morgen Abend empfangen, aber Ihr müsst Euch gefallen lassen, die Hintertreppe hinaufzugehen. Ich werde dort sein und Euch die geheime Tür in der Galerie öffnen.«
»Der Plan ist gut«, bemerkte Seymour. »Welche Stunde bestimmt Seine Majestät?«
»Die neunte Stunde«, sagte der Zwerg. »Auf meine Pünktlichkeit kann Eure Hoheit sich verlassen.«
»Darf man Dir trauen, Bursche?«, sprach der Admiral, ihn scharf anblickend.
»Meine Zuverlässigkeit ist nie infrage gestellt worden«, erwiderte Xit stolz. »Ich wollte, Eure Hoheit stellten mich auf die Probe.«
»Du bist viel beim König – hm?«
»Stets in seiner Umgebung, Eure Hoheit.«
»Wie spricht Seine Majestät von mir? Rede nur dreist. Denke nicht, dass mich die Wahrheit beleidigt.«
»Die Wahrheit kann in diesem Fall Eurer Hoheit nur angenehm sein, denn Seine Majestät redet von Euch nur in Ausdrücken der größten Zuneigung.«
»Das freut mich zu hören«, entgegnete der Admiral lächelnd. »Spricht er ebenso von dem Lordprotektor?«
»Hm! Nicht ganz, Eure Hoheit«, antwortete zögernd der Zwerg.
»Sprich ohne Furcht!«
»Nun denn, Seine Majestät der König klagt, dass er so schlecht mit Geld versehen sei, er kann deshalb seine Leute, wenn sie ihm irgendeinen geringen Dienst leisten, nicht so belohnen, wie er möchte.«
»So wie du jetzt«, bemerkte der Admiral. »Aber du sollst keine Ursache haben, dich zu beklagen. Nimm dies, als ob es vom König käme.«
Und er schleuderte ihm eine Börse zu. Xit fing dieselbe mit der Behändigkeit eines Affen auf, wog sie in der Hand und weidete seine Augen an dem glänzenden Inhalt.
»Es soll nicht die einzige Börse sein, die den Weg in deine Tasche findet, wenn du genau meine Befehle befolgst«, sagte der Admiral.
»Eure Hoheit braucht nur zu sagen, was ich tun soll«, sprach Xit, indem er die Börse in seine Tasche gleiten ließ.
»Du brauchst nicht den Spion bei meinem königlichen Neffen zu spielen, denn ich weiß, ein solches Amt würde dir widerstreben, aber ich wünschte, dass du Augen und Ohren offen hältst und mir Bericht abstattest über das, was du wahrnimmst. Es ist mir von Wichtigkeit, genau zu wissen, wie der König gegen mich gesinnt ist – und gegen den Lordprotektor.«
Die letzten Worte wurden mit einem gewissen Nachdruck gesprochen, der dem schlauen Zwerg nicht entging.
»Ich verstehe die Rolle, die ich spielen soll«, sagte er, »und werde sie so gut wie möglich durchführen. Ich werde Eurer Hoheit Namen vor Seiner Majestät nennen, so oft ich kann, und zwar nie ohne die so vollkommen berechtigten Zusätze; und wenn ich nicht ebenso von dem Lordprotektor reden kann, so ist es, weil mir seine Verdienste nicht ebenso klar gemacht worden sind.«
»Du bist ein verschlagener kleiner Bursche«, sagte lachend der Admiral, »und hast mehr Witz in dir als mancher, der noch einmal so groß ist als du. Empfehle mich Seiner Majestät und sage, dass ich hoffe, binnen Kurzem alles zu seiner Zufriedenheit einzurichten.«
»Ich werde nicht ermangeln«, erwiderte Xit. Alsdann verließ er mit einer sehr ehrfürchtigen Verbeugung das Zimmer.
Sobald der Admiral allein war, schrieb er mehrere Namen auf einen Streifen Papier und rief dann Ugo herbei, indem er an eine kleine Glocke schlug.
»Lass alle auf dieser Liste verzeichneten Personen auf morgen Nachmittag hierherbescheiden.«
»Es soll geschehen, Eure Hoheit«, erwiderte Ugo mit einem Blick auf das Papier.