Felsenherz der Trapper – Teil 13.7
Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 13
Das Vermächtnis des Buschkleppers
Siebentes Kapitel
Der Juwelenkasten
Diese Fährte fanden sie am Ufer eines Baches, den die sechs an dieser Stelle überquert hatten.
Felsenherz und Chokariga folgten den Spuren. Gegen drei Uhr nachmittags, als sie über eine kleine Hochebene ritten, die reichen Grasschmuck trug, stieß von rechts her eine andere Fährte wie ein Strich auf die Spur der sechs Farmer.
Felsenherz stellte bald fest, dass dieser zweite Trupp Indianer waren und zwar etwa vierzig an der Zahl.
Die Indsmen hatten sich dann sofort an die Verfolgung der Weißen gemacht. Felsenherz las aus den Spuren ab, dass die Farmer vor vielleicht fünf Stunden, die Rothäute aber vor kaum zwei Stunden diese Stelle passiert hatten.
Auch Chokariga sprang jetzt vom Pferd und untersuchte die Indsmenspuren, schritt hundert Meter auf der Fährte zurück und erklärte dann: »Es sind Apachen! Mein Bruder Felsenherz besinnt sich, dass der Schnelle Büffel in die Mähne seines Pferdes bunte Bänder eingeflochten hatte. Dort an jenem hohen Dornbusch hing dies hier!« Er zeigte ein kleines Stückchen blaues Wollband, wie es die Indianerhändler den Roten zu verkaufen pflegen.
»Der Schnelle Büffel?«, meinte Felsenherz nachdenklich. »Was tut er hier mit vierzig Kriegern im Jagdgebiet des Stammes meines Bruders Chokariga? Ob er etwa vermutet, wir beide weilten jetzt in den Komanchendörfern? Ob er die Kühnheit besessen hat, dies durch einen verwegenen Kundschafterritt feststellen zu wollen?«
Der Schwarze Panther nickte nur, schwang sich wieder auf den Mustang und jagte nach Nordost auf der Doppelfährte weiter. Felsenherz war bald wieder neben ihm.
Sie näherten sich jetzt immer mehr dem Quellgebiet des Arkansas. Die Gegend wurde bergiger, die Anhöhen steiler und kahler. Durch Täler und Schluchten ging es bergan, immer tiefer hinein in die Wildnis des Felsengebirges.
Es dunkelte bereits, als Felsenherz erklärte, man nähere sich jetzt jenem Berg, an dessen Südseite nach der Zeichnung des alten Summer die Schlucht sich befinden müsse, die nunmehr seit dreiunddreißig Jahren den Juwelenkasten barg.
Die beiden Westmänner brachten die Osagemustangs in einem schmalen, buschreichen Tal unter und setzten ihren Weg zu Fuß fort, während die Schatten der Nacht die großartige Szenerie der Gebirgslandschaft immer mehr in Dunkel hüllten.
Plötzlich trug ihnen der Nachtwind den Knall mehrerer Schüsse zu.
Gleich darauf auch das gellende, schrille, lang gezogene Angriffsgeheul der Apachen.
Sie hatten gerade einen Engpass betreten, der wahrscheinlich auf ein größeres Plateau mündete, wo die Apachen die sechs Farmer soeben überfallen haben mussten.
Abermals Schüsse.
Das Geheul verstummte.
»Sie sind abgeschlagen worden, die Krieger des Schnellen Büffels!«, lästerte Felsenherz. »Wir dürfen uns getrost weiter vorwagen. Beide Parteien dort oben werden kaum für anderes Augen haben, als nur für den Gegner.«
Sie huschten weiter den Engpass hinauf, gelangten wirklich an eine kleine, steinige Hochebene und sahen nun zur Rechten drei Feuer hinter ein paar Granitblöcken brennen, sahen dicht davor hinter Steingeröll dunkle Gestalten hin und her kriechen, hörten auch die ihnen wohlbekannte Stimme des Schnellen Büffels, der den Farmern etwas zurief.
»Die Blassgesichter mögen den Apachen Felsenherz und den Schwarzen Panther ausliefern, die sich bei ihnen befinden müssen, da wir unter den Pferden der Blassgesichter auch den Rappen und den Braunen entdeckt haben!«
Kaum hatte der blonde Trapper dies vernommen, als er dem Comanchen schon zuflüsterte: »Die Pferde stehen dort links, hundert Meter weiter rückwärts! Holen wir uns unsere Tiere.«
Sie krochen eilig weiter, wanden sich schlangengleich über den Boden hin und gelangten in demselben Moment zu den von drei Apachen bewachten Tieren, als hinter ihnen erneute Schüsse bewiesen, dass die Apachen abermals die Farmer angegriffen hatten.
Die drei Pferdewächter standen dicht beieinander und beobachteten lediglich die Vorgänge da drüben an den Granitblöcken.
Felsenherz schlug zwei mit der Faust nieder. Der Dritte wurde von dem Comanchen durch einen Hieb mit dem Steintomahawk erledigt.
Zur Freude der beiden Westmänner fanden sie alle ihre Waffen an den Sätteln ihrer Pferde festgebunden. Inzwischen hatten die Apachen durch einen überraschenden Angriff den Nahkampf mit den bisher hinter den Felsblöcken gedeckt stehenden Farmern erzwungen, nachdem bereits fünf Krieger durch die Kugeln der Weißen gefallen waren.
Das wilde Kampfgeschrei der Apachen wurde bald zum Triumphgeheul. Einer der Farmer nach dem anderen war der Übermacht unterlegen, einer nach dem anderen sank tödlich verwundet nieder. Nur Don Racosta hatte sich, als er jeden Fluchtweg versperrt sah, verzweifelt und in wahnsinniger Todesangst mithilfe seines Lassos zunächst unbemerkt auf einem kleinen Vorsprung der Steilwand eines Abgrundes hinabgelassen, der das Plateau nach Norden zu begrenzte, hatte sich hier in eine enge Spalte hineingedrückt und hoffte so den Apachen zu entgehen.
Mittlerweile hatten aber auch Felsenherz und Chokariga Zeit gefunden, mit den gesamten Pferden, die sie schnell mit den Zügeln aneinandergebunden hatten, in dem Engpass zu verschwinden, da die Apachen anfänglich annahmen, die Wächter brachten die Tiere anderswo in Sicherheit.
Im letzten Moment trat jedoch der Mond hinter den Bergen hervor und zeigte dem Schnellen Büttel, der soeben dem armen Walker den Todesstoß versetzt hatte, die hohe Gestalt des Trappers, der hinter den Pferden lief, um den Rückzug zu decken.
Der Oberhäuptling der Apachen traute seinen Augen nicht, als er so unerwartet hier abermals auf den verhassten Feind stieß.
Sein Zuruf machte nun auch seine Krieger auf den blonden Jäger aufmerksam.
Zwanzig Apachen stürmten schon dem Engpass zu. Felsenherz hob die lange Jaguarbüchse.
Zweimal fuhr der Blitz aus der Doppelmündung der trefflichen Waffe.
Und zwei Apachen taumelten zu Boden.
Abermals zwei Schüsse aus des Trappers anderer Büchse.
Dann auch des Comanchen Kugeln, die einen fünften und sechsten Apachen niederstreckten.
Und doch ließen des Schnellen Büffels Krieger sich diesmal nicht zurückschrecken.
Kaum dreißig Meter trennten sie noch von dem Engpass.
Da verschwanden die beiden Gestalten, da trieben ihre Steinwürfe die hintersten Apachenmustangs zu wildem Jagen an.
In rasendem Galopp jagten die Pferde abwärts, rissen sich unten im Tal voneinander los, zerstreuten sich. Ein gellender Pfiff lockte den Rappen und den Braunen an die Seite ihrer Herren. Diese saßen schon im Sattel, scheuchten die Mustangs und die Pferde der Farmer weiter und weiter – hindurch durch das Tal, hindurch durch eine Schlucht – hinaus auf eine Hochebene weiter in die Nacht hinein.
Der Schnelle Büffel hatte die Verfolgung sehr bald aufgeben müssen. Die Apachen kehrten zu dem Plateau zurück, begannen nach dem sechsten Farmer, nach Racosta zu suchen.
Das um eine Felszacke am Abgrundrand geschlungene Lasso verriet das Versteck des Feiglings, der seine Gefährten gerade im Augenblick der höchsten Not im Stich gelassen hatte.
Doch – Racosta war da unten in der Felsspalte nicht beizukommen. Als ein Apache an dem Lasso herabkletterte, traf ihn eine Kugel und schickte ihn in den Abgrund hinab, der, sich meilenweit als Canyon hinziehend, an keiner Stelle zu passieren war.
Als der Morgen graute, hockte Racosta noch immer in der Felsspalte, während oben am Südrand des Abgrundes die Apachen lagerten, die hier auf dem Plateau nicht weniger als vierzehn der ihren durch den Tod verloren hatten.
Auch das tiefe Dunkel des Canyons lichtete sich jetzt allmählich. Racosta sah zu seinen Füßen den Gesteinvorsprung, sah den dichten Dornbusch, der sich dort angesiedelt hatte und dessen Ranken tief in den Abgrund hinabhingen.
Noch mehr sah er. Halb unter dem Dornengestrüpp lag ein verrosteter eiserner Kasten.
Racosta quollen förmlich die Augen aus dem Kopf.
Der Juwelenkasten – er war es!
Er brauchte nur zuzugreifen, dann war er sein!
Die Habgier machte ihn unvorsichtig.
Er musste den Kasten an sich ziehen, er beugte sich vor – streckte die Hand aus.
Oben am Abhang lauerten drei Apachen.
Einer griff rasch zur Büchse.
Racostas Kopf erschien.
Ein Schuss knallte.
Der Letzte des Geschlechtes der Racosta stürzte durch den Kopf getroffen in den Abgrund, riss den Juwelenkasten mit.
Unten im Canyon zerschellte der eiserne Behälter, streute die blitzenden Schmuckstücke umher.
Und auf die glitzernden Geschmeide prallte die Leiche Racostas auf.
Eine formlose, blutige Masse deckte so die Juwelen zu.
Felsenherz und Chokariga hatten das Ende des Spaniers von der Nordseite des Abgrundes mit beobachtet. Sie wussten jetzt, dass keiner der Farmer mehr am Leben war.
So schlichen sie denn zu ihren Pferden zurück und verließen die Schluchten des Felsengebirges, wandten sich den Comachendörfern am Colorado zu, um von dort mit einer Abteilung Comanchen zurückzukehren und den Schnellen Büffel und die Apachen gefangen zu nehmen.
Das Vermächtnis des alten Summer hatte so dem letzten unwürdigen Spross der Racosta den Tod gebracht.
Was aus dem Oberhäuptling der Apachen und seinen fünfunddreißig Kriegern wurde, sei im folgenden Band geschildert.
Der nächste Band enthält Tom Brack, der schwarze Häuptling.