Die Eierlage in Schönecken
Vom frischen Quell
Sagen, Legenden und Geschichten aus der Eifel
Jung und Alt in neuer Fassung dargeboten von Rektor Jos. Schiffels
Verlag Georg Fischer. Wittlich. 1912
Erstes Bändchen
Die Eierlage in Schönecken
Der Flecken Schönecken bei Prüm ist bekannt wegen einer eigenartigen Volksbelustigung, die alljährlich am Ostermontag unter großem Menschenzulauf stattfindet und Eierlage genannt wird. Sie leitet ihre Entstehung aus den Zeiten des Rittertums her.
Im Mittelalter lebte auf der Burg von Schönecken ein kriegerisches Rittergeschlecht. Die bei der Burg wohnenden Junker hielten nach damaliger Sitte außer ihrer gewöhnlichen Dienerschaft einige junge Leute, Läufer genannt, zur Besorgung ihrer Geschäfte. Unter den Junkern entstanden bei ihren Zechgelagen öfters Neckereien und Streitigkeiten wegen ihrer Läufer, da jeder den Schnellfüßigsten haben wollte. Es kam dann meistens zu Wetten, durch welche die Tüchtigkeit der Läufer erprobt wurde. Mit der Zeit gestaltete sich dieses Wettlaufen zu einer Belustigung für Junker und Volk und fand regelmäßig an bestimmten Tagen, meistens zu Ostern, statt.
Auch heute noch wird dieser uralte Brauch geübt. Die Leitung des Volksspiels liegt in den Händen der Junggesellensodalität von Schönecken. Diese tritt einige Zeit vor dem Fest zusammen, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Sie muss vor allem zwei Jünglinge bestimmen, welche die eigentliche Wette auszuführen haben. Der eine ist der Läufer, der andere der Raffer. Die zwei sammeln schon in der Karwoche die nötigen Eier – 104 an der Zahl1 – als freiwillige Spenden der Bewohner. Diese Eier werden am Festtag nachmittags in der Hauptstraße des Ortes in einer langen Reihe, je einhalb Meter voneinander entfernt, in die Straßenrinne gelegt. An einem Ende steht ein Korb, in den die sämtlichen Eier gelegt werden müssen.
Ist am Ostermontag der Nachmittagsgottesdienst zu Ende, so begibt sich die mit Blumen und Bändern geschmückte Spielgesellschaft in geordnetem Zug zum Festplatz, auf dem sich bereits viele Zuschauer eingefunden haben. Voran gehen die Musikkapelle und der Vereinsfahnenträger in schöner Uniform. Dann folgen Läufer und Raffer in weißer Pagentracht mit Schärpe und Barett mit roter Feder. Es werden Zahl und Entfernung der Eier geprüft. Wenn alles in Ordnung ist, geben sich Läufer und Raffer Kuss und Handschlag. Ein Böllerschuss erdröhnt. Der Wettkampf beginnt. Der Raffer muss sämtliche Eier einzeln aufheben und auch einzeln in den Korb legen. Er kann dabei anfangen, wo er will. Der Läufer aber eilt in derselben Zeit zum 3,8 Kilometer entfernten, sehr hoch gelegenen Dorf Seiwerath und wieder zurück. Mit lebhafter Spannung verfolgen die Zuschauer den Verlauf des seltsamen Wettspiels. Sie wetten untereinander, der eine, dass der Läufer, der andere, dass der Raffer gewinnt.
Der Preis der Wette ist gewöhnlich eine Flasche Wein, die am Abend getrunken wird. Ist der Läufer zurück, ehe alle Eier aufgehoben sind, so hat er das Spiel gewonnen und er wird als Sieger zu dem Raffer geführt. Gewinnt dieser, so wirft er das letzte Ei über das nächste Haus, und er wird in gleicher Weise dem Läufer entgegengeführt. Bei ihrer Zusammenkunft geben sie sich wieder Kuss und Hand. Ist der Wettlauf, welcher meist nur Minuten in Anspruch nimmt, zu Ende, so zieht die ganze Gesellschaft in den Festsaal, wo bei Musik und Tanz noch lange Lust und Fröhlichkeit herrschen.