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Die Geister des Anza Borrego Deserts, California

Als Amerika noch wild und teils unbesiedelt war, strömten unzählige Frauen und Männer in das Land, um es zu bezwingen. Sie zogen in die Wildnis, beherrscht von dem Gedanken, etwas zu schaffen und sich Gedenksteine zu setzen. Andere waren an schnellem Reichtum interessiert, suchten nach Edelmetallen oder machten Profit durch Verbrechen. Amerika ist reich an Ghost stories. Kein Wunder. Viele haben ihr Leben gelassen, sind an den Strapazen der Reise gestorben, an Epidemien, wurden von Banditen ermordet, oder gehörten zu denen, die verschwanden und von denen man nie wieder etwas hörte. Manch Sterbender konnte sich vom Ort, wo ihn das Schicksal ereilte, nicht lösen und wandelt noch heute als Geist dort umher.

Anza Borrego Desert ist der nordwestliche Teil der Sonora Wüste. Von kargen Wüstenbergen bis zu einem gigantischen Salzwassersee, von Dünenlandschaft bis einem Meer von blühenden Wüstenblumen, von Slot Canyons bis zu extensiv genutzter Landwirtschaftsfläche ist alles vorhanden und verdient ein touristisches Interesse.
Ehemals wurde die Wüste von den Cahuilla und Kumeyaay Indianer bewohnt, die die Winter im flachen Süden und die Sommer in den kühleren Bergen verbrachten. Im Jahre 1776 durchquerte der spanische Forscher Juan Baptiste de Anza die Wüste und wurde dadurch zum Namensgeber. Der Anza Borrego Desert SP ist der größte State Park in Kalifornien und der zweitgrößte der gesamten USA und erstreckt sich über rund 600.000 acres / 2430 km² Wüstengebiet unterschiedlicher Ausprägung. Im Frühjahr zeigt er nach Regenfällen seine Artenvielfalt von Blumen und Kakteen in voller Blüte, aber auch Wildtiere haben sich hier zurückgezogen. Mit viel Glück kann man Adler, die seltenen Bighornschafe, die vielen Roadrunner (Rennkuckuck – eine Kuckuckart, die entlang oder quer zur Straße rennt) oder Maultierhirsche, Erdhörnchen und Coyoten sehen. Auch ist die Wüste Heimat verschiedener Klapperschlangen wie der Red Diamond Rattle Snake und anderen Arten, doch diese Wüstenbewohner sind relativ scheu und glücklicher weise meist nicht zu sehen.

Die weiße Frau der Vallecito Station

Der Name Vallecito bedeutet kleines Tal und ist auf die Spanier zurückzuführen. Das grasbewachsene Fleckchen Erde war wie das Paradies nach einer Reise durch die Wüstenlandschaft. Während des kalifornischen Goldrauschs durchquerten viele Goldsucher dieses Tal. Mitte des 19. Jahrhunderts kam James Ruler Lassiter (oder Lassator) mit seiner Familie nach Vallecito, im heutigen südöstlichen Kalifornien. Er erkannte die Chance, nicht mit Gold sein Glück zu versuchen, sondern mit der Bewirtung der Reisenden. Er gründete eine kleine Station, in der er Getränke und Essen ausschenkte und wo man zur Not übernachten konnte, wenn man mit dem nackten Boden als Lagerstatt zufrieden war. Ab 1854 war sie regulärer Stopp für die Postkutsche zwischen San Diego und Yuma. Drei Jahre später fuhr auch die Butterfield Overland Stagecoach die Route. Die Station am Rande der Zivilisation war Zeuge vieler menschlicher Tragödien und Verbrechen.

In den späten 1850igern erreichte eine Frau die Station. Eileen O‘Conner wollte nach Sacramento, wo ihr Bräutigam sie erwartete, der in den Goldfeldern reich geworden war. Krankheitsbedingt musste sie ihre Weiterreise verschieben und blieb auf der Station. Doch es war ihr nicht vergönnt, ihren Bräutigam zu sehen, da sie bald nach ihrer Ankunft verstarb. Die Stationsbesitzer kleideten sie in ihr weißes Brautkleid, das sie bei sich hatte, und begruben sie auf dem nahegelegenen Friedhof Campo Santo. Doch sie war noch nicht bereit zu gehen. Heute noch soll sie in ihrem Brautkleid auf die Kutsche nach Sacramento warten. Genau an der Stelle, wo früher das Stationsgebäude stand. Die Station wurde anderer Stelle für Touristen nachgebaut.

Die Phantom Kutsche von Carrizo

Entlang der Butterfield Overland Stage Route befand sich die Carrizo Station, nahe Vallecito, von der heute nichts mehr zu sehen ist.
Eines Tages in den 1860igern fuhr die Kutsche von El Paso nach San Diego mit einer besonderen Fracht, einer Kiste voll Dollarmünzen. Um den Inhalt der Kutsche zu sichern, fuhr ein bewaffneter Begleitmann mit. In Yuma angelangt, erkrankte dieser und der Kutscher war gezwungen, alleine weiterzufahren. Im Carrizo Wash, zwischen den Fish und Coyote Mountains, überfielen Banditen die Kutsche, ermordeten den Kutscher und flohen mit der Beute. Nach dem Überfall fuhr die Kutsche mit dem toten Kutscher an der Vallecito Station vorbei und verschwand dann.

Seit damals sieht man die Kutsche in mondhellen Nächten, wie sie kurz an der ehemaligen Carrizo Station hält und dann weiterfährt. Am nächsten Morgen sind im Sand Wagen- und Hufspuren zu sehen.

Das Geisterpferd von Vallecito

Vier Männer überfielen eine Kutsche kurz vor Vallecito und raubten ungefähr 65.000 Dollar. Der Kutscher schoss hinter den Fliehenden her und traf einen von ihnen. Als er bei dem Toten anlangte, sah er einen zweiten Leichnam. Er wusste genau, dass er nur einen einzigen Schuss abgegeben hatte. Er glaubte, dass der Anführer einen seiner Kumpane ermordete, um einen größeren Anteil an der Beute für sich zu behalten. Die beiden überlebenden Banditen vergruben ihre Beute und machten Halt auf der Vallecito Station, um sich zu verpflegen. Es wurde erzählt, dass die beiden in eine heftige Diskussion gerieten, worauf der Anführer die Station verließ. Kurz darauf ritt er auf einem weißen Pferd durch die Tür und schoss auf seinen Kumpanen. Der Verletzte besaß noch die Kraft, das Feuer zu erwidern und schoss den Anführer vom Pferd. Das Tier erschrak durch die Schüsse und galoppierte in die Berge.

Wer um Mitternacht in den Bergen dem Versteck der Beute zu nahe kommt, die niemals gefunden wurde, der sieht das weiße Geisterpferd, das aus dem Nichts auftaucht und galoppierend spurlos verschwindet.

Text- und Bildquellen:

Copyright © 2012 by Andrea Hoch