Romantruhe-Western Band 14
Larry Lash
Romantruhe-Western Band 14
Wüstenritt
Western, Paperback, Romantruhe, Kerpen-Türnich, Mai 2017, 108 Seiten, 4,95 Euro, Titelbild: Firuz Askin
www.romantruhe.de
Kurzinhalt:
Die Tochter des reichen Ranchers Jerome Betz wird von Apachen gefangen gehalten. Mehrere Aufgebote haben schon versucht, die Ranchertochter mit ihren gefangenen Gefährten zu befreien. Im Indianerland, im Tal des Todes, scheiterten alle Versuche. Noch einmal will es Jerome Betz mit vier Revolvermännern versuchen. Hart stoßen die unterschiedlichen Charaktere dieser Männer aufeinander, schon bevor die Expedition überhaupt losgeht. Und dann ist da noch diese furchtbare Gier nach Geld – etwas, was der rote Mann nicht kennt.
Leseprobe
1.
Ken Ross wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er hielt sein stark gebautes, braunes Pferd an, beugte sich weit im Sattel vor und blickte auf die in der Sonnenglut dösende Stadt hinunter, die vor ihm unten am Hang des Berges lag.
Der mexikanische Einfluss im Baustil war unverkennbar, doch gab es auch Häuser, die ganz aus Holz errichtet waren, ähnlich wie er sie aus Rinderstädten kannte.
Hier in der Nähe der mexikanischen Grenze, wo von dem freundlichen und waldreichen Land Arizonas nichts mehr übriggeblieben war, spürte man den Hauch der Wüste so stark, dass es einem sehr warm werden konnte. Das Land war steinig und sandig. Auch das Grün der Kakteenwälder konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es die Menschen schwer hatten und hart um ihr tägliches Brot kämpfen mussten. Der Boden gab nicht viel her. Schaf- und Ziegenherden fanden hier gerade noch Nahrung. Rinder wären mit Sicherheit kümmerlich eingegangen. Der Ackerboden gab nur wenig Frucht, und nur dort, wo gleich Oasen aus tiefen Brunnen Wasser ans Tageslicht gepumpt, nach altherkömmlicher Art durch Ochsenkraft aus dem Schoß der Erde gehoben wurde, dort wuchsen herrliche Blumen und Stauden, die Früchte trugen.
Doch nicht nach diesen Dingen schaute Ken Ross aus. Seine Blauaugen wurden immer größer. Sie standen in einem hageren, streng geschnittenen und von der Sonne gebräunten Gesicht, das schwarze Bartstoppeln zeigte. Buschige Augenbrauen gaben ihm ein düsteres Aussehen. Das wurde auch durch seine Kleidung verstärkt, die ebenso grau wie der Wüstensand war; dazu fleckig vom langen Tragen. Sein tiefgeschnallter Colt, dessen Mündung aus dem aufgeschnittenen Halfter herausragte, verbesserte nicht sein Aussehen. Außer dem Colt hatte er eine »Brass Boy« im Sattelschuh stecken, deren abgegriffener Kolben vom vielen Gebrauch glänzte. Grau war sein Stetson, grau die Stiefel, grau und unansehnlich waren Zaum und Sattelzeug. In eine schmutzig aussehende Schlafdecke waren seine wenigen Habseligkeiten eingerollt, die er hinter sich auf dem Sattel aufgeschnallt hatte.
Minutenlang betrachtete er die Stadt, dann gab er sich einen Ruck und trieb den Braunen weiter den Abhang hinunter, der Stadt entgegen, die Siesta zu halten schien.
Doch das war nicht so. Noch bevor er die Stadt erreichte, musste er an einer grünen Oaseninsel vorbei, vorbei an einer jener Pumpen, an der zwei Ochsen im Kreis die gewaltigen Balken zogen. Die Hufe der Tiere hatten einen Graben ausgehoben. Das schlecht geschmierte Werk ächzte und stöhnte. Im stumpfsinnigen Trott zogen die beiden gehen Ochsen im Gespann und Geschirr gleichmäßig, so als wollten sie mit ihrer Last bis in alle Ewigkeit im Kreise laufen.
Nein, Ken bewegte nicht der Anblick der Ochsen, sondern der des Jungen, der auf einem der Zugbalken hockte und die Peitsche schwang. Er hatte leise vor sich hingesungen, verstummte aber beim Anblick des Reiters.
Ken blickte in die großen, dunklen Augen des Jungen hinein, die seinem Blick standhielten. Er sah sich den Jungen genauer an. Dieses Kerlchen mochte zehn Jahre alt sein. Es bewegte seine angeschmutzten nackten Beine schlenkernd hin und her, hielt sie plötzlich an und sagte mit einer hellen, melodisch weichen Stimme:
»Sie sind Mister Ross. Man erwartet Sie in Junicon seit einer Woche. Man ist hier sehr ungeduldig, Mister Ross! Sie kommen sehr spät.«
»Aber nicht zu spät, mein Junge. Wenn du schon so gut informiert bist, dann kannst du mir sicherlich auch sagen, wo ich Jerome Betz finde?«
»Das kann ich, Mister. Sie brauchen nicht weiter zu reiten. Sie befinden sich auf seinem Besitz. Durch die Bäume hindurch können Sie sein Haus sehen. Mister Betz ist der reichste Mann in der Gegend hier.«
»Wenn er es nicht wäre, mein Junge, hätte er mich …«
Ken verstummte. Warum sollte er dem Jungen auch sagen, was er dachte. Das ging nur ihn und diesen Betz, der ihn hatte kommen lassen, etwas an. Aus dem Brief war zwar nicht ersichtlich, warum Jerome Betz ihn anwerben wollte, doch das war im Augenblick auch nicht so wichtig. Wichtiger war, dass er zahlen konnte. Nie zuvor war Ken Ross abgebrannter und in größeren Geldschwierigkeiten gewesen als gerade jetzt. Jerome Betz’ Brief kam zur rechten Zeit. Ein Kopfgeldjäger und Revolvermann durfte nicht lange fragen, wenn er Arbeit bekam. Arbeit bei guter Bezahlung war noch seltener. Ken Ross’ schlechte Zeit schien beendet zu sein. Jetzt brauchte er nicht irgendeine Arbeit anzunehmen, nur um sein Leben zu erhalten. Vorbei war die Zeit des Arbeitssuchens auf Ranchen oder Farmen, um eine reelle Arbeit zu bekommen. Wer brauchte auch schon um diese Jahreszeit Hilfe? Wohl niemand anders als Jerome Betz.
Für Ken Ross war es gut, dass jemand seine Hilfe benötigte. Es war ihm verteufelt gleichgültig, wer diesem Jerome Betz seine Anschrift gegeben hatte. Dem großen Unbekannten ein Cheerio! Betz’ Angebot war besonders verlockend. Sechzig Dollar im Monat, dazu Kost und Logis! Das war mehr, als Ken jemals zuvor verdient hatte. Vierzig Dollar Lohn war für gewöhnlich das, was man einem Revolvermann zahlte, wenn jemand einen schnellen Mann brauchte.
Ken Ross sprach nicht weiter mit dem Jungen. Er änderte seine Reitrichtung, ohne sich auch nur ein einziges Mal nach dem Burschen mit dem Gespann umzublicken. Das weiß leuchtende Gebäude zwischen den Bäumen zog ihn und sein Pferd an. Je näher er kam, umso größer wurden seine Augen, umso schneller ging sein Atem. Noch nie in seinem Leben hatte er eine solche Pracht gesehen. Diese Oase glich einer Märchenlandschaft. Gepflegte Reitwege, Blumenbeete, Buschgruppen, dazwischen kleine Teiche, in denen sich silberhelle Fische tummelten, taten sich vor seinen Augen auf. Enten und Wasserhühner schwammen umher. Er kam an Corrals vorbei, in denen er edle Vollblutpferde grasen und spielen sah. Er passierte Schuppen und Stallungen, ritt an Menschen vorbei, die von ihrer Arbeit aufsahen und ihn mit großen Augen musterten, sodass er sich als ein Eindringling fühlte, der in unbekannte Gefilde eingedrungen war und kein Recht zum längeren Verweilen hatte.
Als er dann vor dem palastähnlichen weißen Gebäude des Jerome Betz anhielt, glaubte er zu träumen. Er sah einen Säulengang aus weißem Marmor, einen Springbrunnen, Balkone und Alkoven. Ken Ross war so versunken in den Anblick, dass er die leichten Schritte nicht hörte und zusammenfuhr, als eine dunkle Bassstimme sagte:
»Ein Märchenschloss, Fremder! Genau so habe ich vor zwei Tagen davorgestanden, dorthin übergeblickt und gewartet, dass sich die alten Türen weit öffneten, dass etwas Besonderes geschehen müsste. Nun, es ist dann auch eingetroffen.«
Das leise, verhaltene Lachen des Sprechers weckte Ken Ross vollends aus der Verzauberung, die ihn gefangengenommen hatte.
»Jerome Betz ist noch viel reicher, als ich angenommen hatte«, wandte er sich mit heiser klingender Stimme an den Fremden. Zu seiner Verblüffung erkannte er in dem Fremden einen Mann von seiner Art, einen Revolvermann, einen Langreiter, oder auch einen Mann vom langen Lasso, wie man sie zu nennen pflegte. Für solche Leute hatte Ken eine besondere Witterung im Laufe der Jahre bekommen. Man konnte es nicht nur sehen, sondern man fühlte das, denn diese Gruppe unterschied sich in vielem von Männern, wie man sie allgemein hier antraf.
Er mochte ein Texaner sein, groß und fast dürr zu nennen. Er stand mit ein wenig nach vorn geschobenen Schultern da, lässig an einem Zigarettenstummel kauend, als könne er sich nach dem Genuss des Rauchens auch von dem erloschenen Rest nicht trennen. Seine kräftigen, weißen Zähne blitzten in der Sonne. Er lächelte und tat, als sei Ken Ross ein alter Bekannter, vor dem man sich keine Hemmungen aufzuerlegen brauchte.
»Ich dachte ähnlich, Ken Ross«, sagte er grinsend. »Ich stellte mir die Frage, woher in dieser öden Gegend der große Reichtum unseres neuen Arbeitgebers Jerome Betz kommt. Er hat es mir noch nicht anvertraut. Er sagte, dass er auf das Erscheinen des Letzten warte, dass dann unsere Neugier befriedigt würde.«
»Das klingt so, als hätte Betz noch weitere besondere Männer angeworben?«
»Ja«, dehnte der andere seine Worte, wobei er sich den Stetson weiter in den Nacken schob, »er hat eine Vorliebe für harte Brocken. Du wirst es noch herausfinden. Ich frage mich, ob er uns einsetzen will, um seinen Reichtum in alle Zukunft zu sichern, wie es ihm möglich war, all das Schöne bis jetzt zu erhalten.«
»Vielleicht sind wir nicht die erste Mannschaft, Mister?«
»Hatley, Jim Hatley heiße ich. Das Mister kannst du dir ersparen, Ross. Deinen Namen kenne ich bereits. Wenn du dich in Betz‘ Lohnliste einträgst, sitzen wir im gleichen Sattel, dann sind wir sozusagen Partner.«
Das Grinsen Jim Hatleys verstärkte sich. Er spuckte den Zigarettenstummel aus und betrachtete Ken Ross nochmals, so als wollte er tief in ihn hineinschauen.
Ken hielt dem abschätzenden, wägenden Blick stand. Er wusste recht gut, dass das, was in ihm selbst vorging, auch sein Gegenüber bewegte. Jeder fragte sich wohl, wer schneller sei. Als Ken sagte: »Wenn du es wissen willst, Jim – nun, es kommt nicht darauf an, du könntest die Übungen vorschreiben, oder bist du nicht neugierig?«, sagte der Texaner trocken. »Im gegebenen Augenblick komme ich noch darauf zurück. Avonde und Nixon sind eine andere Klasse, Ken Ross. Wenn es nach ihnen ginge, würden sie noch heute Jerome Betz’ Besitz für sich beanspruchen. Betz hätte auf sie verzichten sollen. Nur der Himmel weiß, warum er sie herkommen ließ. Im Augenblick stört mich das aber wenig. Jetzt bist du da, und Jerome Betz wird bald die Katze aus dem Sack lassen. Steig vom Pferd, Ken Ross. Ich bin zu deinem Empfang ermächtigt und kann dich in Jerome Betz’ Namen willkommen heißen.«
»Wo ist Betz?«
»Das, Freund, kann ich dir nicht sagen. Betz lässt sich nicht in die Karten schauen. Ich habe bis jetzt herausgefunden, dass ihm das Land und die Stadt gehören. Es ist erstaunlich, dass er Nixon und Avonde auf Distanz hielt. Er ist ein beachtlicher Mann, dem die Achtung der amerikanischen und mexikanischen Bevölkerung sicher ist. Er ist ein großer Mann und ein Boss, für den es sich lohnt zu reiten. Freund, ein herrliches Leben steht uns bevor, ein Leben im Paradies, um das uns jeder Langreiter beneiden kann. Die Verpflegung ist gut. Was stört, ist, dass man mit den Leuten hier keinen Kontakt bekommt. Vielleicht will Jerome Betz es so haben. Nun, ich mache mir nichts daraus, ich bin daran gewöhnt. Ich habe mich erkundigt und erfahren, dass ein Mann, der gut verdient, in Junicon alles haben kann, wonach er sich sehnt. Das genügt mir, mehr verlange ich nicht.«
»Nixon und Avonde sind nicht so bescheiden, Hatley?«
Der Hagere lachte trocken, doch gab er keine Antwort. Sein Schweigen und sein Lachen sagten Ken mehr, als Worte vermocht hätten. Ken Ross hob sich aus dem Sattel, nahm seinen Braunen am Zügel und folgte dem voranschreitenden Revolvermann, der in Richtung eines Nebengebäudes davonging.
Jetzt erst stellte Ken fest, dass Hatley einen halben Kopf größer war als er selbst. Das sollte schon etwas heißen, denn Ken war über den Durchschnitt groß. Hatley trug ganz gewöhnliche Cowboytracht und große Sporen an den Stiefeln. Er bewegte sich geschmeidig, gleich einer sprungbereiten Raubkatze. Er hielt es für selbstverständlich, dass Ken ihm folgte.
Bevor die beiden Männer das Nebengebäude erreichten, erklang Hufschlag. Eine starke Reitergruppe tauchte an der Parkecke auf dem Reitweg auf. Beim Anblick der Reiter stoppte Jim Hatley. Ken blieb ebenfalls stehen.
»Dort kommt der Boss«, sagte Hatley über die Schulter gewandt zu Ken. Mehr konnte er nicht hinzufügen, denn aus der Gruppe löste sich ein Reiter, kam auf sie zu und hielt seinen edlen Rappen an.
Im silberbeschlagenen Sattel des Rappen saß ein Mann, dessen Kopf und Barthaar ebenfalls silbern in der Sonne glänzte. Er schaute zuerst zu Hatley hin und nickte ihm zu wie einem alten Bekannten, dann blickte er fest in Kens Augen.
»Willkommen, Ken Ross!«, sagte er vom Sattel her. »Ich hatte mir gedacht, dass Sie meine Einladung annehmen würden.«
»Mister, ich bekam selten Post, denn meine Adresse ändert sich oft.«
»Trotzdem erreichte Sie mein Brief, Ross. Ich sagte Ihnen bereits, dass ich damit gerechnet hatte. Es ist gut, dass Sie da sind. Sie waren der Letzte. Schütteln Sie sich den Reisestaub aus den Kleidern, lassen Sie sich Ihr Quartier zeigen und zu essen geben. In einer Stunde erwarte ich Sie und Ihre Kameraden in der Wohndiele.«
Ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, ritt er der Reitergruppe nach und vereinte sich mit ihr.
»Sehr gesprächig ist unser Boss nicht, Hatley.«
»Nein, doch er weiß, was er will, Ross«, erwiderte Hatley, der sich bereits wieder in Bewegung setzte und seinen Blick von der Reitergruppe löste, die hinter den Stallungen verschwand. »Das Erscheinen der Reiter scheint in engstem Zusammenhang mit uns zu stehen, Ross. Einige kamen von weit her aus dem Lande, andere aus der Stadt. Nun werden wir bald erfahren, was das zu bedeuten hat.« Er war während des Sprechens weitergegangen und hielt vor einem Gebäude an, das wie das Mannschaftsquartier aussah. Er sah zu, wie Ken seinen Braunen an einem der an der Wand eingelassenen Halteringe festband, wartete, bis Ken die Arbeit beendet hatte, und öffnete dann eine Tür. Ken trat an ihm vorbei in den dahinterliegenden Raum. Kens Augen, die an die draußen herrschende Helligkeit gewöhnt waren, erfassten nicht gleich alles, was es zu sehen gab. Es war, als tappte er im Dunklen. Es dauerte Sekunden, bis er in der wohltuenden Kühle des Raumes die kleinen, schießschartenähnlichen Fenster, Gegenstände und Einrichtungen, aber auch die beiden Männer erkennen konnte. Einer von ihnen lag sich faul rekelnd auf einem Bett, der andere hockte am Tisch auf einem Schemel, die Beine weit ausgestreckt. Beide ließen Ken nicht aus den Augen, beide, das spürte Ken mit einem Schlag, lagen wie geduckte Raubtiere auf der Lauer. Der auf dem Bett liegende Mann stützte sich einen kurzen Moment auf seine Ellenbogen auf und blieb dann stillliegen. Der andere zog die Beine an.
»Hatley, ist der große Ross endlich gekommen?«, fragte der Mann im Bett mit einem so höhnischen Unterton in der Stimme, dass man es offen heraushören musste. »Wird man uns nun in die Lohnliste eintragen oder muss Ross seine Zustimmung dazu geben?«
»Es ist Betz’ Sache, wenn er Ross zum Anführer machte. Hast du etwas dagegen, Avonde?«
»Eine ganze Menge, Hatley«, meldete sich Avonde vom Bett her. »Ich muss mich erst davon überzeugt haben, ob ich nicht besser bin. Ich beuge mich nicht gerne und schon gar nicht einem Dahergerittenen, dessen Name mir nichts sagt.«
Veröffentlichung der Leseprobe mit freundlicher Genehmigung des Verlages