Der Wolfmensch – Kapitel 5
Elie Berthet
Der Wolfmensch
oder: Die Bestie des Gévaudan
Aus dem Französischen von A. Kretzschmar
Hartleben’s Verlags-Exedition. Pest, Wien und Leipzig, 1858.
Erster Teil
Kapitel V
Die junge Schlossherrin
Das damals von Fräulein Christine von Barjac bewohnte Schloss Mercoire erhob sich ziemlich in der Mitte jenes unermesslichen Waldes, wo der Prior von Frontenac und sein Neffe so große Gefahren zu bestehen hatten.
Es war zu einer Zeit erbaut, wo man in Frankreich schon fast allgemein darauf verzichtete, die Wohnungen des Landadels zu befestigen, aber die Provinz des Gévaudan war infolge der religiösen Zwistigkeiten und des Hasses, der daraus hervorgegangen war, niemals so ruhig gewesen, dass gewisse Vorsichtsmaßregeln überflüssig gewesen wären. Deshalb zeigte die Wohnung der Herren von Mercoire noch ein ganz mittelalterliches Ansehen.
Sie war auf einer Anhöhe erbaut, über einem Dörfchen, welches etwa dreißig Feuerstätten zählte. Dicke, runde Türme, mit Schiefer gedeckt, standen an den vier Ecken. Dabei war das Schloss mit Gräben, Mauern und einer Zugbrücke versehen. Allerdings war in den Gräben kein Wasser, die Mauern zeigten zahlreiche Breschen und die Zugbrücke lag in Ermanglung von Ketten unbeweglich fest.
Aber man musste sehr in der Nähe stehen, um diese Verwüstungen der Zeit zu bemerken. In der Ferne gesehen hatte das Schloss mit seinen spitz zulaufenden Flächen, seiner dunklen Masse von vulkanischen Steinen und seinem majestätischen Gürtel von grauen Mauern ein imposantes Ansehen, welches von seinem Herrn einen großen Begriff gab.
An dem Tag nun, wo die Ereignisse geschahen, welche wir soeben erzählt haben, boten die gewöhnlich so einsamen und stillen Zugänge zu diesem Schloss einen sehr belebten Anblick dar.
Auf allen Wegen, welche nach Mercoire führten, sah man Reisende einzeln oder truppenweise, teils zu Fuß, teils zu Pferde, welche sich einfanden, um der auf den nächstfolgenden Tag festgesetzten großen Wolfsjagd beizuwohnen.
Die meisten begaben sich zuem Dorfe, wo sie ein Nachtlager zu finden hofften. Die anderen nahmen ihre Richtung zum Haupttor des Schlosses.
Unter diesen Letzteren bemerkte man Edelleute, Jäger aus der Nachbarschaft, gut beritten und bewaffnet, von ihren Piqueurs zu Fuß begleitet, welche einige auserlesene Hunde an der Leine führten.
Mehrere von diesen Edelleuten hatten ihre Frauen oder ihre Schwestern hinter sich sitzen, welche ihre kecke Art und
Weise zu reiten mittelst jener faltenreichen Draperien verbargen, welche man damals »Pferdeschürzen« nannte.
Die Frauen schienen jedoch bei dieser Versammlung nicht sehr zahlreich werden zu sollen, sei es nun, dass sie durch die Gefahren der Reise abgeschreckt worden waren, oder sei es, dass sie mit dem exzentrischen Schlossfräulein nichts zu tun haben wollten. Bloß einige unerschrockene, ihrer Einsamkeit überdrüssige Landedeldamen hatten es gewagt, sich zu dieser Versammlung mit einzufinden, wo die Strapazen wahrscheinlicher waren als das Vergnügen.
Nachdem die Reisenden die Zugbrücke hinter sich hatten, kamen sie in den Eingangshof des Schlosses, wo nichts auf sehr elegante oder eifrige Gastfreundschaft schließen ließ. Dieser, dem landwirtschaftlichen Betrieb des Schlosses gewidmete Hof lag voll zerbrochener Karren und Pflüge, zerschlagener Fässer und Düngerhaufen, und mitten unter diesem allen herum flatterten und gackerten ganze Legionen von Tauben, Hühnern und Enten.
Die ringsum stehenden verfallenen Gebäude schienen ebenfalls schon seit langer Zeit ihrer ursprünglichen Bestimmung entfremdet zu sein, und an den zerschlagenen glaslosen Fenstern ließ sich erraten, dass sie jetzt zu Futtermagazinen dienten.
In diesem ersten Hof stiegen die Reiter ab und blieben die Fußgänger stehen, welche im Namen der Herrin keine spezielle Einladung erhalten hatten. Zwei Knechte, denen man für diese Gelegenheit betresste Mäntelchen umgehangen hatte, wie sie damals die Lakaien vornehmer Herrschaften trugen, standen hier, um die Ankommenden zu empfangen.
Sie leisteten den Damen beim Absteigen hilfreiche Hand, schnallten die Mantelsäcke und Felleisen los und führten die Pferde in den Stall.
Die Gäste niederen Ranges wurden in ein umfangreiches niedriges Zimmer geführt, wo auf langen, improvisierten, aus hölzernen Bänken und Böcken gebildeten Tafeln ein reichlicher Vorrat an Brot, Wein, Käse und Kastanien aufgetragen war.
Man setzte sich, dann trank und aß man ohne weitere Umstände und man konnte sich den Annehmlichkeiten dieses Überflusses um so mehr überlassen, als die Gäste, nachdem sie sich gesättigt hatten, nur eine nahe Tür aufzustoßen brauchten, um auf den Heuboden in das ihnen bestimmte Schlafgemach zu gelangen.
Was die Gäste von höherem Stand betraf, so führte einer der für diese Gelegenheit geschaffenen Lakaien sie durch einen gewölbten Gang in einen zweiten Hof, um welchen herum die von der Schlossherrin bewohnten Gebäude standen.
Dieser Teil des Schlosses war weit besser gehalten. Es herrschte hier vollkommene Ordnung und die größte Sauberkeit. Ein Hauptgebäude und zwei Flügel bildeten drei Seiten dieses viereckigen Hofes, dessen Mittelpunkt durch einen hübschen Springbrunnen bezeichnet wurde. Die vierte Seite bestand aus einem eisernen Gitter und einem monumentalen Tor mit dem Wappenschild der Familie Barjac darüber.
Dieses Tor führte in einen ansehnlichen Park, der früher durch eine Mauer und einen Graben vom Wald getrennt gewesen war. Die Zeit aber hatte sich der Mauer bedient, um den Graben auszufüllen, und seit langer Zeit schützte das Gittertor das Schloss bloß gegen die ein wenig gemischte Gesellschaft, welche in dem Wald von Mercoire hauste und während der langen Winternächte ganz besonders viel Spektakel machte.
An einer der Ecken des reservierten Hofes bildete eine kleine steinerne Terrasse den Zugang zu den Empfangszimmern.
Auf dieser Terrasse oder Rampe versah ein alter Herr von hoher, hagerer, steifer Gestalt mit ernsthaftem Gesicht die Funktionen eines Zeremonienmeisters.
Er war schwarz gekleidet mit Busenstreif und Mancheten. Seinen Hut trug er unter dem Arm und eine seiner Hände stützte sich mit lächerlicher Ernsthaftigkeit auf den Griff seines langen Degens.
Dies war der Chevalier von Magnac, ein Edelmann von guter Familie, aber jüngerer Sohn und folglich sehr arm.
Der arme Chevalier würde, nachdem er in den Armeen des Königs mit Auszeichnung gedient hatte, sehr schlimme Tage zu verleben gehabt haben, wenn der Prior von Frontenac, der ihn schon seit langer Zeit kannte, nicht auf den Gedanken gekommen wäre, ihn als Intendanten, als Ehrenstallmeister, mit einem Worte als Respektsperson bei der Mündel des Klosters anzustellen.
Bei der gegenwärtigen Gelegenheit schien Herr von Magnac von der Wichtigkeit seiner Pflichten durchdrungen zu sein. Sein langes Gesicht gab ein Gemisch von Würde und Verlegenheit zu erkennen. So wie die Gäste erschienen, ging er ihnen drei Schritte entgegen, küsste den Damen die Hand und machte den Herren eine tiefe Verbeugung. Dann führte er sie in einen umfangreichen Speisesaal, in welchem sich schon eine zahlreiche Gesellschaft vorfand. Hier richtete er ein wohleinstudiertes, schon oft wiederholtes Kompliment an sie, durch welches er die Abwesenheit der Schlossherrin entschuldigte, welche, wie er sagte, augenblicklich verhindert sei, aber nicht verfehlen könne, sich bald einzufinden.
»Mittlerweile«, fuhr er fort, »ladet meine edle Gebieterin Euch durch meinen Mund ein, über alles, was ihr gehört, unbedingt zu verfügen, als ob es Euch gehörte. Ihr Haus ist das Eure und ihre Diener stehen Euch zu Befehl.«
Hierauf verneigte der Chevalier von Magnac sich abermals und kehrte sodann auf seinen Posten auf der Rampe zurück. Vielleicht aber glaubte er durch seine übertriebenen Höflichkeiten die anscheinende Gleichgültigkeit seiner Herrin gegen so viele ausgezeichnete und vornehme Personen noch nicht genugsam aufgewogen zu haben, denn als er sich wieder allein sah, stieß er einen tiefen Seufzer aus und warf ängstliche Blicke zu einem Teil des Schlossen, dessen Fenster sorgfältig geschlossen blieben.
Die Gäste ihrerseits hätten es übelnehmen können, dass Fräulein Christine von Barjac ihrem Stallmeister die Sorge überließ, sie bei sich zu empfangen. Die lustigen Jäger und die Landnachbarn aber, welche jetzt hintereinander ankamen, nahmen die Sache nicht so genau. Man war an die Launen des schönen Schlossfräuleins gewöhnt und es fiel niemanden ein, sich dadurch beleidigt zu fühlen.
Übrigens brannte ein gutes Feuer in dem Kamin, der Tisch war mit kaltem Braten, Zuspeisen aller Art und ausgesuchten Weinen reichlich gedeckt. Vortrefflich gepolsterte Lehnstühle standen bereit, flinke Diener kamen und gingen, um alle Wünsche zu befriedigen. Worüber hätten daher die Gäste sich beklagen sollen? Deshalb hatten sich auch die meisten, ohne sich weiter um das mangelhafte Zeremoniell ihres Empfangs zu bekümmern, fröhlich an die gastfreundliche Tafel gesetzt und befolgten die Aufforderung des Chevaliers, zu tun, als ob sie zu Hause wären, in wirklich buchstäblicher Weise.
Worin aber bestand, während die Gäste nach Mercoire strömten, die wichtige »Verhinderung«, welche die junge Schlossherrin abhielt, die Honneurs zu machen?
In einem kleinen Garten, der als Reitbahn diente und in Begleitung der Schwester Magloire, ihrer Gouvernante und des alten Maurissot, der schon ihrem Vater als Piqueur gedient hatte, richtete sie ein kleines Pferd von landesischer Rasse, welches sie auf der morgigen Jagd zu reiten gedachte, zu den schwierigsten Exerzitien der Reitkunst ab. Fräulein Christine von Barjac, welche jetzt ihr achtzehntes Jahr zurückgelegt hatte, war gerade und schlank gewachsen wie eine Tanne des Gebirges. Jede ihrer Bewegungen besaß Grazie, gleichzeitig aber auch Kraft uud Geschmeidigkeit. Ihr kühn geschnittenes Gesicht, ihr Mund mit den roten, verächtlichen Lippen, ihre mandelförmigen schwarzen Augen bildeten ein Ganzes von auffallender Schönheit.
Dennoch aber hatte diese Schönheit noch nicht ihren definitiven Charakter. Ihr durch die freie Luft ein wenig gebräunter Teint verriet nicht weibliche Zartheit, und ihre Augen verstanden nicht, sich zu senken oder sich hinter ihren mit langen Wimpern befranzten Lidern zu verbergen. Sie glich einem schelmischen, verzogenen, eigenwilligen Kind in der anziehenden Gestalt einer Jungfrau. Ihre Gebärde war fest, oft gebieterisch, und die geringste Widrigkeit rief leichte Falten auf ihrer weißen, reinen Stirn hervor.
Das Kostüm, welches sie in diesem Augenblick trug und welchem sie gewöhnlich den Vorzug gab, erhöhte noch die männliche Erscheinung ihres Äußeren. Sie trug ein weites Gewand von grüner Seide, an den Ärmeln ausgeschnitten und beinahe von der Form unserer modernen Amazonenkleider. Ihr prachtvolles schwarzes Haar, welches sie trotz der damals herrschenden Mode nicht pudern ließ, wurde durch ein seidenes Netz zusammengehalten. Ihre Kopfbedeckung bestand in einem kleinen dreieckigen Hut, mit weißen Flaumfedern gefüttert und mit goldenen Tressen besetzt.
Dieses halb männliche Kostüm, welches übrigens dem rührigen Leben und dem entschiedenen Wesen Christines von Barjac recht wohl zusagte, gab den Leuten der Umgegend Anlass zu sagen, sie kleide sich wie ein Mann. Allerdings hätte man sie ohne das lange weite Kleid, dessen Schleppe in den Gürtel aufgesteckt werden konnte, für einen kleinen, munteren Junker halten können, der geneigter gewesen wäre, Musketier als Seminarist zu werden.
Wir kennen bereits einige der Umstände, welche auf Christine Einfluss geäußert und sie so ganz anders gemacht hatten als andere junge Mädchen ihres Alters. Frühzeitig ihrer Mutter beraubt, hatte sie fortwährend in diesem einsamen Schloss unter Männern gelebt. Ihr Vater und ihr Onkel, große Jäger, aber sehr unwissend und ungebildet, empfingen nur Jäger bei sich. Sie hatten, ich weiß nicht was für ein einfältiges Vergnügen darin gefunden, das arme Mädchen diesen freien Ton und diese ungebundenen Manieren annehmen zu sehen, welche sie sich nun nicht wieder abgewöhnen konnte.
Bei den fröhlichen Schmäusen, welche auf die Jagdpartien folgten, brachte man die kleine Christine herbei, und die angetrunkenen Landedelleute machten es stch zum Spaß, sie allerhand Flüche und unfeine Redensarten nachsprechen zu lassen, ihr die Manieren roher Jäger beizubringen oder sie ein Trinkliedchen zwitschern zu hören.
Ihr Vater, der vor Christines Geburt sehr gewünscht hatte, einen Sohn zu haben, freute sich über die so rohen Possen, und ihr Onkel, der noch unklüger war, bemühte sich sie immerwährend neue zu lehren. Und dennoch beteten beide dieses unschuldige kleine Geschöpf an und dachten nicht daran, dass sie diese junge Phantasie vielleicht verzögen. Sie sahen in ihr weiter nichts als ein Spielzeug, mit welchem sie in blinder, verhängnisvoller Unvorsichtigkeit ihren Scherz trieben.
Von dieser Art war Christines erste Erziehung gewesen. Fräulein von Barjac hatte sich infolge des der Menschennatur angeborenen Nachahmungstriebes die Geschmacksrichtungen, die Sitten und die Sprache derer angewöhnt, von welchen sie umgeben war. Sie dachte an weiter nichts als an Laufen, Springen und Reiten. Als ihr Onkel an den Folgen einer Sumpfjagd gestorben war, hatte ihr Vater nicht aufgehört, diese eigenwillige, störrige Gemütsart zu ermutigen.
Kurze Zeit jedoch, ehe er selbst starb, schienen Herrn von Barjac endlich über die Gefahren seiner Handlungsweise die Augen aufgegangen zu sein und er seinen strafbaren Leichtsinn bereut zu haben.
Um sein Unrecht wieder gut zu machen, hatte er in seinem Testament die Vormundschaft den Mönchen von Frontenac übertragen, welche nach seinem Dafürhalten einer solchen Mission am würdigsten waren. Zum Unglück war es schon sehr spät, die Spuren dieser ersten und fehlerhaften Erziehung wieder zu verwischen. Christine war benahe zwölf Jahre alt und in diesem Alter wird es schon schwierig, neue Ideen aufzunehmen, gewisse Neigungen und Gewohnheiten zu überwinden. Auch war das Werk der guten Väter zu der Zeit, wo wir uns finden, noch sehr unvollkommen. Die edle Jungfrau konnte noch keineswegs als ein vollständiges Muster von Sanftmut, Geduld und Bescheidenheit aufgestellt werden.
In diesem Augenblick fand, wie wir bereits bemerkt haben, Fräulein von Barjac ohne Rücksicht auf die zahlreichen Gäste, welche in dem Schloss ankamen, Vergnügen daran, den kleinen »Buch,« ihr Lieblingspferd, zu dressiereu. Die Aufgabe war keine von den leichtesten. Buch, ein schönes, schwarzes Tier mit dicker Mähne und feurigen Augen, schien trotz seines kleinen Wuchses ebenso eigenwillig und launenhaft zu sein wie seine junge Herrin selbst.
Maurissot, der trotz seiner sechsundsechzig Jahre sich etwas darauf zugutetat, noch ein vortrefflicher Reiter zu sein, saß auf dem Pferd. Christine stand mit einer Peitsche in der Hand in der Mitte der Reitbahn und kommandierte die auszuführenden Bewegungen.
Zuweilen fügte sich das Tier mit wunderbarer Gelehrigkeit in die Absichten des Stallmeisters, zuweilen aber zeigte es sich auch hartnäckig, bäumte sich und stellte sich auf die Hinterfüße. Dann knallte Fräulein von Barjac mit ihrer Peitsche und schimpfte bald auf das Pferd, bald auf den Reiter. Oft befahl sie auch ungeduldig dem Piqueur abzusteigen, und obwohl Buch weiter nichts trug als einen einfachen Trensenzügel und eine leichte Decke, so sprang sie ihm doch gewandt auf den Rücken und nötigte ihn, das verlangte Manöver auszuführen. Dann sprang sie wieder herunter, nahm ihre Peitsche wieder zur Hand und sagte zu Maurissot: »Morbleu, alter Tölpel, schämst du dich nicht über deine Ungeschicklichkeit? Buch ist mutwillig, aber nicht boshaft, und du weißt ihn bloß nicht zu fassen. Du bist gleich viel zu ungestüm gegen ihn, anstatt ihm ein wenig Zeit zu lassen, um über das nachzudenken, was du von ihm erwartest. Ventre de loup! Der Vernünstigste von euch beiden ist nicht der, welchen man dafür hält!«
Jedes Mal, wo sie dergleichen in ihrem schönen Mund so übel klingende Ausdrücke fallen ließ, rief eine klagende, seufzende Stimme hinter ihr: »Heilige Jungfrau! Fräulein, da flucht Ihr trotz Eures Versprechens ja schon wieder! Was werden die frommen Väter sagen, wenn sie sehen, dass ich Euch so schlecht erziehe? Ich werde wenigstens exkommuniziert werden.«
»Gut, gut, Schwester Magloire!«, entgegnete Christine in verächtlichem Ton. »Kümmere dich nicht, was diese verwünschten Schwarzkittel sagen oder tun werden.«
»Diese verwünschten Schwarzkittel! Das ist ja offenbare Lästerung! Ach, mein liebes Kind, wollt Ihr denn durchaus Eures Seelenheiles verlustig gehen? Gott verzeihe Euch Eure Sünden!«
Schwester Magloire, die dies sagte, saß in einem Winkel der Reitbahn. Durch Blumenkästen gegen das Ausschlagen des mutwilligen Buch geschützt, strickte sie ihrer Gewohnheit gemäß einen wollenen Strumpf. Die Gouvernante des Fräuleins von Barjac trug in dem Schloss ihre Tracht als Ursulinerin. Sie war eine Frau von fünfzig Jahren, deren Manieren verrieten, dass sie früher in der Welt gelebt hatte.
Sie galt für sehr unterrichtet, was aber ganz besonders ihr zu der Ehre verholfen hatte, zu Christines Lehrerin auserkoren zu werden, war ihre unverbrüchliche Geduld, ihre tiefe Frömmigkeit, welche sie Ungerechtigkeiten, Härte und sogar Beleidigungen mit stiller Ergebung ertragen ließ. Diese Tugenden der Schwester Magloire wurden – wir müssen es sagen – oft auf sehr harte Proben gestellt. Die Nonne teilte sich mit dem Chevalier von Magnac in die Regierung des Schlossen und sie lösten einander fortwährend ab, um ihr Zögling unter die Disziplin des Anstandes zu beugen.
In dem Haus hatte die fromme Schwester das erste Wort. Sie hielt lange Predigten und bot alle Rührmittel auf, um Christine in den Schranken des Dekorums zu halten.
Außerhalb des Hauses war es der steife und phlegmatische Chevalier von Magnac, welcher seiner jungen Herrin, sei es nun zu Fuß oder zu Pferde, überall folgte. Weniger beredt und ganz besonders weniger wortreich als Schwester Magloire begleitete er jede seiner Vorschriften mit einem kurzen, absoluten Spruch gleich einem Axiom. Hatte er aber einmal seinen Entschluss gefasst, so hätte er sitch eher in Stücke reißen lassen, als nachgegeben. Diese kaltblütige Hartnäckigkeit hatte in der Regel bei dem ungestümen jungen Mädchen mehr Erfolg als die unendlichen Predigten der Nonne.
Dennoch aber ertrug Fräulein von Barjac, wie man sich leicht denken kann, diese doppelte Überwachung nur mit außerordentlichem Missbehagen.
Sie hatte trotz ihrer beklagenswerten Erziehung ein gutes Herz und genug natürlichen Verstand, um die Vortrefflichkeit des Zieles, auf welches man abzweckte, einzusehen. Aber dieses immerwährende Hofmeistern erbitterte sie und reizte ihren Stolz. Man konnte nicht sagen, dass sie ihre allzu eifrigen Beschützer hasste, wohl aber fand sie Vergnügen daran, ihre eifersüchtige Wachsamkeit zu täuschen, ihnen irgendeinen lustigen Schelmenstreich zu spielen und sie auf tausenderlei Weise zu necken.
Dieses Benehmen brachte den ehrlichen Chevalier und die arme Schwester Magloire oft zur Verzweiflung. Obwohl ihr Leben auf dem Schloss übrigens ein recht angenehmes war, so hatten sie doch schon viele Male auf dem Punkt gestanden, einer Mission zu entsagen, die nur von so negativen Ergebnissen begleitet war.
Während Fräulein von Barjac die raschen Evolutionen ihres Pferdes verfolgte, wurde die Nonne fortwährend genau von allem unterrichtet, was in dem andern Teil des Schlosses vorging. Auf der Schwelle einer benachbarten Tür erschien von Zeit zu Zeit eine Zofe in der malerischen Fracht der Provinz, sagte der geduldigen Schwester einige Worte und entfernte sich sofort wieder.
Diese flinke Botin war von dem Chevalier gesendet, um der Gouvernante die vornehmen Gäste zu melden, welche nacheinander ankamen, und um sie zu veranlassen, ihre gemeinsame Herrin sobald wie möglich an die Pflichten der Gastfreundschaft zu erinnern.
Die Nonne war damit ganz einverstanden und hatte schon mehrmals die Dressurlektion unterbrechen wollen. Ihr störriger Zögling aber hörte nicht auf ihre Bitten, und die Schwester, welche fürchtete, sie durch langes Beharren zu reizen, wartete eine günstige Gelegenheit ab, um zum Angriff zurückzukehren.
Diese Gelegenheit ließ nicht lange auf sich warten. Das Pferd verriet Anzeichen von Müdigkeit, und der alte Piqueur, der infolge seines vorgerückten Alters mehr Mut als Körperkräfte besaß, trocknete sich die von Schweiß triefende Stirn.
Christine forderte daher Maurissot auf, einen Augenblick auszuruhen. Dann setzte sie sich auf eine Bank neben ihre Gouvernante, nahm ihren Hut ab und begann nachlässig ihr schwarzes Haar wieder ein wenig zu ordnen.
»Mein Kind«, fagte Schwester Magloire, diesen Augenblick rasch benutzend, »wäre es nicht Zeit, wieder hineinzugehen? Eine zahlreiche Gesellschaft erwartet Euch in dem Salon und Ihr seid den Herren, welche Eure Besitzungen von dem furchtbaren Tier, welches darin haust, zu befreien kommen, Rücksichten schuldig.«
»Man macht wirklich wegen eines Wolfes ein wenig zu viel Lärm«, entgegnete das Fräulein die Achseln zuckend. »Ich entsinne mich noch, dass mein Vater und der Onkel Hilaire auf einer einzigen Jagd deren sechs erlegten, und so klein ich auch damals war, so wohnte ich doch der Hatz in den damals ganz mit Schnee angefüllten Engpässen der Lozère bei. Ach, Schwester Magloire«, fuhr sie in einem Ton der Rührung fort, welcher bei ihr ziemlich selten war, »du hast meinen guten Vater und meinen armen Onkel Hilaire nicht gekannt. Was waren das für Männer und was für Jäger! Wenn sie noch lebten, so fiele es ihnen nicht ein, alle diese Großsprecher zu Hilfe zu rufen, die mehr Lärm machen, als wirkliche Dienste leisten. Sie würden sich mit ihren Piqueurs zu Pferde setzen und mit einem Dutzend mutiger Hunde dieser verwünschten, nach Menschenfleisch so lüsternen Bestie sehr rasch den Garaus machen. Aber die Zeiten haben sich geändert. Armer Vater! Armer Onkel Hilaire!«
Und sie wendete das Gesicht weg, wie um eine Träne zu verbergen.
»Ich weiß, mein Kind«, entgegnete die Nonne ruhig, »dass die Herren von Barjac ehrenwerte Männer und erfahrene Jäger waren, obwohl sie gewisse Pflichten gegen Euch auf grausame Weise vernachlässigt haben. Ihr müsst aber deswegen nicht weniger dankbar gegen die guten Nachbarn sein, welche Euch unter den gegenwärtigen Umständen ihren Beistand leihen. Ihr würdet wohltun, wenn Ihr selbst ginget …«
»Palsambleu! Ist denn der Chevalier von Magnac nicht dort? Man hat doch dafür gesorgt, dass ihnen nichts abgeht, hoffe ich?«
»Ohne Zweifel, aber gewisse Personen von Distinktion könnten Eure längere Abwesenheit übel nehmen. Es ist zum Beispiel der junge Graf von Laffrenas da, Brigadier in der Armee des Königs …«
»Nun, so gebt Herrn von Laffrenas einen Spiegel. Er wird keine Langweile haben, solange er sein Gesicht im Glas betrachten kann, sollte er auch die ganze Nacht mit dieser angenehmen Beschäftigung hinbringen.«
»Der Marquis von Brenneville ist auch da.«
»Diesen lasse man den Hundestall besuchen. Er gefällt sich in Gesellschaft von Hunden ausnehmend.«
»Dann sind auch noch der Baron und die Baronin von Florac da.«
»Man setze sie zu Tisch und trage Sorge, fortwährend ihr Glas uud ihren Teller zu füllen. Ich stehe Euch dafür, dass sie meine Abwesenheit nicht bemerken werden, dafern nämlich der Wein und die Speisen nach ihrem Geschmack sind.«
»Mit einem Worte gnädiges Fräulein«, fuhr die Schwester mit etwas unwilliger Miene fort, »es kommen jeden Augenblick Gäste an, gegen welche Ihr nie zu viel Verehrung und Achtung an den Tag legen könnt.«
»Gut, ich sehe schon, wo du hinaus willst, Schwester Magloire. Du erwartest ohne Zweifel diese verwünschten Kutten – ich wollte sagen, einige von jenen Mönchen der Abtei?«
»Ihr solltet in freundschaftlicherer Weise von Euren frommen Wohltätern, von Euren geistlichen Vätern sprechen«, entgegnete die Gouvernante unmutig. »Wohlan, ja, Fräulein, man hat ein Zimmer für einen oder mehrere der ehrwürdigen Väter in Bereitschaft gesetzt.«
»Dann möge der Teufel …«
»Fräulein!«
Christine biss sich auf die Lippen und trommelte mit ihrem kleinen, in einem Maroquinstieselchen stehenden Fuß auf den Boden.
Schwester Magloire seufzte und hob die Augen gegen denHimmel, ein sicheres Zeichen, dass sie im Begriff stand, einen langen Vortrag über die unziemlichen Worte ihres Zöglings zu beginnen, als die Zofe die Ankunft des Baron von Laroche-Boisseau meldete.
Diese Meldung gab den Gedanken des Fräuleins von Barjac sofort eine andere Richtung.
»Laroche-Boisseau!«, rief sie. »Das freuet mich! Das ist ein flotter Kumpan – man wird sich hier amüsieren, wie zu der Zeit – wie in der vergangenen Zeit. Wirklich, Schwester Magloire«, fuhr sie fort, indem sie sich rasch erhob. »Du hast recht, ich will hineingehen.«
Die Gouvernante teilte jedoch Christines Vorliebe für den Baron durchaus nicht und blieb unbeweglich auf ihrem Platz.
»Ja der Tat,« entgegnete sie, »ich kann die auffallende Bevorzugung, welche Ihr Herrn von Laroche-Boisseau bezeigt, nicht begreifen. Er ist, wie man erzählt, ein Verschwender, ein Wüstling, vielleicht sogar ein Feind unserer heiligen Religion …«
»Er ist ein munterer Jäger, ein vollkommener Kavalier, ein jovialer Zecher – was er sonst noch weiter ist, danach habe ich mich noch nie erkundigt«, hob Fräulein von Barjac in sorglosem Ton wieder an. »Und übrigens belästigt er mich auch mit Abgeschmacktheiten und faden Komplimenten wie die anderen. Aber soll ich dir sagen, Schwester Magloire, woher deine Vorurteile gegen ihn kommen? Weil er mir gefällt. Du bist stets so gegen die Leute, welche mir gefallen, aber morbleu! Ich werde nur nach meinem Kopf handeln.«
Sie ging langsam auf ihren Piqueur zu, welcher den Arm durch die Zügel seines Pferdes gesteckt hatte, dastand und verschnaufte.
»Wir müssen der Sache ein Ende machen, Maurissot, sagte sie. Da du aber müde bist, so werde ich die Lektion selbst beenden.«
Sie schwang sich ohne Mühe auf den Rücken des schönen Tieres, welches sofort anmutig zu kourbettieren begann, wie um seine Freude zu erkennen zu geben.
Die schöne Amazone ließ es einige Augenblicke lang die schwierigsten Evolutionen durchmachen, rasch die Gangart wechseln und plötzlich mitten in gestrecktem Galopp stehen bleiben. Endlich gab sie, mit der Gelehrigkeit des Pferdes zufrieden, ihrem alten Piqueur einen geheimnisvollen Wink.
»Und nun die letzte Regel der Grammatik!«, sagte sie lächelnd.
»Wünscht Ihr, mein Fräulein, dass ich Euch …«
»Still!«, sagte das mutwillige Kind.
Sie zeigte auf die Schwester Magloire, welche wieder ihren Strickstrumpf zur Hand genommen hatte.
Maurissot verstand ihre Gedanken und lächelte seinerseits verschmitzt, denn er war der Schwester, die ihn bei jeder Gelegenheit ebenfalls hofmeisterte, nicht gut.
Er holte daher aus einem Winkel zwei Sattelpistolen, welche er seiner jungen Herrin schweigend überreichte. Diese begann wieder in der Reitbahn rund herum zu galoppieren. Als sie an der Nonne vorbeikam, legte sie eine der Pistolen zwischen die emporgerichteten Ohren des Pferdes und gab Feuer.
Bei dem unerwarteten Knall fuhr Schwester Magloire erschrocken in die Höhe, während sie ein klägliches Jesus! Mein Gott! ausstieß und die mutwillige Christine ein lautes Gelächter aufschlug.
»Aber, liebe Schwester«, rief sie, »wirst du dich denn niemals ans Feuern gewöhnen? Bei meiner Seele, ich glaube, dass Buch selbst ein wenig gestolpert ist. Das werde ich nicht leiden, Monsieur Buch! Ich werde noch einmal anfangen. Und wenn du ein Glied zuckst – fürchte dich diesmal nicht, Schwester Magloire, es ist keine Gefahr dabei, das weißt du ja.«
Sie drückte ihre zweite Pistole ab. Die Flamme des Pulvers versenkte Buchs Mähne, dennoch aber schien das Tier es nicht zu bemerken und nichts störte die Regelmäßigkeit seines Schrittes.
»So ist es recht!«, rief Christine triumphierend.
Sie stieg ab. Während sie den glatten, glänzenden Hals ihres Pferdes streichelte, trat der Piqueur hinzu, um ihr die Zügel abzunehmen.
»Ich habe dich vorhin hart angelassen, mein armer Maurissot«, sagte Fräulein von Barjac in freundschaftlichem Ton. »Ich hatte unrecht; verzeihe mir. Buchs Dressur ist vollkommen. Lass mich nicht vergessen, daß ich dir einige Louisdor schuldig bin, damit du auf meine Gesundheit trinken kannst.«
Der alte Diener erschöpfte sich in Danksagungen, als das seltsame Mädchen ihm den Rücken wendete und sich der Schwester Magloire näherte. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Nonne weinte.
Überraschung und Kummer verdrängten sofort den freudigen Ausdruck aus ihren Zügen. Sie schlang ihre Arme um den Hals ihrer Gouvernante und sagte in bewegtem Ton: »Was fehlt dir denn, liebe Schwester? Solltest du wohl einen Scherz so übel genommen haben? Verzeihe mir … ich will mich bessern … komm, umarme mich … ich will, dass du mich umarmst.«
»Mein Fräulein«, sagte die arme Nonne, indem sie ihren Zögling sanft hinwegdrängte. »Ihr seid grausam gegen mich. Meine Geduld ist ebenso zu Ende wie mein Mut. Ich kann tun, was ich will … Ihr liebt mich nicht … Ihr hasst mich.«
»Nein, das ist nicht wahr! Ich liebe dich!«, entgegnete Christine mit ihren gewöhnlichen Ungestüm. »Ja, ich liebe dich, liebe Schwester, aber gu bist gut und ich, ich bin schlimm. Schon hundert Mal habe ich mir diese verwünschten Streiche abgewöhnen wollen, und ich weiß nicht welcher Teufel … na, hege diesmal noch keinen Groll gegen mich … ich werde mich bessern, ich schwöre es dir. Na, nicht wahr, nun ist es wieder gut? Umarme mich!«
Sie fasste mit ihren beiden Händen das blasse, runzelige Gesicht der Nonne und küsste es wiederholt.
Schwester Magloire konnte nicht umhin, durch ihre Tränen hindurch zu lächeln, als sie Christine so offen ihr Unrecht eingestehen sah.
»Ach, Fräulein«, sagte sie, »Ihr missbraucht meine Nachsicht, meine Schwäche. Zuweilen aber glaube ich …«
»Na, du willst wohl schon wieder anfangen? Du hast mir ja verziehen! Warte, um dich zu belohnen, sollst du sehen, wie höflich und liebenswürdig ich mit diesen vornehmen Leuten sein werde. Du sollst mich selbst nicht wiedererkennen. Selbst bei Hofe soll man keinen so süßen Zuckermund finden, wie ich sein werde. Ich verspreche dir, ein freundliches Gesicht zu machen, selbst deinen – Mönchen. Hast du mir nicht gedagt, dass du den Besuch des Pater Jerome, des Klosterökonomen, erwartest?«
»Nein, Fräulein. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Se. Hochwürden der Pater Prior selbst Euch bei dieser feierlichen Gelegenheit haben besuchen wollen.«
»DerPrior! Das ist der am wenigsten Strenge und doch der, welchen ich am meisten fürchte. Und glaubst du, meine Schwester«, fuhr sie mit erheuchelter Gleichgültigkeit fort, »glaubst du, dass er allein komme?«
»Vielleicht wird er sich wie gewöhnlich von seinem Neffen, jenem vortrefflichen Monsieur Leonce, haben begleiten lassen.«
»Von Leonce!«, entgegnete Christine zusammenzuckend. Fast in demselben Augenblick setzte sie mit Lebhaftigkeit hinzu: »Gehen wir, gehen wir, meine liebe Schwester. Wenn du meinen guten Willen wieder erkalten lassen willst, so stehe ich dann für nichts mehr.«
Und sie wollte die Nonne mit sich fortziehen.
»Ich gehe mit, mein Kind«, sagte Schwester Magloire, indem sie ihre Arbeit zusammenwickelte. »Aber Ihr könnt Euch doch nicht in diesem Reitkleid der edlen Gesellschaft präsentieren, welche sich in diesem Augenblick im Schloss befindet. Ihr werdet in Euer Zimmer gehen und erlauben, dass man Euch ankleide und frisiere, wie es einer jungen Dame von Eurem Stand zukommt.«
»Ach, pfui doch!«, entgegnete Fräulein von Barjac, den Mund verziehend. »Ich soll mir wohl einen halben Scheffel Mehl ins Haar streuen lassen und jenen großen Reifrock anziehen, den man mir von Paris geschickt hat? Das will ich nicht. Ich könnte dann weder sprechen, noch gehen, noch mich bewegen. Ich bin so ganz gut gekleidet, denn so fühle ich mich behaglich. Man wird mich schon nehmen, wie ich bin.«
»Aber, Fräulein …«
»Aber morbleu, Schwester Magloire, warum willst du nicht auch die Kleidung wechseln?«
»Ich, mein Kind, ich bin eine Nonne und darf ohne ausdrückliche Erlaubnis meiner Superiorin das Kleid meines Ordens nicht ablegen.«
»Nun gut, und ich will mein Reitkleid auch nicht ablegen.«
Und die halsstarrige junge Dame setzte mit schalkhaftem Ausdruck ihren Hut auf das Ohr und ging mit so raschen Schritten, dass Schwester Magloire ihr kaum zu folgen vermochte, in den großen Salon.