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Der bayerische Hiesel – Teil 50

Ma­thi­as Eten­hu­e­ber, Kur­fürst­li­cher Hof­po­et

Mo­ra­li­sche Ge­dan­ken über den so­ge­nann­ten baye­ri­schen Hie­sel,
wel­cher den 6. Sep­tem­ber 1771 zu Dil­lin­gen durch die Hand des Scharf­rich­ters
von oben he­rab ge­rä­dert, des­sen Kör­per in vier Tei­le zer­haut,
die­se auf die Land­stra­ßen ge­hängt,der Kopf aber auf den Gal­gen ge­steckt wor­den.

Zu fin­den bei Jo­seph Waa­gus, Kup­fer-Ver­le­ger in Ja­ko­ber-Vorstadt im Farb­hö­fel in Augs­burg. Nebst dem Por­trait.

Der Hie­sel ist nun tot, der Frie­dens­stö­rer ruht,

der Wald­ty­rann liegt zer­quetscht in sei­nem Blut,

das ei­sen­fes­te Herz, die ei­sen­fes­ten Glie­der

sind durch das Rad ent­zwei, der Hie­sel kommt nicht wie­der,

ist fort, ist ewig fort, und steht nicht wie­der auf,

der Last­er­haf­te hat voll­en­det sei­nen Lauf.

Der scheuß­li­che Bar­bar ist durch ver­ruch­tes Mor­den

zu sei­ner Schan­de bloß der Erde kund­bar wor­den.

Er, die­ser Bö­se­wicht nebst sei­nem gro­ßen Hund

zer­fleisch­te, würg­te, riss, schlug al­les tod und wund.

Sein gan­zes Le­ben war nach eid­li­chen Be­rich­ten

ein schwar­zes Ta­ge­buch von Raub- und Mord­ge­schich­ten,

ein Ab­grund, ein Ge­misch von Stolz und Ra­se­rei,

Ver­här­tung, Ei­gen­sinn und Blut­durst noch da­bei.

Der Frev­ler wuss­te nichts von Sanft­mut und ver­scho­nen,

er wag­te sich so­gar an hohe Stand­sper­so­nen.

Er ging dem Wil­de nach und wur­de selbst zum Wild,

ein Fuchs an Lis­tig­keit,an Wut des Ti­gers Bild.

Sein Trotz ver­lach­te nur die Schär­fe der Man­dan­ten,

die ihn als vo­gel­frei schon längst er­klä­ret hat­ten.

Er war der Wäl­der Furcht, des Jä­ger­volks Sa­tyr,

die Gei­sel Schwa­ben­lands, ein Bär, ein wil­der Stier.

Wer wagt sich un­ge­straft an die­ses Un­ge­heu­er,

das im­mer schnaubt, und brüllt, und Flü­che, Gift und Feu­er

aus sei­nem Ra­chen wirft? Kein Jä­ger, kein Sol­dat

kam ohne Schuss da­von, der ihm zu nahe trat.

Durch die Ver­fol­gung selbst ward die­ser Un­mensch bö­ser,

roch er Ge­fahr, so war der Stut­zel sein Er­lö­ser,

der macht ihm wie­der Luft, der brach ihm neue Bahn.

Sein höll­scher Cer­be­rus fiel al­les ra­send an.

Wie vie­len Strei­fen ist er un­ver­letzt ent­gan­gen?

Wer war so stark und schlau, den Hie­sel ein­zu­fan­gen?

In längs­ter Zeit kein Mensch: Denn wer ihm nbur ge­droht,

dem schwur er fürch­ter­lich Schimpf, Wun­den oder Tod.

Der Pol­ter­geist durch­zog mit sei­ner Räu­ber­ban­de,

als wie ein schnel­ler Blitz das gan­ze Schwa­ben­lan­de.

Wo­hin er im­mer ging, ging Tod und Schre­cken mit,

Ver­wüstung, Gräu­el und Blut be­zeich­net je­den Schritt.

Sein Herz be­brü­te­te die schwär­zes­ten Ver­bre­chen,

die Un­ver­söhn­lich­keit, sich an dem Feind zu rä­chen,

sein stei­ner­nes Ge­müt, der un­er­loschne Hass,

die mach­ten, dass er gar die Mensch­lich­keit ver­gaß.

Nach Tie­ren fing er an auch Men­schen­fleisch zu fäl­len,

stolz und ver­wahrt ge­nug durch sei­ne Raub­ge­sel­len,

von wel­chen er das Haupt, Herr und Re­gen­te war.

Sie teil­ten auch mit ihm den Raub, und die Ge­fahr.

Sein Bub, dem Meis­ter gleich an Schand- und Bu­benstü­cken,

ver­stand so gut wie er, den Stut­zel los­zu­drü­cken,

und al­les das zu tun,was ihm sein Herr be­fahl.

Er fass­te sei­nen Mann und plün­der­te und stahl.

Die gan­ze Rot­te mit Ver­we­ge­nen! Be­den­ket,

dass noch ein Rich­ter lebt, der es euch lan­ge schen­ket,

doch zur be­stimm­ten Zeit um des­to här­ter straft,

Ihr fällt noch ganz ge­wiss in sei­ner Hän­de Kraft,

hört das ver­goss­ne Blut zu Gott um Ra­che schrei­en.

Er wird des Don­ners Brand auf eure Häup­ter streu­en,

Sie kommt, sie bleibt nicht aus, die fest­ge­setz­te Zeit,

die euch be­loh­nen wird für eure Grau­sam­keit.

Doch die Vers­tock­ten sind, sie sind nicht zu be­keh­ren,

weil ih­rer Ket­ten Last Na­tur und Zeit er­schwe­ren.

Ge­wohn­heit ist ein Stein, den kaum der Stärks­te hebt,

ein an­ge­sess­ner Wurm, der im­mer wei­ter gräbt,

ein Na­gel, der tief in ei­ner Mau­er rostet,

und noch so vie­le Müh he­raus­zu­zie­hen kostet.

Ein Schlaf­trunk, der den Laib so un­emp­find­lich macht,

dass er vor sei­nem Tod gar sel­ten auf­er­wacht.

Ein Garn, in wel­ches man sich des­to mehr ver­sen­ket,

je hef­ti­ger der Mensch sich los­zu­las­sen den­ket.

Sie ist das Schwes­ter­kind der sün­di­gen Na­tur,

und eine Seu­che, die sich durch die Gal­gen­kur

al­lein ver­trei­ben lässt. Von Die­ben und von Räu­bern

muss die Ge­rech­tig­keit den Erd­en­bo­den säu­bern,

der schärfs­ten Stra­fen Zwang, das blu­tigs­te Ge­richt

ver­til­get doch die Schar der Raub­evö­gel nicht.

Sie die­se Rot­te will noch bet­teln we­der gra­ben,

und gleich­wohl lus­tig sein, und doch zu es­sen ha­ben.

Das schöns­te Acker­geld trägt ohne Schweiß kein Brot,

wer schläft zur Som­mers Zeit, den drückt des Win­ters Not.

Der Ruf ver­brei­te­te des Hie­sels Ruhm je­des­sen.

Und die­ses mach­te ihn um des­to mehr ver­mes­sen.

Er schoss und plün­der­te noch är­ger als zu­vor,

der Sieg war stets bei ihm, und der Sol­dat ver­lor

das Le­ben, und zu­gleich den Küzel ihn zu fan­gen.

Er dürf­te wohl noch gar mit fri­scher Beu­te pran­gen.

Dem meis­ten Bau­er Volk war die­ser Wald­gott lieb,

weil er des Wil­des Geiz von ih­ren Fel­dern trieb.

Man brann­te vor Be­gier, den Wun­der­mann zu se­hen,

dem Jä­ger und Sol­dat nicht könn­ten wi­derste­hen.

Der Jä­ger An­ti­christ ging bald in Kup­fer aus,

man strich noch sein Ver­gehn mit vie­lem Lob he­raus,

be­wun­der­te, be­sang die gröbs­ten Last­er­ta­ten,

weil we­ni­ge da­von den rech­ten Ab­riss hat­ten.

Kein Haus war auf dem Land, kein Haus fast in der Stadt,

wo nicht der Hie­sel stand auf ei­nem Kup­fer­blatt.

Es hielt ihn alle Welt für ei­nen Ei­sen­fres­ser,

sein Ruhm ver­mehr­te sich, der Held ward täg­lich grö­ßer.

Doch da er wirk­lich noch die Hof­fards­fah­ne schwang,

so neig­te sich be­reits sein Glück zum Nie­der­gang.

Die Zeit der Ra­che kam, sie kam mit schnel­len Schrit­ten.

Das Sün­den­maß war voll durch vie­les Blut­ver­schüt­ten.

Sein letz­ter Auf­tritt selbst zu Oster­zell be­stimmt,

ein star­kes Krie­ger­korps kam jäh­ling und er­grimmt

den Räu­bern auf den Hals. Sie kämpf­ten wie die Ti­ger,

doch das Kom­man­do blieb in dem Ge­fech­te Sie­ger.

Und Hie­sel, der nun auch den ers­ten Mut ver­lor,

kroch be­bend und ver­wundt aus sei­nem Loch her­vor.

Rief kläg­lich um Par­don, der ward ihm auch ge­ge­ben,

man ließ ihn aber nur zu sei­ner Stra­fe le­ben.

Und warf ihn wohl­ver­wahrt in tie­fen Schnee hi­naus,

da­rauf durch­such­te man mit al­lem Fleiß das Haus,

ent­waff­ne­te und band die üb­ri­gen Ge­sel­len.

Die ers­te Sor­ge war die Schlit­ten zu be­stel­len,

und die­se stan­den auch in kur­zer Zeit be­reit.

Ein sol­ches Ende nahm des Hie­sels Tap­fer­keit.

Von sei­nen Ta­ten lässt sich jetzt nur so­viel le­sen,

es sei das Rühm­lichs­te an ihm sein Tod ge­we­sen.


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