Archive

Felsenherz der Trapper – Teil 11.3

Felsenherz der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 11
Das Häuptlingsgrab am Juan-Fluss
Drittes Kapitel

Zwei Verräter

Mit donnerndem Geräusch stürzte ein breiter Bach, nachdem er eine kleine Hochebene in den nördlichen Guadalupe-Bergen überquert hatte, eine wohl zwanzig Meter hohe Talwand hinab, zerstäubte auf dem Felsboden unten zu feinster Wassertropfen, bildete einen neuen Bach, der dieses von einem dauernden Sprühregen angefüllte Tal entlangschoss und dann in einen Nebenfluss des Pecos mündete.

Diese Steilwand war nach innen gewölbt, sodass der Wasserfall sie nicht berührte. Zwischen ihr und dem breiten, abwärts schießendem blinkenden Streifen des Falles befand sich vielmehr in halber Höhe des Abhangs ein freier Raum von gut fünf Meter Breite.

Gerade hier hinter dem Vorhang des Wasserfalles zog sich in den dunklen Felsen eine sehr bald zu einer Höhle sich erweiternde Spalte hinein, die man nur mithilfe eines langen Taus oder Lassos, das in Schwingungen versetzt werden musste, erreichen konnte.

Am Nachmittag des folgenden Tages waren die Brüder Samter und der Gambusino nach mehreren missglückten Versuchen endlich mithilfe ihrer Lassos einer nach dem anderen in die Felsspalte hinabgelangt.

Zuerst war Sancho hinabgeklettert, hatte das Lasso zum Pendeln gebracht und sich dann in den finsteren Schlund hineingearbeitet.

Als er hier auf ebenem Boden stand, zündete er die harzigen Kiefernäste an, die er sich als Fackeln auf dem Rücken festgebunden hatte.

Die Äste flammten auf, und bei dieser unsicheren Beleuchtung schritt der Gambusino nun, fast zitternd vor Ungeduld und Spannung, immer tiefer in die Höhle hinein, bis er vor sich ein feines Rauschen vernahm, das infolge des bis hierher dringenden Lärmes des Wasserfalles nur recht schwach klang.

Dann enthüllte ihm der zuckende Schein der qualmenden Fackeln ein seltsames Natursschauspiel. Durch die Deckenwölbung der etwa vier Meter hohen Höhle kam ein dicker Wasserstrahl wie aus dem Strahlrohr einer Spritze schräg heraus und traf den nach der einen Seite etwas geneigten Felsboden dieser Wundergrotte.

Und dieser Wasserstrahl hatte hier nun in vielleicht tausendjähriger Arbeit das Gestein zermürbt und eine breite Rinne ausgewaschen, hatte aber auch eine in dem Fels enthaltene Goldader nicht nur freigelegt, sondern das Gold in Stücke herausgespült, hatte diese Stücke allmählich rund geschliffen und an den Rändern dieses unterirdischen Bächleins abgelagert.

All diese Goldkiesel glänzten und gleißten im Fackellicht wie ein wundervolles Pflaster, mit dem die Ränder des Bächleins eingerahmt waren.

Sie glänzten und gleißten so sinnverwirrend, dass der Gambusino leichenblass vor Erregung wurde, dass ihm die Augen förmlich aus dem Kopf quollen.

Ein wilder Schrei entrang sich seinen bebenden Lippen. »Mein – mein ist es!«

Das Goldfieber hatte ihn gepackt.

Und – was hat dieses unselige Goldfieber nicht schon alles in den Seelen der Menschen angerichtet. Wieviel Blut ist nicht schon aus Goldgier vergossen worden, wieviele bis dahin lautere Charaktere hat nicht schon das Goldfieber zu Verbrechern werden lassen!

So erging es jetzt auch dem Gambusino.

Ein einziger Gedanke nur beherrschte ihn plötzlich: Mit niemandem wollte er diese Schätze teilen! Ihm allein sollten sie gehören! Ihm hatte einst eine Apachin, die ihn liebte, das Geheimnis des Regentales anvertraut. Er war mithin der alleinige, rechtmäßige Besitzer dieser ungeheuren Schätze!

Wie richtig hatte also der Comanchenhäuptling den verderblichen Einfluss dieser Bonanza eingeschätzt, als er ihr Vorhandensein dem Gambusino verschwieg! Wie richtig hatte er auch den Wankelmut der Menschenseele beurteilt, die gegenüber so unermesslichen Reichtümern nur zu leicht jedes Gefühl für Recht und Unrecht verliert! In der Brust des Gambusino wogten bereits finstere, tückische Pläne wie hässliche Nebel umher. Weshalb sollte er diese Schätze mit den Brüdern Samter teilen? Und – würden diese verwegenen Burschen nicht vielleicht im Stillen bereits mit der Absicht umgehen, ihn später zu ermorden? Dann waren sie die einzigen Eigentümer dieser ungezählten Goldkiesel, dann würden sie mithilfe dieses Goldes in Üppigkeit und Reichtum bis ans Ende ihrer Tage dahinleben können! Der Gambusino nahm plötzlich die Büchse von der Schulter.

Er wollte rasch an den Ausgang der Felsspalte zurückkehren, wollte aus Goldgier zum Doppelmörder werden!

Schon hatte er sich halb umgewandt.

Da traf ein furchtbarer Kolbenhieb seinen Hinterkopf. Lautlos brach er auf der Stelle zusammen.

Bill Samters höhnisches Auflachen schrillte durch die Höhle.

Auch er war leichenfahl vor Erregung, auch er stierte nun wie gebannt auf die schillernden Ränder des Bächleins.

Dann erschien auch schon sein Bruder, der als Letzter an dem Lasso hinabgeklettert war.

Will Samter ließ vor freudigem Schreck die Fackel fallen.

»Gold!«, keuchte er. »Gold! Die Bonanza! Das sind Millionen und Abermillionen!«

Will aber raffte sich auf, holte aus der Jagdtasche eine Blechflasche mit Brandy hervor und hielt sie dem Bruder hin.

»Trink!«, sagte er dumpf. »Wir müssen unsere fünf Sinne beieinander behalten! Vergiss nicht, dass es nun zu leicht möglich ist, dass Felsenherz und Chokariga mit dem verdammten Tom Pick, dem Polizeimeister, dort in der Prärie Zusammentreffen und dann sich selbst fragen, wo der Gambusino gebliebeu ist! Sie werden ohne Zweifel hierher kommen, falls Tom Pick ihnen begegnet! Wir haben also allen Grund, schleunigst die Schätze in Sicherheit zu bringen!«

Will trank, und auch der ältere Samter goss ein paar Schluck des scharfen Branntweins hinab und fügte dann hinzu: »Am besten ist, wir werfen den Gambusino in den Wasserfall! Dann mag man ihn suchen. Was erst da unten im Sprühregen des Falles gelandet ist, kommt nicht wieder zum Vorschein!«

Will schüttelte jedoch den Kopf. »Keinen Mord mehr«, meinte er leicht zusammenschaudernd. »Binden wir ihn! Wenn es ihm gelingt, sich zu befreien, wenn er wieder das Bewusstsein zurückerlangt hat, dann … dann kann er uns nur dann etwas schaden, wenn Felsenherz wirklich hier die Bonanza aussuchen sollte, weil er ja ohne fremde Hilfe nicht wieder die Höhe der Talwand erklimmen kann!«

Bill lachte grausam. »Gut – mag er leben bleiben! Binde ihn, Will! Ich werde die Goldkiesel in die Felle packen.«

Der Abend nahte. Soeben hatte Bill, auf der Höhe der Felswand neben dem Wasserfall stehend, das letzte prallgefüllte Fell hinaufgezogen, als er zufällig einen Blick auf die gegenüberliegenden Anhöhen warf, die das Regental umgaben.

Dort war soeben ein Indianer aufgetaucht, ein Apache, der nur, ohne Bill Samter zu bemerken, über eine Felsterrasse schlich und dabei sein Blick stets suchend auf dem Boden umherschweifen ließ.

Bill hatte sich sofort hinter ein Gestrüpp am Rand des Abgrundes geworfen.

»Pest!«, fluchte er. »Was tut die rote Bestie hier? Sancho sagte doch, der Große Bär sei mit der ganzen Bande hinter ihm und seinen Begleitern her. Dann konnte sich doch keiner der rothäutigen Schufte hier noch herumdrücken?«

Der Apache suchte drüben offenbar nach Spuren.

Während Bill ihn noch beobachtete, tauchte ein zweiter Krieger auf. Beide sprachen nun miteinander, machten allerlei Handbewegungen und verschwanden wieder hinter ein paar Tannen.

Dann kletterte auch schon der jüngere Samter am Lasso empor.

»Die Apachen streichen hier herum«, flüsterte Bill hastig, als er dem Bruder auf festen Boden half. »Binde die Lassos von der Eiche los. Ich hole die Pferde. Jetzt gilt’s, den roten Halunken zu entwischen!«

Die Fellbündel wurden dann den drei Pferden aufgeladen. Auch Sanchos Fuchs musste so über einen Zentner Goldkiesel schleppen.

Es wurde schnell dunkel, was den beiden Desperados nur angenehm sein konnte.

Bill schritt voran. Der Jüngere folgte mit den zu einer Reihe aneinander gebundenen Pferden.

Kaum hatten sie das Felsplateau verlassen, als aus einem nahen Dickicht fünf Indianer hervorkrochen, alles nur mittelgroße, schmächtige Gestalten, alle nur mit Messer und Tomahawk bewaffnet.

Es waren Navajo, und zwar die Überlebenden eines Trupps, der hier in den Guadalupe-Bergen vor drei Tagen von den Apachen fast völlig aufgerieben worden war, wie dem Leser noch aus dem vorherigen Band bekannt sein dürfte.

Diese fünf Navajo waren vor einem Tag hierher geflüchtet, weil der Große Bär durch zwölf seiner Krieger alle Schluchten und Täler nach versprengten Feinden absuchen ließ und weil diese zwölf Apachen die Navajo bereits einmal fast erwischt hätten.

Einer der fünf trug im schwarzen, straffen Haar drei Adlerfedern und um den Hals eine Kette von Bärenkrallen. Es war Saßtaluma, der Heulende Wolf, der Häuptling der Navajo.

Auch er hatte vorhin die beiden Apachen bemerkt. Er wusste jetzt, dass die Apachen ihm und den seinen wieder dicht auf den Fersen waren.

Rasch verteilte er seine vier Krieger hinter Felsblocken und Gestrüpp. Nur einen schickte er den Brüdern Samter als Späher nach.

Die beiden Apachen erschienen tatsächlich sehr bald hier auf dem Plateau. Sie bewegten sich sehr vorsichtig, hielten ihre einläufigen Flinten schussbereit im Arm und schritten, immer wieder nach Spuren suchend, tief gebückt dahin.

Saßtaluma, von Rachgier gegen die Apachen erfüllt, ließ die Späher ganz nahe herankommen.

Ohne jeden Laut schnellte er sich dann vorwärts.

Und zweimal traf seine blinkende Streitaxt die bis mit die Skalplocke kahlgeschorenen Köpfe der Apachen.

Sie brachen zusammen. Saßtalumas Rechte schwang gleich darauf zwei blutige Skalpe in der Luft.

Die Leichen wurden in eine Felsspalte geworfen, und die Blutspuren sorgfältig ausgetilgt. Dann folgten die vier Navajo den Desperados, die inzwischen bereits den Nebenfluss des Pecos erreicht hatten und dort bei anbrechender Nacht eiligst sechs Baumstämme, die entwurzelt im Wasser lagen, zu einem Floß zusammenbanden.

Der einzelne Navajo, den Saßtaluma den Brüdern Samter nachgeschickt hatte, war nun, während die Desperados noch an dem Floß arbeiteten, in der Nähe im Ufergestrüpp verborgen.

Das Floß stieß dann vom Land ab. Die drei Pferde wurden von Will Samter gehalten. Bill, der Ältere, handhabte einen zur Stoßstange zugehauenen dünnen Stamm.

Die rasche Strömung entführte das Floß schnell dem Pecos zu. Doch dieselbe Strömung nahm auch einen einzelnen Urwaldriesen mit, in dessen halb aus dem Wasser ragender Krone die fünf Navajo steckten.