Denise Mulligan – Insel-Horror Part 4
Gunter Arentzen
Denise Mulligan
Insel-Horror
Part 4: Die Schwarze Kammer
Zitat:
Nichts stand in seinem Leben ihm so gut, als wie er es verlassen hat. Er starb wie einer, der sich auf den Tod geübt, und warf das Liebste, was er hatte, von sich, als wär’s unnützer Tand.
(Macbeth)
Prolog
Nach dem Gewinn
Simpsons Island, 15. Juli
[…] Einer seiner Kollegen schlendert heran. Er nickt seinem Chef zu, dann kommt er mit ausgestreckter Hand auf mich zu. »Gratulation, Doktor Mulligan!«
Ich erwidere den Händedruck. »Vielen D…«
Sein Lächeln wird zu einer hämischen Grimasse, während sich seine Hand einem Schraubstock gleich um meine schließt. »Du findest das Blut nicht! Der Fluch wird auf ewig bestehen!«
Noch bevor ich begreife, spüre ich zwei heftige Schläge. Einer trifft meinen Magen, der andere meine Brust. Gleichzeitig höre ich ein mir allzu bekanntes Geräusch.
Whup, whup.
Jede Kraft weicht aus meinen Gliedern, meine Beine geben nach und Blut schießt meine Kehle empor.
Dunkelheit greift nach mir, nur undeutlich sehe ich, dass Coppler seinen Kollegen erschießt, dann aber laut nach Sanitätern ruft.
Inzwischen liege ich auf dem kalten Boden und blicke empor zu den Bäumen. Friede umfängt mich, von fern dringt ein leises Wimmern an mein Ohr.
Die Banshee …
Dann ist Milou da und drückt meine Hand.
»Sieht so aus, als würde dir der gesamte Gewinn zufallen«, bringe ich hervor und … lächele. Schmerzen habe ich keine. Mein gesamter Körper ist taub, die Dunkelheit um mich herum wird dichter.
Milou sagt etwas, aber das höre ich schon nicht mehr. Nur das Wimmern der Banshee ist zu hören.
Ich sterbe … und es ist gar nicht mal so schlimm! Seltsam!
Ein Lichtpunkt vertreibt die Dunkelheit des Todes. In ihr sehe ich ein dunkles Wesen; eine Frau, wie ich sie kraftvoller nie sah. Schwarzes Haar umweht ihren Kopf, ein langer, schwarzer Umhang umschmeichelt ihren Körper.
Sie, die Banshee, ist eine Erscheinung der großen Göttin. So, wie auch Morrigan als Göttin der reifen Frau und des Kampfes.
Oder Ceridwen, die in die Jahre gekommene, in Ehren ergraute Frau. Sie ist Andraste, die Göttin des Krieges und sie ist Verbeia, Göttin des Flusses und des Regens.
Nun also erscheint sie in ihrer Form als Todesgöttin, um mich in die Anderswelt zu führen. In eine Anderswelt, denn hiervon gibt es etliche. Natürlich hoffe ich auf Hy Braesil, der besten aller Welten. Dorthin werden jene entrückt, die in ihrem Leben Großes leisten. Der Krieg, aber auch, was in dem Kloster geschah, könnte mich hierfür qualifizieren.
Das Kloster!
Kendra!
Sie wird nun ewig in der kalten Kammer ruhen, gebannt durch einen Fluch, den ich hätte brechen können.
Mein Leben mag enden, aber jenes von Kendra …
Nun, da ich an die Druidin denke, wird mir schwer ums Herz und mein Sterben verliert seine Unbekümmertheit.
Aber noch etwas wird mir klar – ich denke eindeutig zu viel. Dafür, dass mein Lebensende unmittelbar bevorsteht und die Banshee bereits heran ist, arbeitet mein Verstand wundersamerweise auf Hochtouren.
»Was würdest du von mir erbitten, könnte ich dir einen letzten Wunsch gewähren?« Die Banshee blickt mich an, lächelnd, abwartend. Ich sehe ihren forschenden Blick, der tief in meine Seele eindringt und mein Innerstes ergründet.
Was könnte ich mir anderes wünschen, als dass Kendra nicht unter meinem Tod leidet? Was wäre wichtiger, als ihre Freiheit zu erflehen? »Ich …«
»Du musst es nicht aussprechen, denn ich fand die Antwort bereits in deiner Seele. Nicht dein eigenes Leben erbittest du, sondern jenes von Kendra! Aber wisse, dass der Bann so nicht gebrochen werden kann!«
»Dann entsende jemanden, der ihn brechen kann!«, bitte ich. »Wer immer sich auch auf die Reise machen wird, er braucht …«
Ihr Finger berührt meine Lippen, sodass ich schweige.
»Nur wahre Liebe bricht den Bann! Ich kann niemanden entsenden, denn nur, wer sein Leben für einen der Druiden gibt, kann den Fluch aufheben!«
Ich begreife, was sie mir sagen will. »So sei es!«, wispere ich. »Ich erbitte mein Leben, um den Fluch brechen zu können. Ist dies geschehen, magst du mich in die Anderswelt führen, denn dann ist meine Aufgabe erfüllt!«
»Ah … welch verlockendes Angebot!« Die Banshee schüttelt amüsiert den Kopf. »Nun denn, ich verzichte darauf, dich hier und jetzt nach Hy Braesil zu führen. Mögest du gerettet werden von jenen, die um dein Leben kämpfen. Was sein wird, wenn du deine kleine Quest beendet hast, wird sich zeigen. Du wirst eine andere Frau sein …«
Sie lächelt, doch nun hat ihr Blick etwas Trauriges. »Mit einer Rückkehr in dein Leben werden auch all die Sinneseindrücke zurückkehren, die bislang geblockt waren. Dazu zählt auch …«
»… der Schmerz!«, wispere ich.
Sie nickt, küsst meine Lippen – und damit verblasst ihre Erscheinung. Die Dunkelheit weicht, ich spüre die Schmerzen, welche die Kugeln in meinem Körper verursachen.
Und nicht nur die! Es ist kein Zuckerschlecken, wenn Nano-Bots an das Herz andocken und es mit 350 Joule dazu zu bewegen versuchen, endlich wieder seinen Job zu tun.
Im Gegenteil!
Ein Schrei entflieht meinen Lippen, als ich mich in höchster Qual aufbäume. Einem Reflex folgend will ich mir die Sauerstoffmaske vom Gesicht reißen, doch Milou verhindert es. Ich blicke in ihr tränennasses Gesicht, spüre ihre sanfte Berührung und dies schenkt mir seltsamerweise ein wenig Erlösung.
Ich sinke zurück, gestützt von einem Sanitäter. Jemand ruft, dass sie zurück ist und die Bots umschalten sollen.
Nur Sekunden später verschwinden meine Schmerzen. Offenbar docken die Bots nun im Rückenmark an und blockieren dort die Schmerzreiße vollständig.
Nun erst entdecke ich die Kamera-Drohnen, die über mir hängen wie Geier, die auf mein Ableben warten. Sie übertragen jede meiner Regungen und lassen die Meute, die gebannt den Ausgang dieses Kampfes um Leben und Tod verfolgten spontan in Hochrufe und Applaus ausbrechen.
Sollen sie!
Milou hält auch weiterhin meine Hand. Obwohl ich inzwischen auf einer eGrav-Trage liege und – begleitet von den Sanitätern – zu einem wartenden Quad-Copter gebracht werde.
»Bleib hier … und feiere!«, wispere ich. »Alles … wird gut!«
»Spinnst du? Feiern, während du mit dem Tode ringst?«
»Ich … ringe … nicht. Ich … habe … mit der … Banshee einen Handel … abgeschlossen. Sie … schenkt mir das Leben … bis ich … Kendra … befreit habe! Anschließend … mag sie tun, was immer … sie tun möchte!«
Einer der Sanitäter sagt, dass ich wohl fantasieren würde. Die Bots hätten hin und wieder diese Wirkung.
Doch Milou weiß, dass ich nicht fantasiere. Sie glaubt mir jedes einzelne Wort, und das macht die Sache für sie nicht besser. Nun weiß sie, dass ich ein Leben auf Zeit geschenkt bekam. Dies hier, das war keine Rettung. Entscheidet sich die Banshee, mich nach Hy Braesil zu führen, war es lediglich ein Aufschub.
Aber das wird sich zeigen, wenn es soweit ist! Und das kann, wenn die Göttin nicht übertrieben hat, noch etliche Zeit dauern.
Die vollständige Story steht als PDF, EPUB und MOBI zur Verfügung.
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