Ausschreibung
Sternenlicht-Anthologie

Download-Tipp
Band 6

Heftroman der Woche

Archive
Folgt uns auch auf

Schwäbische Sagen 36

Schwäbische-Sagen

Siebentes Kapitel
Himmel und Gestirne

Der Mann im Mond

1.
Eine mündliche Überlieferung aus Reutlingen

Ein Weingärtner arbeitete einst noch bei Mondschein in seinem Weinberg und machte Rebenbüschele«. Zur Strafe dafür wurde er in den Mond verwünscht und muss noch immer darin »schweben«. Ein Rebenbüschele trägt er an einem Stock auf dem Rücken. Deshalb sagt man wohl, wenn jemand bei Mondschein noch arbeitet, was viele für sündhaft halten: »Hör doch auf, du kommst sonst auch in den Mond!«

2.
Eine mündliche Überlieferung aus dem Schwarzwald

Im vorderen Schwarzwald, in der Umgegend von Kalw und Liebenzell erzählen sich die Leute, dass die dunklen Flecken, welche man im Vollmond sieht, von einem Mann herrühren, der in den Mond verwünscht worden war. Dieser Mann stahl am Sonntag, wo er meinte, dass die Jäger und Forstleute nicht im Wald sein würden, ein Büschele Besenreiser und trug es auf dem Rücken heim. Da begegnete ihm aber im Wald ein Mann, und das war der liebe Gott. Der stellte ihn zur Rede, dass er den Sonntag nicht heilig halte, und sagte zugleich, dass er ihn dafür bestrafen müsse, fügte jedoch hinzu, dass er die Strafe sich selbst auswählen dürfe: ob er entweder in den Mond oder lieber in die Sonne verwünscht sein wolle.

Darauf versetzte der Dieb: »Wenn es denn sein muss, so will ich lieber im Mond erfrieren, als in der Sonne verbrennen.«

Und so ist er mit seinem Bündel Besenreiser auf dem Rücken in den Mond gekommen, was man noch deutlich erkennt, wenn man genau hinsieht. Man nennt diesen Mann gewöhnlich das »Besenmännle«.

Einige erzählen auch: Damit das Besenmännle im Mond nicht erfrieren könne, habe ihm der liebe Gott das Holzbüschele auf dem Rücken angezündet, und das brenne jetzt noch immerfort und werde nicht erlöschen.

3.

Der Mann, den man im Vollmond sehen kann, heißt das Besenmännle, weil er am Sonntag Besenreis geschnitten hatte. Da traf ihn aber Gott der Herr im Wald und zog ihn sogleich zur Verantwortung und stellte es ihm frei, ob er in die Sonne oder in den Mond verwünscht sein wollte.

Da antwortete der Mann:

Haun ihs daun,
So komm ih in Maun;
Hann ih g’sponne,
So komm ih in d’Sonne.

Darauf ist er in den Mond verwünscht worden. So erzählt man in Oberschwaben, in Tieringen und sonst, und nennt den Mann auch das Mondmännle, Maunmännle. In der Umgegend von Ulm hat man auch noch den Spruch:

Das Mändle im Mon,
Was hat es denn don?
Hat Büschele trage,
Jetzt muss es verzage.

4.
Eine mündliche Überlieferung aus Kirchentellinsfurt

Ein Bauer hatte eines Sonntags im Wald Holz gestohlen und trug es in feiner »Kräbe« (Tragkorb) auf dem Rücken heim.

Wie er aber ins Dorf kam, sah ihn der Pfarrer und rief ihm zu: »Ei Frieder, wo kommst denn du schon her? Weißt du nicht, dass heute Sonntag ist? Unser Herrgott wird dich schon dafür strafen.«

Da sagte er: ja nun,

»Haun ihs daun,
So komm i in Maun,«

und wurde auf der Stelle in den Mond versetzt, wo er noch jetzt, so oft wir Vollmond haben, mit seinem Tragkorbe und dem Holzbüschel darin zu sehen ist.

5.
Mündliche Überlieferungen aus Brackenheim, Derendingen, Kusterdingen und sonst

Ein Weingärtner arbeitete einst am Sonntag in seinem »Wingert« und beschnitt die Reben und band die abgeschnittenen Schösslinge, wie es noch der Brauch ist, in ein Bündel zusammen, legte dies dann oben auf seine »Butte« und ging damit heim. Andere sagen, er habe dies Rebenbüschele aus einem fremden Weinberg mitgenommen. Noch andere behaupten, es seien zwei Büschel gewesen und auf jeder Schulter habe er eins getragen. Als der Mann nun zur Verantwortung gezogen wurde, weil er den Sonntag entweiht hätte, so leugnete er alles und verschwor sich hoch und teuer und sprach:

Haun ihs daun,
So komm i in Maun!

Dafür ist er nun auch wirklich nach seinem Tod in den Mond gekommen und muss dort zur Strafe geschmolzenes Eisen essen. Wenn deshalb jemand am Sonntag schafft«, sagt man noch: »Gib acht, du kommst au in Maun!« Und die Mutter sagt ihrem Kind, wenn der Vollmond aufgeht: »Guck au den Ma im Maun mit sell Rebebüschele!« und erzählt ihm dann die Geschichte und zeigt ihm ganz genau den Mann, wie er dasteht mit der Butte auf dem Rücken und dem Rebenbüschel, das darauf liegt.

6.

In Graubünden, in Waltensburg, erzählt man so: Einen Sennen bat einst eine arme Frau um ein wenig Milch. Er aber wies die Frau mit harten Worten ab. Da verwünschte sie ihn in den kältesten Ort, worauf der Mann in den Mond kam und dort noch immer beim Vollmond mit seinem Milcheimer, in welchem er rührt, zu sehen ist. Sonst sagt man in Graubünden auch, der Mann im Mond habe Holz gestohlen.


Im Mondschein soll man nicht arbeiten

1.
Eine mündliche Überlieferung aus Brackenheim

Eine arme Frau in Brackenheim ernährte sich vom Spinnen und war so fleißig, dass sie oft ganze Nächte hindurch an der Kunkel saß. Wenn aber der Mond schien, so steckte sie kein Licht an, sondern spann im Mondschein. Da trat einmal mit dem Schlag zwölf ein Mann herein und brachte ihr einen ganzen Armvoll Spindeln und sagte: »Wenn du die nicht noch in dieser Nacht voll spinnst, so ist es aus mit dir und ich werde dich holen.«

Da ward es der Frau angst und bange, aber ein guter Geist gab es ihr ein, dass sie die Spindeln nur einmal überspann und so noch zu der bestimmten Stunde fertig wurde. Dieser Mann, welcher der Böse selbst war, kam auch richtig wieder, nahm stillschweigend die Spindeln und ging damit fort. Seitdem hat dir Frau nie wieder im Mondschein gesponnen.

2.

In Tübingen spann einmal eine Frau nachts bei hellem Mondschein. Da kam der Teufel durchs Fenster, reichte ihr zwölf ganz schwarze Spindeln und sagte, die müsse sie, solange der Mond noch scheine, voll spinnen, sonst werde er sie selbst holen. Da spann die Frau schnell auf alle Spindeln einen einzigen Faden. Als nun der Teufel wiederkam und sah, dass er nichts machen konnte, nahm er die Spindeln und ging fort, hinterließ aber einen solchen Gestank, dass die Leute sechs Monate lang daran zu riechen hatten und ihn nicht aus dem Zimmer bringen konnten.

3.
Eine mündliche Überlieferung aus Derendingen, Pfullingen

Ein Mädchen aus Wankheim kam nachts aus einer Spinnstube heim, ohne dass sie ihr »Gesatz« gesponnen hatte, und blieb deshalb allein noch in ihrer Stube sitzen und spann im Mondschein. Da ging um 12 Uhr die Tür auf und es trat jemand herein, der ihr eine Menge Spindeln anbot, worauf sie ein solcher Schrecken ergriff, dass sie eiligst in ihre Kammer sprang und nachher ernstlich krank wurde.

Auch sonst ist es schon vorgekommen, dass einer Frau, die im Mondschein spann, ein Geist durchs Fenster einen Armvoll Spindeln in die Stube geworden hat.

Ein anderes Mädchen strickte noch um Mitternacht beim Mondschein, indem sie sich auf den Tisch gesetzt hatte. Da erschien eine Gestalt hinter dem Fenster, ohne jedoch hereinzukommen, und bot ihr Stricknadeln an, worauf sie schnell das Stricken einstellte.

Man hält es überhaupt für eine große Sünde, im Mondschein zu spinnen und zu stricken, als ob man am Tage nicht genug bekommen könne. Auch sagt man, der Mond scheine nicht deshalb so hell, dass man bei seinem Licht arbeiten solle, ohne eine Lampe anzuzünden. Wer es dennoch tut und zum Beispiel spinnt, der spinnt einem von seinen Angehörigen einen Strick an den Hals.

4.
Eine mündliche Überlieferung aus Pfullingen

In Pfullingen spann einmal eine Frau noch um Mitternacht bei Mondschein, um Öl zu sparen. Da trat ein nackter Mann herein und bot ihr den Hintern hin und sagte, dass sie ihn kratzen solle, was sie in der Angst denn auch tat. Darauf ging er fort. Die Frau begab sich dann zu Bett und erzählte noch ihrem Mann die Geschichte. In der folgenden Nacht blieb der Mann auf, nm zu sehen, was geschehen würde, und hechelte Flachs beim Mondschein.

Da erschien wieder der nackte Mann. Als er aber seinen Hintern herhielt, um sich kratzen zu lassen, da nahm der andere die Hechel in die Hand und kratzte ihn damit recht ordentlich, worauf der nackte Mann fortgegangen und nicht wieder gekommen ist.