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Gold – Kapitel 10.3

Gold-Band-1Friedrich Gerstäcker
Gold
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 10 Teil 3
Der indianische Häuptling

Die Hände in den Taschen schlenderte indessen einige der Yankee-»Storekeepers« oder Händler die Straße hinab und dorthin zu, wo die beiden wilden Mädchen mit den Pferden hielten. Von der Sprache der Indianer hatten sie auch bis jetzt, dank ihrer Auffassungsgabe, so viel gelernt, dass »Walle Walle« (Freund – Freund) den Gruß der Eingeborenen bedeute. Dieses Walle Walle blieb in ihren Händen freilich nur wenig mehr als der abgebrochene Henkel irgendeines Geschirrs, denn mit ihm war auch jede zu beginnende Konversation schon wieder abgeschnitten. Nichtsdestoweniger und sich ihres Wertes als Weiße, ja als Amerikaner und Herren des Landes bewusst, gingen die

langen ungeschlachten Burschen ziemlich zuversichtlich auf die beiden Schönen zu, brachten ihren Gruß an und blieben dann, vollkommen festgefahren, vor ihnen stehen.

Die beiden Mädchen hatten sie schon von Weitem kommen sehen und beobachtet, ohne ihre Stellung dort auch nur im Geringsten zu verändern. Sie waren abgestiegen und standen, während die beiden Indianerknaben die fünf Pferde hielten, dicht nebeneinander auf einer kleinen schwellenden Anhöhe, von der sie das ganze Zeltstädtchen bis zu seinen entferntesten Grenzen übersehen konnten.

Es war derselbe Hügel, auf dem die Deutschen ihr Zelt errichtet hatten.

»Walle Walle!«, sagten die Yankees und sahen freundlich lächelnd die beiden Mädchen an.

Walle Walle!«, erwiderten diese, aber nur mit dem Mund, denn beider Blicke schweiften an den Fremden hin, der Stelle zu, wo der Häuptling gerade wieder aus dem Zelt des Alkalden trat, den Sheriff aufzusuchen und zu diesem zu rufen.

»Hm, verdammt nette Mädchen«, meinte einer der Amerikaner zum anderen. »Besonders die Rote und die braune Haut steht ihnen gar nicht so übel. Was der Lump von einem Indianer für einen guten Geschmack hat!«

»Und gleich zwei«, sagte der andere.

Die Mädchen wechselten, ohne einander dabei anzusehen, ein paar flüchtige Worte miteinander, und um die Lippen der Größeren von ihnen, die im roten Kleid, spielte ein leichtes spöttisches Lächeln.

»Wenn man nur ihr verwünschtes Kauderwelsch verstehen könnte«, sagte der Erste wieder. »Die Worte klingen aber alle, als ob sie kurz abgehackt und in einem eisernen Mörser gestoßen wären. Ich glaube, ich könnte nicht lernen, und wenn ich zehn Jahre in Kalifornien wäre.«

»Walle Walle!«, versuchte der Zweite das Gespräch noch einmal anzuknüpfen, und wieder verzog das vorige Lächeln die etwas aufgeworfenen Lippen der Schönen, aber keine von ihnen erwiderte den erneuten Gruß. Sie hatten der Höflichkeit Genüge geleistet, und wollten mit den Fremden weiter nichts zu tun haben.

»Oh, zum Henker, vielleicht verstehen sie Amerikanisch«, rief da der Erste wieder. »Deutlicher klingt es doch auf jeden Fall, und ich sollte denken, man müsste es den Worten gleich anhören, was sie meinten.

Na, Mädels, wie geht’s? Immer munter? Hübschen Spazierritt gemacht, he?« Dabei streckte er die Hand aus, dem Mädchen in dem roten Kleid unter das Kinn zu greifen – aber es blieb bei dem Versuch.

Ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, stieß die Indianerin den langsam ausgestreckten Arm mit ihrer rasch emporgehobenen Hand beiseite, und die Züge des wirklich schönen Gesichts drückten dabei mehr Verachtung und Ekel als bloßen Unwillen aus.

»Nu, nu!«, sagte der Yankee etwas bestürzt und wie beschwichtigend, »ich beiße nicht etwa.« Er wandte sich damit halb zu der Gelben hin, als ob er dort den hier verunglückten Versuch erneuern wollte. Der Blick aber, der ihn hier traf, mochte ihn nicht besonders ermutigen. Die Hand wieder in die Tasche zurückschiebend, wobei er sich auf dem Absatz herumdrehte, sagte er zu seinem Gefährten: »Komm Bill, hol der Teufel die verwünschten Dirnen. Sie sind gerade wie die wilden Katzen und so beißend wie roter Pfeffer. Gegen unsere grünen Bergmädchen können sie doch nicht ankommen.« Damit schlenderte er langsam wieder, von dem anderen gefolgt, in die Stadt zurück.

Herr Hufner hatte vom Zelt aus, in dem er als Posten zurückgelassen worden war, das reger Leben in dem vor ihm liegenden Städtchen nicht unbeachtet gelassen. Ebenso wenig konnten ihm die Indianerinnen entgehen, die hier, fast dicht vor feiner Behausung, jemanden zu erwarten schienen. Einesteils wurde ihm nun die Zeit schon entsetzlich lang, und dann auch wieder hielt er es für nicht mehr als passend, den braunen Damen wenigstens einen guten Tag zu bieten. Als die Amerikaner fort waren, kam er langsam aus seinem Zelt heraus, ging aber aus angeborener Schüchternheit nicht gerade auf die Mädchen zu, sondern tat, als ob er an ihnen vorüber wollte. Sie konnten ja doch nicht wissen, dass er von seinem Zelt gar nicht fortdurfte. Erst als er dicht vor ihnen war, zog er höflich den Hut herunter und sagte auf Englisch, denn den indianischen Gruß kannte er noch gar nicht: »Good evening, Ladies.«

Die beiden Mädchen hatten einen flüchtigen Blick auf ihn geworfen und betrachteten ihn dabei mit nicht günstigeren Augen, als die eben abgewiesenen zudringlichen Amerikaner. Bei dem ihnen wahrscheinlich sonderbaren Gruß erhellte aber ein leichtes Lächeln ihre Züge, und sie drehten einander den Kopf zu, öffneten jedoch die Lippen nicht, und wandten sich im nächsten Moment wieder ruhig ab.

Hm, dachte Herr Hufner, sie haben dich nicht verstanden. Er wurde dabei bis hinter die Ohren rot. Eine weitere Annäherung wagte er aber nicht, nahm jedoch sein Taschentuch heraus und wischte sich die Stirn ab, als ob er nur zu dem Zweck den Hut gezogen habe, setzte ihn wieder auf und ging in einem weiten Bogen zu seinem Zelt zurück, in dem er gleich darauf verschwand.

Unten vor dem Zelt des Alkalden versammelte sich indes eine größere Anzahl besonders von Amerikanern. Der Sheriff, von Kesos herbeigerufen, hatte einigen mitgeteilt, dass ihnen der junge Häuptling etwas anzuzeigen habe. Manche der Händler traten näher, das mit anzuhören, während auch schon hier und da Goldwäscher aus der Flat oder Nachbarschaft zurückkehrten und jetzt sehen wollten, was da vorgehe. Ein Dolmetscher war ebenfalls bald gefunden, und zwar in der Person eines Deutschen, der lange in Chile gelebt hatte, und das Spanische fertig, wie fast ebenso gut das Englische sprach. Dieser kannte außerdem den jungen Häuptling.

Kesos, als er ihn kaum erblickte, bot ihm freundlich die Hand, schüttelte sie derb, und sagte: »Das ist gut, dass ich dich finde, compañero. Komm mit hinein, du sollst mir Recht bei den Amerikanern verschaffen.«

»Hast du Gold?«, fragte der Deutsche lächelnd.

»Gold?«, rief der junge Häuptling entrüstet. »Brauche ich Gold, wenn ich Gerechtigkeit verlange? Nimmt Kesos Gold von denen, denen er sie gibt?«

Der Deutsche zuckte mit den Achseln und schob die Spitzen seiner beiden Hände in den Gürtel. »Der alte Major da drinnen«, sagte er dabei, »will aber gewöhnlich erst den blanken Stoff sehen, ehe er den Mund auftut, und nachher möchte man ihn lieber gleich noch einmal bezahlen, dass er nur wieder ruhig wäre.«

»Aber der Sheriff …«

»Ist ein Ehrenmann, das muss man ihm lassen«, sagte der Dolmetscher. »Vor dem fürchtet sich auch unser Alter da drinnen, und wenn der ihm nicht manchmal den Daumen aufs Auge hielte, wäre der Teufel gar los. Na, komm nur, wir wollen einmal sehen, was zu machen ist. Hat unser tätiger Alkalde heute Nachmittag ordentlich ausgeschlafen, so ist er auch vielleicht guter Laune und tut einmal ein Übriges.«

Der Sheriff, ein Amerikaner natürlich, und zugleich der Metzger oder Fleischer des Ortes, Hale mit Namen, war indessen in das Zelt des Alkalden getreten, fand hier aber unseren Major in keineswegs so guter Laune, wie der Deutsche vermutet hatte.

»Da ist das landstreicherische Rotfell wieder, und so geschäftig wie eine Biene«, rief er dem Sheriff entgegen. »Wahrscheinlich wieder mit einer Klage gegen einen Weißen, als ob sich die Lumpen überhaupt zu beklagen hätten. Gottes Erbarmen ist es allein, dass wir sie noch am Leben lassen, die roten diebischen Schufte, die eines Menschen Maultier nicht sehen können, ohne es zu stehlen.«

»Bah«, sagte der Sheriff verächtlich, »so viel Gewalt haben wir auch noch, dass wir das übermütige Gesindel im Zaum halten können. Hören müsst Ihr aber den Burschen jedenfalls. Wer weiß denn, was er hat, und was vorgefallen ist.«

»Meinetwegen«, brummte der Richter verdrießlich. »Anhören kann man es, aber einlassen werde ich mich weiter nicht mit dem braunen Lump. Er ist so mit allem unzufrieden und hetzt sein Gesindel mit jedem Tag mehr gegen uns auf. Wie lange wird es dauern, dass uns die Kerle sogar hier in die Zelte fallen und zu plündern anfangen. Unverschämt sind sie jedenfalls genug dazu. Ruft ihn herein – aber da ist er schon von selber. Derlei Volk lässt sich nicht lange nötigen.«

Noch während der Richter sprach, betrat der junge Häuptling, von dem Deutschen gefolgt, das Zelt, und ihm nach folgten ziemlich ungeniert vielleicht sechs oder acht der Nachbarn, die wissen wollten, um was es sich hier handele.

Der Richter nahm dabei verdrießlich an seinem Tisch Platz. Der Sheriff stellte sich neben ihn. Der Dolmetscher wurde, wie es üblich ist, vereidigt.

Der Major rief dann: »Na so fangt an, in des Bösen Namen. Was ist wieder vorgefallen und wo brennt es? Wieder einmal eine Dummheit wahrscheinlich, die einer den euch gemacht hat, und die jetzt ein Weißer ausbaden soll. Was habt Ihr überhaupt hier in der Nachbarschaft zu tun? Macht, dass ihr weiter hinauf in die Berge kommt. Dort stört euch niemand. Dort kommt auch keiner von uns hin, und Wild ist da ebenfalls genug. Hier seid Ihr überall doch nur im Wege.«

Der Indianer hatte die englische Anrede jedenfalls verstanden, denn sein Auge blitzte. Als Fischer, der Dolmetscher, sie ihm lachend übersetzen wollte, winkte er ihm mit der Hand zu schweigen.

»Ich könnte dir darauf antworten, Richter«, sagte er dabei in seinem gebrochenen Englisch, »aber wenn du noch Scham in deinem Herzen hättest, würdest du mich, den Häuptling der eigentlichen Herren dieses Landes, nicht fragen, was wir hier zu tun haben. Wer hat Euch gerufen? Aber genug«, setzte er, die Hand wie zur Abwehr vorstreckend, hinzu, als der Richter einen ganz roten Kopf bekam und darauf erwidern wollte. »Nicht darüber zu sprechen bin ich hierher gekommen. So höre denn, was ich dir zu sagen habe.«

»Hol’s der Teufel, Sheriff«, rief aber der Major, »wenn mir der Kerl noch einmal solche Sachen ins Gesicht sagt, lass ich ihn aus der Court werfen.«

Der Sheriff schüttelte, statt aller Antwort, nur ungeduldig mit dem Kopf und nickte dann dem Häuptling zu, einen Anfang zu machen.

»Gestern«, begann jetzt dieser, aber in der ihm vollkommen geläufigen spanischen Sprache, um sich deutlicher und verständlicher ausdrücken zu können, »gestern Abend ist ein Weißer in unser Lager gekommen, während die jungen Leute auf der Jagd waren, und hat, gegen die Weisung eines alten Mannes, der ihn von dort fortschickte, wo er nicht bleiben durfte, die Frauen im Lager geärgert und beleidigt. Sogar an meine Hütte wagte er sich, deren innerer Raum geheiligt ist, überfiel meine Frauen, und musste von ihnen mit Gewalt vertrieben werden.«

»Was sagte er?«, fragte der Richter, der anfing, neugierig zu werden.

Wie ihm aber Fischer die Worte übersetzte, schüttelte er ärgerlich mit dem Kopf und rief: »Unsinn! Das fehlte auch noch, dass wir uns mit solchen Lappalien befassen sollten. Was geht das mich an? Ich soll jetzt wohl auch noch gar die indianischen Weiber hüten?«

»Halt!«, rief aber der Häuptling, stolz die Hand gegen ihn ausstreckend. »Die hüten sich selber, und sind wir in der Nähe, so tun es unsere Arme. Leider», setzte er dann wieder in spanischer Sprache hinzu, »kam ich zu spät zurück. Der weiße Bube aber, als er sah, dass die Frauen ihn mit Verachtung zurückwiesen, schlug einen alten Mann, der zu ihrem Schutze hinzusprang, zu Boden, verwundete einen anderen mit seinem Messer und floh erst, als er fürchten musste, dass der gellende Schrei der Frauen einen der jungen Leute herbeirufen würde. Sein Pferd hatte er angebunden in der Nähe stehen, und ein ihm nachgeschossener Pfeil erreichte ihn nicht mehr.«

»So?«, sagte der Richter, als ihm die Anklage übersetzt war, »das ist nicht übel. Ihr schießt mit Pfeilen nach einem Weißen und verlangt dann am Ende gar auch noch, dass wir ihn dafür bestrafen sollen?«

»Lieber Freund«, nahm hier der Sheriff das Wort, ohne sich weiter viel an seinen Vorgesetzten zu kehren, »das ist alles recht schön und gut. Ich denke mir auch, Ihr habt ein Recht, die zu vertreiben, die euch überfallen wollen.«

»Aber nicht mit Pfeilen nach ihnen zu schießen«, unterbrach ihn heftig der Major.

»Und warum nicht?«, sagte der Sheriff ruhig, »wenn der Bursche sein Messer gezogen und einen der Leute verwundet hat, so muss er sich auch darauf gefasst halten, eine andere Waffe gegen sich gekehrt zu sehen, und weiter keine Wehr als ihre schwachen Bogen und Pfeile führen diese Stämme. Das aber ganz beiseite. Wisst Ihr den Namen des Schuldigen?«

»Was geht uns der Name an?«, unterbrach ihn aufs Neue der Richter, der sich jetzt über den Sheriff ärgerte. »Ich will seinen Namen gar nicht wissen, denn hat er Narrenspossen gemacht – Holzkopf überhaupt, sich mit den Braunfellen einzulassen – so haben die dafür auf ihn geschossen, und die Sache ist abgemacht.«

»Die Sache ist nicht abgemacht!«, rief aber, sich trotzig emporrichtend, der Wilde. »Er hat das Blut eines von unserem Stamm vergossen, das Blut eines Greises, der jetzt an schwerer Wunde daniederliegt, und ich bin zu dir, dem Alkalden dieses Reviers, gekommen, die Bestrafung des Weißen zu verlangen – ebenso wie du sicher bist, dass die von meinen Leuten bestraft werden, die sich gegen einen der Fremden vergangen haben.«

»So?«, rief der Richter mit einem boshaften Blick auf den Wilden, »hast du auch etwa die spitzbübischen Kanaillen bestraft, die mir vor vierzehn Tagen mein Maultier gestohlen haben, he? Habe ich mein Tier selbst etwa wiederbekommen?«

»Es ist von keinem meiner Leute gestohlen worden«, sagte der Indianer ruhig. »Wer weiß, wohin es gelaufen ist oder wer von deinen eigenen Freunden es mitgenommen hat. Ich bin nicht da, dir deine Maultiere zu hüten.«

»Und ich nicht dir deine Frauen«, rief der Major ärgerlich, und doch dabei ordentlich froh, eine Art Grund für seinen Zorn zu haben.

Der Sheriff übrigens schien nicht gesonnen, die Sache so oberflächlich abgemacht zu sehen, denn wenn er sich auch wohl denken konnte, dass vonseiten des Majors schwerlich ein Gerichtsverfahren gegen einen Weißen eingeleitet würde, der noch dazu nur Indianer als Zeugen gegen sich hatte, wollte er doch für seine Person mehr von der Sache wissen.

»Aber Ihr seid selber gar nicht dabei gewesen, als der Weiße in euer Lager brach«, redete er jetzt den jungen Häuptling wieder an. »Ihr wisst nicht einmal, ob es ein Amerikaner, Franzose oder Mexikaner oder Deutscher gewesen ist, und was nützt Euch da eine Klage?«

»Es war ein Amerikaner«, sagte der Wilde bestimmt.

»Ein Amerikaner?«, brummte der Sheriff noch immer ungläubig.

»Wir kennen euch Amerikaner vor allen anderen heraus«, rief da Kesos finster. »Auch sprach er Englisch und war ein langer hagerer Mann. Das Gesicht eingefallen, die Augen klein und grau, den Rock trug er fest zugeknöpft bis unter den Hals, und eine blaue Serape, aber anders gemacht, als sie die Mexikaner und Kalifornier gewöhnlich haben.«

»Und wohin ist er geflüchtet?«

»Hier in diesen Ort – bis hierher, bis in den glatt getretenen Pfad eurer Straße bin ich seinen Spuren Schritt für Schritt gefolgt. Sein Pferd, ein starkes schweres Tier, hat aus dem Hufeisen des linken Hinterbeines zwei Nägel verloren und scheint das Bein auch, vermutlich des lockeren Eisens wegen, zu schonen.«

»Das geht uns alles nichts an«, rief da der Richter ärgerlich dazwischen, »der Mann hat kein Verbrechen begangen, und da …«

»Allerdings, Major«, sagte aber der Sheriff ernst – »wenn er in die Zelte der Eingeborenen brach, und die Frauen überfiel, einen Mann sogar mit seinem Messer verwundete, so ist das allerdings ein Verbrechen, und Ihr als Friedensrichter seid wenigstens verbunden, auf solche Klage hin eine Jury zusammenzurufen.«

»Ich will verdammt sein, wenn ich es tue«, sagte der Richter.

»Dann kann der Indianer an die County Court gehen, und Ihr werdet gezwungen, ihn wenigstens anzuhören.«

»Aber zum Teufel auch«, rief da der Richter, solcher Art in die Enge getrieben, »so soll er nur den Burschen schaffen, der den Alten verwundet hat, dass man auch einmal hört, was der dagegen zu sagen weiß. Wenn diese Rothäute einem Weißen mit ihren verwünschten Glasspitzen an den Pfeilen zu Leibe rücken, soll er sich auch wohl noch nicht einmal mit seinem Messer verteidigen dürfen?«

»Ja, Sheriff, da hat der Major recht«, riefen jetzt auch ein paar der hereingeschlenderten Händler. »Den Friedensrichter oder Sheriff wollte ich sehen, der mir verwehren könnte, mich meiner eigenen Haut zu wehren, wenn ich angegriffen werde.«

»Bah, schwatzt nicht solchen Unsinn«, rief Hale ärgerlich. »Niemand spricht davon. So viel aber ist sicher, wenn uns Kesos, der sich stets als ein ordentlicher und rechtlicher Indianer betragen hat, die Person zeigen und angeben kann, die den Frieden seines Lagers gebrochen hat, so haben wir allerdings Gesetze, die ihm darin sein Recht verschaffen. Das Blut eines der Eingeborenen darf nicht ohne wichtigen Grund vergossen werden.«

»Ordentlicher und rechtlicher Indianer – ja«, brummte da einer der Händler. »Anstatt seine Indianer zum Arbeiten anzuhalten, dass sie sich ihr Brot auf nützliche Weise verdienen, und nicht hier bettelnd und vagabundierend herumlaufen, jagt er sie fort davon und schickt sie wieder in die Berge, wie er es noch vor kaum einer halben Stunde mir selber gemacht hat. Einer der Rothäute, den ich in den Wald geschickt hatte, Holz für mich zu holen, kam mit einer Ladung zurück, und musste sie mitten auf der Straße abwerfen, als er dem Mosje da begegnete.«

»Allerdings!«, rief der Häuptling trotzig, und in seinem gebrochenen Englisch direkt auf den Vorwurf antwortend. »Aber weshalb? Weil ihr ihnen anstatt Gold oder Brot das giftige Feuerwasser in die Adern gießt. Eure Gesetze verbieten euch, einem Indianer Branntwein zu geben, und stellen harte Strafen darauf, aber haltet ihr die Gesetze? Fürchtet ihr je, für die Übertretung derselben bestraft zu werden? Nein, wahrlich nicht. Fragt da Euren Alkalden, ob er das Zeugnis eines Indianers, und wäre ich es selber, annehmen würde. Und von euch Bleichgesichtern verrät keiner den anderen. Habt ihr doch alle euren Nutzen dabei.«

»Der Kerl hat ein wahres Schandmaul«, sagte der Major. »werft ihn hinaus, Sheriff, wir sind fertig mit ihm und wollen sein Raisonnieren hier nicht mehr länger mit anhören.«

Der Sheriff antwortete nicht auf den Befehl, sondern zündete sich langsam eine Zigarre mit dem auf dem Tisch stehenden Feuerzeug an, als plötzlich draußen ein wilder jubelnder Schrei gehört wurde.

»Hallo, was ist das?«, sagte der Richter erstaunt.

»Das kann ich euch sagen«, rief Kesos, mit leuchtendem Blick dem Eingang des Zeltes zuspringend. »Melangaju hat den Weißen, der uns überfallen hat, unter den euren entdeckt. Den Namen mögt Ihr ihm jetzt selber geben.« Mit diesen Worten riss er die Zeltleinwand beiseite und sprang hinaus ins Freie.

»Der Kerl hat den Teufel im Leib«, sagte der Major, ohne sich jedoch von der Stelle zu rühren, während der Sheriff dagegen mit den übrigen rasch dem Indianer folgte.