Der Teufel auf Reisen 59
Carl von Kessel
Der Teufel auf Reisen
Dritter Band
Ein humoristisch-satirischer Roman aus dem Jahr 1870
Dreizehntes Kapitel – Teil 1
Schluss
»Sie sehen also«, sagte Schwefelkorn zu Schwalbe, dem er eines Abends diese kleine Erzählung mitteilte. »Die Menschen bleiben sich überall gleich, sie lassen sich durch die Verhältnisse bestimmen und in den wenigsten Fällen sind sie diesen gewachsen. Im Glück meist hochmütig und stolz, geht ihnen im Unglück ebenso oft jede Tatkraft verloren. Die Wenigsten verstehen es, das Eine wie das Andere mit Würde zu tragen. Wohl denen, welche, wie unser Pußkuchen, zumindest noch das Geschick besitzen, sich in das Unvermeidliche zu fügen, ohne dass sie darüber den Humor verlieren.«
»Pfuschen Sie mir nicht ins Handwerk und spielen Sie nicht den Philosophen«, erwiderte der Doktor lachend. »Ein Schelm bleiben Sie deswegen doch immer und wenn Sie sich auch noch so harmlos stellen. Ihre Hände müssen Sie doch immer überall im Spiel haben.«
»Na, einer muss der Täter sein«, konterte lachend der Baron. »Und da ist es natürlich am bequemsten, wenn man es dem Teufel in die Schuhe schiebt. Das ist nun einmal so eure Art, ihr Menschenkinder, und ich möchte wohl sehen, wie Ihr euch in den meisten Fällen ausnehmen würdet, wenn das bisschen Heuchelei nicht wäre.«
»Allerdings«, meinte Schwalbe, »ganz ohne Schminke geht es nicht. Doch brechen wir damit ab und sagen Sie mir lieber, womit wir uns den morgenden Tag vertreiben wollen.«
»Mein lieber Freund«, bemerkte Schwefelkorn mit bewegter Stimme und ein leiser Seufzer entglitt dabei seiner Brust. »Sie ahnen wohl nicht, wie nahe der Augenblick ist, wo wir uns trennen müssen?«
»Wie«, rief unser Philosoph, nun ebenfalls bestürzt emporblickend, »wie, Sie wollen mich verlassen?«
»Leider ist es so, mein Teurer. Ich empfing vergangene Nacht Depeschen, welche mich unwiderruflich zurückrufen.«
»Das tut mir aufrichtig leid«, bemerkte der Doktor, »nie hätte ich übrigens geglaubt, dass ich mich mit dem Teufel so eng würde befreunden können.«
»Große Ehre für mich«, sagte dieser, sich tief verbeugend. »Sie sind aber auch ein charmanter Herr und wenn Sie den Zahn des heiligen Loyola und den Splitter vom Tintenfass des Doktor Luther nicht hätten, wer weiß, was ich täte.«
»Na, das lassen Sie sich nur vergehen«, rief unser Bekannter, »ich bin zwar zu jeder Zeit bereit, Ihnen meine Hochachtung zu bezeigen, und als Philosoph steht mir dies frei, aber immer doch nur aus einer gewissen Entfernung.«
»Legen Sie sich keinen Zwang an«, sagte der falsche Baron lachend, »das soll unserer Freundschaft keinen Abbruch tun. Um auf den morgigen Tag zurückzukommen, so befinden wir uns ja gerade in der Karnevalszeit und für morgen Abend ist ein großer Maskenball angekündigt.«
»Köstlich, da müssen wir hin, das ist der Ort, wo Sie so recht ungeniert Ihre Teufeleien ausüben können!«
»Für mich, mein Lieber«, sprach Schwefelkorn mit einem Lächeln, »ist die ganze Welt ein großer Maskenball. Immerhin wollen wir aber dem Fest beiwohnen. Stoff zum Lachen wird es schon geben und vielleicht begegnen wir auch ein paar bekannten Gesichtern.«
»Die Sie natürlich unter der Maske herausfinden werden«, sagte Schwalbe.
»Ei freilich, und noch dazu, ohne dass sie meine Nähe ahnen.«
»Aber wie erscheinen wir?«
»Als stille Beobachter und als solche natürlich am passendsten im Domino.«
»Gut, so wollen wir uns die erforderlichen Anzüge bestellen.«
»Legen Sie sich keinen Zwang an«, sagte der falsche Baron lachend, »das soll unserer Freundschaft keinen Abbruch tun. Um auf den morgigen Tag zurückzukommen, so befinden wir uns ja gerade in der Karnevalszeit und für morgen Abend ist ein großer Maskenball angekündigt.«
»Köstlich, da müssen wir hin, das ist der Ort, wo Sie so recht ungeniert Ihre Teufeleien ausüben können!«
»Für mich, mein Lieber«, sprach Schwefelkorn mit einem Lächeln, »ist die ganze Welt ein großer Maskenball. Immerhin wollen wir aber dem Fest beiwohnen. Stoff zum Lachen wird es schon geben und vielleicht begegnen wir auch ein paar bekannten Gesichtern.«
»Die Sie natürlich unter der Maske herausfinden werden«, sagte Schwalbe.
»Ei freilich, und noch dazu, ohne dass sie meine Nähe ahnen.«
»Aber wie erscheinen wir?«
»Als stille Beobachter und als solche natürlich am passendsten im Domino.«
»Gut, so wollen wir uns die erforderlichen Anzüge bestellen.«
Ein buntes Gedränge herrschte bereits im Saal, als unsere Bekannten eintraten. Alle Nationen und alle Zeitalter waren vertreten, selbst die Fledermaus und eine große Eule, deren Augen unheimlich rollten, fehlten nicht. Am meisten amüsierte sie ein langer Geselle, welcher, eine rote Hahnenfeder am Barett, als Mephistopheles im Saal herumstolzierte.
»Den Burschen kenne ich«, sagte Schwefelkorn, »er ist auf dem besten Wege, mir in die Arme zu laufen. In seinem Kopf geht es wie ein Mühlrad herum und er hält sich alles Ernstes für ein großes künstlerisches Genie. Eigentlich ist es sein Beruf, die Nadel zu schwingen, denn er gehört zu der ehrbaren Zunft der Schneider. Aber das Stillsitzen mit gekreuzten Beinen gefällt ihm nicht. Es wird ihm, wie dies nun einmal jetzt der Geist der Zeit mit sich bringt, in seiner Haut zu eng. Seitdem er in den öffentlichen Volksversammlungen über die Menschenrechte belehrt worden ist, behagt ihm das Handwerk nicht mehr und er möchte gern den großen Herrn spielen. So hat er sich bei mehreren Liebhabertheatern aufnehmen lassen und spielt dort die tragischen Helden. Am liebsten sind ihm aber die Ritter- und Räuberrollen, diese sagen seiner Romantik am besten zu. Sehen Sie nur, wie zierlich er sich dort vor dem niedlichen Blumenmädchen verbeugt und was für süße Worte er ihr ins Ohr flüstert. Kommen Sie, ich muss mir doch den Spaß machen, dem hirnverbrannten Burschen einmal ein kaltes Glas Wasser über den Kopf zu gießen.«
»Wie, Sie wollen ihm ein kaltes Glas Wasser über den Kopf gießen? … Das gibt einen Skandal, wir werden zum Saal hinausgebracht.«
»Das ist bloß bildlich gemeint, kommen Sie nur!« Hiermit zog Schwefelkorn unseren Bekannten mit sich fort.
Der edle Held vom Bügeleisen war eben auf das Eifrigste daran, dem hübschen Blumenmädchen nach seiner Art nach Kräften den Hof zu machen.
»Nur eine Rose, schönes Kind«, rief er, und nahm dabei eine hochtragische Stellung ein, »nur ein Vergissmeinnicht als stilles Zeichen der Erinnerung, an diesen unvergesslichen Abend, wo mir die Ehre zuteil wurde, in Ihre schönen Augen zu blicken, nur …« Hier stockte Mephistopheles plötzlich und drehte sich erschrocken um, denn ein Domino hatte sich an ihn herangeschlichen.
Indem ihn dieser fest auf die Schulter klopfte, rief er zugleich: »Ist denn mein Rock immer noch nicht fertig, Sie lügenhafter, windbeutlicher Ziegenbock?«
»Ach du mein Gott«, rief aber auch das Blumenmädchen, »so habe ich mich also doch wirklich nicht geirrt! Ja, ja, es ist der Joseph, bei dessen Meister der Herr Graf arbeiten lässt! Na, ich hörte es gleich an der Sprache, dass das nur so ein verkleideter Baron war!« Kichernd wandte sie sich um und verschwand unter der Menge, während Mephisto einen Augenblick sprachlos dastand, dann aber ebenfalls einen kurzen Entschluss fasste und sich in das Maskengewühl stürzte, um sich einen anderen Ort für den Schauplatz seiner Taten auszusuchen.