Die Tauscher 4
Dr. Uwe Krause
Die Tauscher Teil 4
»Ich sehe, dass Sie die Mappe schon gefunden haben«, sagte plötzlich Fräulein Levinsohn von hinten. Florian fuhr herum. Sie war lautlos durch die Tür gekommen, im Arm hielt sie eine große Papiertüte. Kolonialwaren Kaludrigkeit war darauf zu lesen.
»Angeblich ändern die Hersteller manchmal die Rezeptur der Zigaretten, von wegen Tabak und so«, sagte die Levinsohn aus der Küche.
»Könnte sein«, antwortete Florian, »jedenfalls schmeckt es mir nicht.«
»Warten Sie ab, bis Sie den Nikotinkoller kriegen«, prophezeite Fräulein Levinsohn und kam mit einem Glas Orangensaft zurück.
Zuerst schien der Saft seinen Magen zu zerreißen, aber dann wirkte er wie eine aufbauende Medizin. Florian brachte unter den entsetzten Blicken der Levinsohn das Glas in die Küche.
»Was ist?«, fragte er.
»Nun, eigentlich müssten Sie so ein Glas auf den Schreibtisch stellen, damit es dort festklebt und ich in einigen Tagen, wenn ich den Anblick nicht mehr ertragen kann, mit dem Meißel versuchen muss, es wieder abzukriegen. Traditionsgemäß löst sich dabei auch ein Stück der Politur, was Sie wiederum zum Anlass nehmen, über die Möbelqualität im Hause Levinsohn herzuziehen.« Sie verschränkte die Arme und schaute ihn kampflustig an.
Florian umrundete den Schreibtisch. »Der stammt aus dem Hause Levinsohn?«
»Nun tun Sie doch nicht so!«, polterte Fräulein Levinsohn, »als ob Sie nicht mehr wüssten, dass ich das gute Stück meinem Bruder abgeschwatzt habe. Und da sah es noch besser aus.«
»Solange Sie sich trotz meiner Nähe so gut halten.«
Die Levinsohn starrte ihn verblüfft an. »War das jetzt ein Kompliment oder eine Gemeinheit?«
»Entscheiden Sie.«
»Da es von Ihnen kommt, Herr Hammerstain, kann es sich nur um eine abgefeimte Gemeinheit handeln«, entschied Fräulein Levinsohn mit gepresster Stimme.
»Es sollte ein Kompliment sein. Ich muss wohl noch an meiner Technik feilen«, sagte Florian. Er wunderte sich, mit welcher Leichtigkeit ihm so ein Satz über die fremden Lippen kam. Ihm, der bei jedem weiblichen Wesen, das nicht seine Mutter war, Panikattacken bekam.
»Nun ja.« Fräulein Levinsohn betrachtete ihre Schuhspitzen. »Vielleicht habe ich meine Antennen auch nicht richtig ausgerichtet. Wie dem auch sei, hier ist der letzte Zeitungsausschnitt, den Sie haben wollten.«
Sie legte das kleine Stück Papier neben die anderen. Mord bei Einbruch stand dort als Überschrift. Florian überflog den Text. Laut dem Redakteur war die Polizei der Überzeugung, dass es sich erneut um die schon bekannte Diebesbande gehandelt hatte. Werkzeuge und Vorgehensweise deuteten darauf hin. Aber in diesem Fall wurden die Diebe überrascht und schienen bei ihrer Flucht den Wohnungsinhaber zur Seite gestoßen zu haben. Der stürzte gegen den Tisch und brach sich an der Kante das Genick.
»Sie wollten die Karte haben«, mischte sich die Levinsohn in Florians Überlegungen. Sie legte eine Karte auf den Schreibtisch. Dann steckte sie Fähnchen, die wohl irgendwann einmal einen Eisbecher geziert hatten, an die einzelnen Tatorte.
»Fällt Ihnen was auf, Fräulein Levinsohn?«, fragte Silwester Hammerstain.
Sie machte einen langen Hals und betrachtete ihr eigenes Werk, als wäre es ein Kuchen mit Geburtstagskerzen.
»Na ja, die Tatorte sind … gut verteilt.«
Florian spielte mit den Barthaaren am Kinn. So ein Kinnbart war sicherlich nicht schlecht, wenn man beim Überlegen was zum Zupfen brauchte.
Der letzte Tatort war neben einem grau eingezeichneten Gelände direkt an der Spree. Städtisches Gaswerk Nummer sieben stand auf der grauen Fläche. Andere Tatorte lagen in der Nähe von Grünflächen oder am Spreeufer, allerdings in Gegenden, die von vielen kleinen Straßen und großen Grundstücken bestimmt war.
»Speckgürtel«, murmelte Florian.
»Wie meinen?«
Er deutete auf die Karte. »Wie teuer sind die Grundstücke in dieser Gegend?«
»Unbezahlbar«, kam es sofort von Fräulein Levinsohn.
Hammerstain grinste zu ihr hinüber. »Was bedeutet, dass Ihre gesamte Verwandtschaft dort ihre bescheidenen 30-Zimmer-Hütten hat.«
Die Levinsohn lief rot an. »Wollen Sie mit mir über meine Verwandtschaft reden?«
»Nein. Wollen Sie?«
Bevor Fräulein Levinsohn den Mund öffnen konnte – und am Funkeln in ihren Augen konnte Florian das Kaliber der Antwort erahnen – deutete er auf den letzten Tatort.
»Fällt Ihnen noch etwas auf, Fräulein Levinsohn?«
»Sie sind der Detektiv. Behaupten Sie wenigstens«, gab sie ungnädig zurück.
»Sie sind die Assistentin. Behaupten Sie wenigstens«, konterte er.
»Na gut«, sagte die Levinsohn zögernd, »die Gegend fällt ein wenig aus dem üblichen Bild heraus.«
Silwester Hammerstain steckte die Hände in die Taschen und ging mit gesenktem Kopf durch den Raum. Eine Zigarette wäre jetzt nicht schlecht, aber er wusste, dass ihm der Rauch Übelkeit verursachen würde. Aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht war er krank.
»Warum bin ich an diesem Fall?«
»Was?«
»Warum bearbeite ich diesen Fall? Sie als meine Assistentin müssten das doch wissen!«
»Aber Sie sagen mir doch nie was!«, quiekte die Levinsohn empört, »Sie haben mir nur den Auftrag, die Zeitungen zu durchforsten, auf den Tisch geknallt.«
»Wann?«
Fräulein Levinsohn geriet in eine milde Form der Panik, weil ihr Chef ganz offensichtlich nun völlig den Verstand verloren hatte.
»Haben Sie irgendwelche Drogen genommen? Oder hat man Ihnen welche gespritzt? Soll ich einen Arzt holen? Soll ich Sie ins Krankenhaus bringen«, jammerte sie und sah aus, als wollte sie im nächsten Moment die Flucht antreten.
Florian setzte sich auf den Schreibtisch und massierte sich die Schläfen. »Vielleicht«, murmelte er. Er sah auf und fixierte das Gesicht der Levinsohn. Ihre dunklen Augen schauten besorgt zurück, aber in dieser Sorge lag etwas, das gut tat wie ein warmes Entspannungsbad.
»Also«, sagte Florian, »wenn man mir gestern eine Droge zwecks Gedächtnislöschung in einen Drink getan hat – und das wäre durchaus möglich – dann kann ich mich nicht daran erinnern. Was ja logisch ist. Aber es macht die Sache natürlich etwas kompliziert.«
»Was wiederum zu Ihnen passen würde«, warf die Levinsohn ein.
»Wenn es so sein sollte«, fuhr Florian unbeirrt fort, »dann haben diejenigen, die mir den Zusatz im Drink spendiert haben, durchaus Erfolg gehabt. Auf der anderen Seite hatten sie einen guten Grund für diese Aktion. Und es wäre gut, wenn ich wüsste, was dieser Grund ist. Und es wäre freundlich, wenn Sie mir helfen würden, meine Gedächtnislücken zu füllen. Und zwar ohne …« Hammerstain hob die Stimme, »… Ihre üblichen pädagogischen Zusätze.«
Fräulein Levinsohn schwieg und knetete ihre Hände. Ganz offensichtlich war sie unsicher, ob sie schreiend aus der Wohnung rennen oder doch eher auf diese ruhig vorgetragene Bitte reagieren sollte.
Wenn sie sich für die Variante mit dem Weglaufen entscheiden sollte, hätte Florian ein Problem.
Fräulein Levinsohn holte ihre Handtasche, wühlte darin und fand schließlich ihr Notizbuch.
»Vor drei Tagen«, lautete dann ihre knappe Antwort.
»Kannte ich den Mann, der bei dem Einbruch getötet wurde?«
Die Levinsohn zuckte die Schultern.
»Was ist das Zuckerhaus?«
»Das haben Sie auch vergessen?«, fragte Fräulein Levinsohn entsetzt, »aber füttern muss ich Sie nicht. Oder ist das so eine Art fortschreitender Gedächtnisverlust, beginnend mit dem Symptom, dass man das Gehalt seiner Assistentin vergisst?«
»Sagen Sie es einfach.«
»Zuckerhaus – eine Immobilie von Alfred Simon Zucker, gelegen in der Innenstadt, achtzig Stockwerke, verschiedene Büros und Firmen, beste Adresse, erstellt 1939. Zucker selbst gilt als Krimineller der ersten Güteklasse, wurde aber noch nie wegen irgendetwas verurteilt.«
Alfred Zucker. Die sanfte Stimme am Telefon. Es gab darüber eine Gewissheit ohne Fragen. Intuition.
Florian griff sich an den ungewohnten Kopf, der aus irgendwelchen Gründen nun seiner zu sein schien. Er massierte sich die Schläfen, eine Bewegung, die inzwischen schon routiniert war. Er überlegte. Die Ausrede mit der Droge, die sein Gedächtnis zerfressen hatte, war nicht schlecht. Sie war sogar sehr gut. Vielleicht war es ja sogar mehr als eine Ausrede oder eine Hilfskonstruktion. Vielleicht war es die Wahrheit und die seltsamen Erinnerungen, die er seit seinem Erwachen hatte, waren nichts als Reparaturversuche seines stark demolierten Gedächtnisapparates.
Die Levinsohn legte den Kopf schräg. »Soll ich nachhelfen?«
Hammerstain nahm die Finger von der Schläfe und grinste spitzbübisch. »Bei der Massage? Gerne und wo Sie wollen.«
Fräulein Levinsohn schnaubte nur und stolzierte mit erhobener Nase aus dem Raum. Dieser Abgang hatte Klasse, und wenn die Levinsohn ein Stupsnäschen zur Verfügung gehabt hätte, wäre es Weltklasse gewesen, dachte Florian. Aber es wirkte dennoch eindrucksvoll. Und irgendwie reizend.
In einem Nebenraum öffnete die Levinsohn Schubladen und ließ sie mit einem blechernen Klang wieder zufallen.
Das Geräusch war Florian bekannt. Als würde er eine seit Langem eingeübte Geste ausführen, sah er den Raum vor sich. Es war das Büro von Fräulein Levinsohn, angefüllt mit Metallschränken, einem kleinen Schreibtisch und einem bescheidenen Stuhl. Der Schreibtisch war zur Hälfte von einem Telefon besetzt, das einen Umschalter hatte, sodass die Anrufe bei Bedarf auf den anderen Apparat umgeleitet werden konnten.
Die Levinsohn klapperte zurück zu ihrem Chef.
»Falls ich mich eben allzu aufdringlich geäußert haben sollte …«, begann Florian vorsichtig.
Fräulein Levinsohn steckte den Kopf vor und hielt zugleich die Mappe, die sie mit den Händen umklammerte, wie einen Schutz vor der Brust. Sie wirkte auf ungeheuer niedliche Weise zugleich neugierig und verängstigt.
»Was ist dann?«, zirpte sie.
»Na ja, also«, druckste Florian, »ich wollte mich nicht irgendwie sexistisch äußern.«
»Sexdingens, was ist das?«
»Na ja, also nichts, was Sie als Frau beleidigen würde, meine ich.«
Kopfschüttelnd legte die Levinsohn die Mappe auf den Tisch.
»Die haben Ihnen wirklich irgendwas in eines Ihrer gestrigen zahlreichen alkoholischen Getränke gemischt«, stellte sie fest.
»Sage ich doch.«
»Wir sprachen aber nur von Gedächtnislücken. Nicht von Charakteränderung. Obwohl …«, die Levinsohn drehte sich zu Florian und schaute ihn scharf an, »… wie soll sich ein Charakter ändern, wenn es keinen gibt.«
Silwester Hammerstain wollte antworten, aber Florian schaffte es, diese Frechheit nicht über die Zunge zu lassen. Dafür stellte er fest, dass er mal wieder eine Zigarette im Mund hatte. Er stellte es allerdings erst nach dem Zug fest, der ihm widerlich schmeckenden Rauch in die Lunge trieb.
Florian hustete, warf die Zigarette in die Kloschüssel und gurgelte wieder einmal ausführlich mit einem Mundwasser.
Unterdessen hatte Fräulein Levinsohn den großen Schreibtisch mit Zeitungsausschnitten bedeckt.
Ihr langer Zeigefinger tippte auf das mittlere Blatt.
»Das ist die letzte Sache, mit der Alfred Zucker in Verbindung gebracht wird.« Das, was sie die Sache nannte, hatte sechs Menschen das Leben gekostet, wie Florian schon mit einem einzigen Blick auf die Fotografie feststellen konnte. Die Toten lagen nebeneinander auf einem Betonboden. Auf dem grob gerasterten Schwarz-Weiß-Foto war nicht zu erkennen, ob die Flecken auf dem Boden von Blut, Öl oder einer sonstigen Flüssigkeit stammten.
Laut dem Bericht handelte es sich um Mitarbeiter eines Fuhrunternehmens, das angeblich in illegale Machenschaften verwickelt gewesen war und dabei der Konkurrenz in die Quere gekommen war.
»Und Zucker hatte also seine Finger im Spiel?«, fragte Florian.
»Zucker hat immer seine Finger im Spiel. Sie waren jedenfalls davon überzeugt.« Fräulein Levinsohn legte die gefalteten Hände vor die Nase und überlegte. Auf ihrer Stirn bildeten sich Falten.
»Soweit ich mich erinnere«, sagte sie dann zögernd, »waren Sie der Meinung, dass es in ganz Berlin nicht mehr als vier oder fünf Schützen gäbe, die einen solchen Auftrag in dieser Präzision ausführen könnten. Das Ganze dauerte keine Viertelminute und die Polizei fand nicht einmal eine leere Patronenhülse. Also meinten Sie, dass Zucker zumindest von der Sache gewusst haben musste, denn er hat die meisten dieser Auftragsmörder auf seiner Gehaltsliste.«
»Mmm.« Florian kratzte sich den Kopf. »Kommt mir nicht so besonders plausibel vor. Aber gehen wir davon aus, dass Zucker wie die Spinne im Netz sitzt und alles registriert. Also bekommt er sicherlich auch mit, wenn so eine Sache durchgezogen wird. Sonst noch was?«
Fräulein Levinsohn legte ihre Stirn noch einmal in Falten.
»Sie waren wegen diesem einen Mann ziemlich aufgeregt«, sagte sie dann und deutete auf den Körper, der ganz rechts lag.
Das Foto erinnerte Florian an Szenen aus einem Schlachthaus. So etwas sollte nicht in einer Zeitung veröffentlicht werden, dachte er. Immerhin waren die Gesichter der Opfer durch schwarze Balken unkenntlich gemacht. Der Mann ganz rechts unterschied sich auf den zweiten Blick von den anderen. Er trug eine Art Gehrock, der ihm fast bis zu den Knien reichte und neben seinem Kopf lag so etwas wie ein Fes. Ein runder hoher Filzhut ohne Krempe, aber mit einer Quaste an einer Schnur.
»Ein Osmane?«, überlegte Florian.
»Ein Mitarbeiter in einem Ministerium der Regierung in Konstantinopel, um genau zu sein«, sagte die Levinsohn.
»Woher wissen Sie das?«
»Mein Chef hat mich veranlasst, ein wenig nachzuforschen«, kam die etwas spitze Antwort.
»Kluger Chef«, knurrte Hammerstain, »und jetzt sagen Sie mir einfach noch, warum er hier war, dieser Herr Osmane.«
»Es geht das Gerücht um, dass er Waffen kaufen wollte.«
»Waffen?«
»Ja, diese Werkzeuge, mit denen man andere Menschen umbringt. Darin sind Sie doch Experte«, ätzte die Levinsohn.
»Bin ich das? Weswegen sollte er Waffen kaufen?«
»Wegen des Mesopotamienkonfliktes natürlich. Aber es ist ein Gerücht. Die Regierung will sich nicht in fremde Angelegenheiten mischen, drückt aber ein Auge zu, wenn die Sache inoffiziell abgewickelt wird. Angeblich gab es auch Anfragen an kleinere Banken, wegen der Finanzierung des Kaufes.«
Hammerstain warf seiner Assistentin einen scharfen Blick zu. Die errötete und winkte hektisch ab. »Ich sagte deutlich kleinere Banken. Levinsohn und Söhne lässt die Finger von solchen Sachen, sonst wären sie keine kaiserliche Bank.«
Florian lehnte sich an den Schreibtisch und klammerte sich fest. Das Schwindelgefühl ließ nur langsam nach.
Jedes Mal wenn er glaubte, langsam festen Boden unter die Füße zu bekommen, trat er beim nächsten Schritt in den Abgrund. Dennoch sparte er sich die Frage, warum die Bank Levinsohn und Söhne am 16. Juni 1944 in Berlin ein kaiserliches Geldinstitut war. Er schaute auf Sarah Levinsohn, die etwas betreten ihre blank polierten Schuhspitzen inspizierte.
»Es tut mir leid, wenn ich derzeit etwas anstrengend bin«, sagte Florian.
Sie lächelte ihn an. »Im Grunde sind Sie jetzt erträglicher denn je. Wirklich. Es gefällt mir. Aber ich war es nicht, der Ihnen was in den Drink getan hat.«
Florian überlegte.
»Ich werde mich für die nächste Zeit klein machen«, erklärte Hammerstain.
»Warum?«
»Weil ich vorhin einen Anruf erhalten haben, in dem es offensichtlich um meine Gesundheit ging, um meinen weiteren Lebenslauf und das ganze andere.«
»Und was mache ich?«, quiekte die Levinsohn.
»Sie machen Urlaub.«
»Vergessen Sie es«, schnaubte die Frau, »ich bin immer noch Ihre Assistentin.«
»Genau deswegen sollen Sie Urlaub machen.«
»Sie haben eben selbst gesagt, dass Sie meine Hilfe brauchen, um Ihre Gedächtnislücken zu füllen!«, zeterte Fräulein Levinsohn. Sie stand kurz davor, ihren Chef mit den nächsten erreichbaren Dingen zu bewerfen.
»So wie es aussieht, haben irgendwelche Leute ein starkes Interesse, genau diese Lücken offen zu lassen. Und sollten sie geschlossen werden, die Lücken, meine ich, dann könnten mir diese Leute Lücken in meinen Schädelknochen praktizieren.« Hammerstain deutete auf den Zeitungsausschnitt. »Und ich will nicht, dass Sie da reingezogen werden.«
»Wo reingezogen? In den Hohlraum in Ihrem Schädelknochen?«, fauchte Fräulein Levinsohn, »wenn Sie auf der schwarzen Liste stehen, dann bin ich ja wohl auch darauf. Als Ihre Assistentin. Woher sollen diese Typen denn wissen, dass ich nur dazu gebraucht werde, Ihre Zigarettenkippen aufzuheben?«
»Sagen Sie es Ihnen einfach.«
Statt zu explodieren blieb die Levinsohn ganz ruhig. Lediglich ihre Finger formten sich zu Krallen. »Die würden es mir aber nicht glauben«, quetschte sie langsam heraus.
Eine Weile herrschte Schweigen in der Wohnung. Der Detektiv Silwester Hammerstain versenkte wieder seine Hände in den Hosentaschen und wanderte mit gesenktem Kopf um den Schreibtisch.
Fräulein Levinsohn sammelte die Ausschnitte ein, brachte die Mappe zurück und begann aufzuräumen, wobei sie nur Dinge von links nach rechts sortierte und umgekehrt. Sie entwickelte dabei den Eifer eines tollwütigen Ventilators und hatte Hammerstain immer im Blick.
»Ich muss verschwinden und doch hier bleiben«, knurrte er, »in der Stadt.«
Die Levinsohn nickte zustimmend und deutete dabei auf sich.
»Das Problem ist«, sagte Silwester Hammerstain und seine Stimme bekam einen stärkeren Reibeisenklang als gewöhnlich, »dass ich niemandem trauen kann. Niemandem.«
Die Levinsohn ließ die Schultern hängen. Selbst auf die Entfernung bemerkte Florian, dass ihre Augen feucht schimmerten. Der Anblick rührte ihn.
»Korrektur«, sagte er, »Ihnen vertraue ich.«
»Und woher dieser Gesinnungswandel?«, fragte sie und fuhr sich mit dem Handrücken über die Wange.
»Intuition«, lautete die Antwort. »Also – wir werden unsichtbar und bleiben.«
»Ich kümmere mich darum«, sagte Fräulein Levinsohn, »aber es wird teuer.«
»Und kommt auf die Rechnung, klar doch.«