Märchen und Sagen der Indianer Nordamerikas 25
Nebäkwäm erschien einst ein weißer Mann im Traum, der zeigte ihm einen breiten, südwestlich führenden Weg, an dessen Ende er gerufen werde. Um dieser Weisung Folge zu leisten, bekleidete sich Nebäkwäm schnell mit seinem besten Gewand und betrat den angegebenen Pfad. Zu dessen beiden Seiten lag eine Menge umgehauener Bäume, und die nahe stehenden Häuschen zeigten, dass sie mit anderen Werkzeugen und Händen gebaut waren, als die Wigwams seines Volkes. Bald kam er in eine große Stadt, die ihm so sehr gefiel, dass er gerne dort geblieben wäre, wenn ihm die Leute nicht befohlen hätten, weiterzugehen.
Nachdem er noch einige Meilen zurückgelegt hatte, sah er sich auf einer unermesslich großen Ebene, auf der eine hohe Leiter stand, die er besteigen musste. Diese führte ihn hinauf bis in den Himmel, wo ihn ein weißer Mann erwartete, der ihm vier prächtige Häuser zeigte.
Als er in deren Nähe kam, öffnete sich die Tür des ersten, und vier alte Männer, wovon zwei schneeweiße Köpfe hatten, luden ihn ein, hereinzukommen.
»Hier ist der Platz«, sagten sie zu ihm, »an den du gerufen bist. Kein Indianer vor dir ist würdig gewesen, diese Stelle zu betreten. Die Knochen derjenigen, die aus eigenem Willen emporklettern wollten, siehst du unten am Fuß der Leiter bleichen.«
Darauf gaben ihm die zwei ältesten Männer einen roten Tierschwanz und eine Adlerfeder und sagten ihm, er solle Letztere ständig auf dem Kopf tragen, denn sie würde ihn vor Hunger und Krankheit schützen und ihn auch der Gunst des Großen Geistes versichern.
»Alle Menschen«, sagten sie weiter, »Weiße wie Rote, können hierherkommen, wenn sie nur auf die Lehren hören, die ihnen ihre heiligen Männer predigen.«
Darauf zeigten sie ihm noch eine Menge großer Vögel und fetter Tiere, die vorzugsweise nur für den roten Mann geschaffen seien.
Quelle:
- Karl Knortz, Märchen und Sagen der Indianer Nordamerikas, Jena 1871