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Der bayerische Hiesel – Teil 41

Der-bayerische-HieselFriedrich Wilhelm Bruckbräu
Der bayerische Hiesel
Wildschützen- und Räuberhauptmann, landesverrufener Erzbösewicht

Hiesel als Mörder

Das Verbrechen gleicht einer Schneelawine, die anfangs ganz klein ist, aber im Fortrollen immer größer wird und zuletzt Bäume und Hütten in den Abgrund mit sich fortreißt.

So ergeht es auch dem lasterhaften Menschen, der immer verwegener wird, je öfter ihm seine Freveltaten gelingen, der der Vernunft sein Ohr verschließt und die warnende Stimme des Gewissens im Schoß der Sünde zu übertäuben sucht. Allein vergebens! Der Keim des Bösen wuchert fort im Herzen des Verbrechers zum Riesenbaum empor, von welchem jeder Zweig zur Anklage gegen ihn wird, bis er zuletzt dem strafenden Arm der Gerechtigkeit anheimfällt. Denn alles dauert nur eine Weile.

Drei Tage nach dem Raub in Tesertingen kehrte Hiesel mit einer Schar Wildschützen im Wirtshaus zu Unternefsried ein, und ließ auftragen, was nur gut und teuer war.

Im anstoßenden Kämmerlein saß Franz Schleißheimer, Amtsknecht von Agawang, bei einem Glas Wein und einem gebratenen Huhn, womit ihn sein Gevatter, der Wirt, regalierte.

Kaum hörte er aber Hiesels Stimme und den Lärm seiner Bande, als ihm aller Appetit verging. In der Voraussetzung, der Wirt werde so klug sein, nicht mehr in das Kämmerlein zu treten, um ihn der Bande nicht zu verraten, verriegelte er von innen die Tür ganz leise und kroch unter das Bett.

Aber die feine Nase des Tiras witterte einen unheimlichen Gast in der Nähe. Er stellte sich vor die Tür, kratzte immer heftiger und erhob zuletzt ein heftiges Gebell.

»Was zum Teufel ist denn in der Kammer, dass mein Tiras so wild wird?«, fragte Hiesel.

»Wird wohl die große Katze darin sein«, erwiderte der Wirt nicht ohne sichtbare Verlegenheit.

»Das gibt ja einen herrlichen Spaß für meinen Tiras. Aber was ist denn das? Die Tür ist ja verschlossen! Den Schlüssel her, Wirt!«

»Ich weiß nicht, wohin er gekommen ist.«

»Tut nichts, mein Fuß macht schon auf.«

Schon bei dem ersten Wort Hiesels sah der Amtsknecht sein Schicksal voraus, verließ eilfertig seinen Zufluchtsort und versuchte es, weil er sehr mager war, durch das Kreuzgitter des Fensters zu schlüpfen und das Freie zu gewinnen.

Schon war er bis über die Hüften zum Fenster hinausgekommen, als Hiesel die Tür eintrat und in demselben Augenblick ein Posten der Wildschützen ihn bei dem Kragen fasste und vollends herauszog. Er wollte ihn festhalten, doch der gewandte Amtsknecht schlug ihn zu Boden und entfloh. Der Wildschütz raffte sich auf, schoss nach ihm und verfehlte. Tiras aber, von Hiesel gehetzt, flog hinter ihm her, erreichte ihn bald und riss ihn nieder.

Hiesels Wut wegen des Amtsknechts Widerstand gegen den Wildschützen kannte keine Grenzen. Von Unternefsried bis zum Dorf Agawang regnete es Kolbenstöße und Säbelhiebe. Jeder Schritt brachte eine neue Qual. Sie schleppten den im Blut ohnmächtig Schwimmenden mit doppelter Wildheit fort über Stock und Stein, um ihn an der Ortstafel aufzuhängen. Dies vereitelte aber Hiesels Zorn, der ihm seinen Hirschfänger in den Leib stieß.

Mit acht Wunden auf dem Kopf, worunter drei todesgefährliche, mit mehreren Hieben an der linken Hand, von welcher zwei Finger fast gänzlich weggehauen, die übrigen drei aber bedeutend verletzt waren, mit einem Stich durch den Unterteil der Hand, und mit mehreren durch beide Füße, endlich mit einer tödlichen Wunde an der linken Seite des Leibes, lag der schrecklich Misshandelte unter den Mörderklauen der fürchterlichen Rotte. In diesem Zustand wollten sie ihn gerade aufhängen, als ein vom Pfarrherrn veranlasster Aufstand aller Dorfbewohner über die Wildschützen heranstürmte und ihnen den Verwundeten entriss. Dem Bauerngesindel, wie Hiesel sagte, weichen zu müssen, war für ihn eine entsetzliche Schmach. Er kommandierte zum Sturm, schoss unter die Bauern, überfiel den Pfarrhof, schoss auf allen Seiten hinein, schlug die Fenster und Kreuzstöcke ein, und stieß die gräulichsten Schimpfworte und Lästerungen gegen den Pfarrherrn aus, der inzwischen immer mehr Bauern mit Sensen und Heugabeln aufforderte, ihr Leben und ihre Hütten gegen Mord und Brand zu schützen.

Hiesel musste der Übermacht weichen.