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Die Macht der Drei – Teil 31

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Mr. E. F. Goody, der Führer der Opposition im australischen Parlament, fasste die Hauptpunkte seiner zweistündigen Rede noch einmal im Schlusswort zusammen.

»Die Welt ist heute zu eng geworden. Es scheint, als ob die beiden großen Staaten nicht mehr nebeneinander Platz haben. Wir müssen unsere Stellung zwischen den beiden Parteien wählen. Beides sind Englisch sprechende Völker. Jedem von uns durch Bande des Blutes verbunden. Staatsrechtlich steht uns England näher. Aber unsere wirtschaftlichen Beziehungen weisen nach Amerika. Der Energie der Vereinigten Staaten verdanken wir es, dass unser Land von dem schweren Druck der japanischen Gefahr befreit wurde. Die Klugheit gebietet uns, heute Anschluss an Amerika zu nehmen …«

Laute Beifallsrufe unterbrachen den Sprecher. Es ging sonst ebenso ernsthaft und gesetzt im australischen Parlament zu wie im Haus der Gemeinen zu London. Aber hier waren die Leidenschaften auf das Höchste erregt. Die weißbärtigen Farmer aus Queensland und Neusüdwales, die Kaufleute aus Viktoria, die Viehzüchter aus Westaustralien und Alexandraland sprangen von ihren Sitzen auf und machten ihrer Begeisterung in lauten Cheerrufen Luft. Es dauerte Minuten, bis der Redner fortfahren konnte.

»… Ich stelle fest, dass Regierungspartei und Opposition in diesem Punkt einig sind. Australien muss sich geschlossen an die Seite Amerikas stellen, wie es Kanada vor fünf Jahren getan hat. Die anglosächsische Rasse hat vor vierzig Jahren die neue Doktrin vom Selbstbestimmungsrecht der Völker verkündet. Diese Lehre ist nie wieder aus der Welt verschwunden. Wir nehmen dieses Recht der Selbstbestimmung für uns in Anspruch und beschließen den Zollbund mit der amerikanischen Union.«

Der Schluss der Rede ging in brausenden Cheerrufen unter. Das alte Parlament, welches hier in Sydney tagte, war nicht wiederzuerkennen. Tücher wurden geschwenkt. Händeklatschen mischte sich in die Beifallsrufe. Einzelne Parlamentsmitglieder sprangen auf die Sitze und gestikulierten mit den Armen.

Die bevorstehende Abstimmung konnte nur noch eine reine Formsache sein. Die einstimmige Annahme des Beschlusses war sicher.

Einzelne Mitglieder verließen den Sitzungssaal, traten in die Vorhalle, sprachen mit Journalisten und Geschäftsfreunden. Von Mund zu Mund sprang die Nachricht weiter, gelangte ins Freie und wälzte sich durch die breiten Straßen Sydneys. Seit dreißig Jahren hatte Australien seine besondere Flagge, den Union Jack, mit dem aufgelegten australischen Wappen. Das Kreuz mit den Symbolen des Landes lag auf dem roten Tuch der britischen Flagge. Jetzt tauchten in wenigen Minuten an unzähligen Fenstern Arrangements der australischen Flagge und des Sternenbanners auf. Es war unbegreiflich, woher diese Unmenge amerikanischer Fahnen im Augenblick kam, die hier im Wind flatterten und den Straßen ein festliches Aussehen gaben.

Während die Begeisterung durch die Straßen lief und das Parlament zur Abstimmung schritt, saß der australische Premierminister G. A. Applebee dem Königlich Großbritannischen Sondergesandten Mr. Swift MacNeill gegenüber.

»Ich habe die Ehre, Ihnen mitzuteilen, dass die englische Regierung die Lage als außerordentlich ernst ansieht. Der Beschluss des australischen Parlamentes ist ungesetzlich, weil er alte, wohlerworbene Rechte des Mutterlandes verletzt.«

Mr. MacNeill sprach die Worte langsam und unbewegt. So mochten vor zweitausend Jahren Tribunen und Legaten die Weltmacht Roms in die Waagschale geworfen haben: Roma locuta, causa finita!

Mr. Applebee überlegte seine Erwiderung sorgfältig, bevor er den Mund aufmachte.

»Es ist der einstimmige Beschluss des Parlamentes, Sir! Ein Land mit einer Bevölkerung von vierzig Millionen steht geschlossen hinter dem Parlament. Dadurch, dass Australien in ein engeres Verhältnis zur amerikanischen Union tritt, hört es nicht auf, ein Freund Englands zu sein …«

»Australien ist ein Teil des britischen Reiches.« MacNeill sagte es kurz und schroff.

»Gewesen, Sir! Bis zum heutigen Tag gewesen! Mit dem heutigen Parlamentsbeschluss nimmt das Land das Recht voller politischer Mündigkeit und Souveränität für sich in Anspruch.«

»Diesen Ausspruch erkennt die britische Regierung nicht an. Ich kann meine Warnung nur wiederholen. Die Lage ist ungemein ernst.«

Die Züge des australischen Ministers röteten sich allmählich. Die innere Erregung ließ seine Stimme vibrieren.

»Die Lage ist für das britische Reich genau so ernst wie für uns, wenn Ihre Regierung darauf bestehen sollte, die einstimmigen Beschlüsse eines freien und mündigen Volkes zu missachten. Australien kann nicht ausgehungert werden. Es hat einen bedeutenden Überschuss an Fleisch und Brot. Es hat in seiner Bevölkerung fünf Millionen wehrhafter Männer …«

»Ich hoffe nicht, dass das Land der Welt das traurige Schauspiel einer abtrünnigen Kolonie bieten wird.« Der Engländer sagte es, um etwas zu sagen. Er war seiner Sache nicht mehr so sicher wie im Anfang.«

Mr. Applebee fuhr fort: »Ein solches Schauspiel mag für England traurig sein. Die Sympathien der Welt sind fast immer bei den Kolonien gewesen, welche die Freiheit für sich in Anspruch nahmen und …«

Mr. Applebee schwieg. Auch der englische Gesandte blieb still. Der Name des Diktators Cyrus Stonard stand unausgesprochen zwischen ihnen. Der Australier fühlte sich der amerikanischen Unterstützung sicher. Der Engländer hatte die Überzeugung, dass die amerikanische Streitmacht in dem Augenblick losschlagen würde, in dem ein englischer Soldat oder ein englisches Schiff die Freiheit des fünften Kontinents antasteten.

»Ich hoffe, dass es der Umsicht der englischen Regierung gelingen wird, die Lage zu entspannen.«

Das waren die Abschiedsworte, mit denen der australische Premier den Gesandten entließ.

Mr. Applebee kehrte in sein Kabinett zurück. Ein Klerk meldete ihm, dass Mr. Jones ihn zu sprechen wünsche. Mr. I. F. E. Jones, der Sondergesandte des Präsident-Diktators. Allright, der sollte die frohe Botschaft aus erster Quelle vernehmen. Der Australier hielt ihm die Liste mit dem Abstimmungsergebnis entgegen.

»Die Sache ist in Ordnung, Sir! Einstimmiger Beschluss von Oberhaus und Unterhaus. Der erste Fall in der Geschichte Australiens, dass ein Beschluss in beiden Häusern mit allen Stimmen angenommen wird.«

Mr. Jones trocknete sich die hohe Stirn mit einem seidenen Taschentuch.

»Ich sehe leider, dass ich zu spät gekommen bin. Ich wollte Sie bitten, die Abstimmung um vierzehn Tage zu verschieben.«

Mr. Applebee sank sprachlos auf seinen Stuhl.

»Ich verstehe nicht. Ich denke, das amerikanische Volk ersehnt die Vereinigung ebenso sehr wie wir?«

»Es ersehnt sie. Nur ein Aufschub von vierzehn Tagen. Aus Gründen der äußeren Politik der amerikanischen Union.«

Mr. Applebee machte eine hilflose Bewegung.

»Wenn ich auch nur mit der Andeutung eines solchen Wunsches vor das Parlament trete, bin ich in zwei Minuten später nicht mehr Minister.«

Der Amerikaner betrachtete seine Stiefelspitzen.

»Ich werde mich umgehend mit Washington in Verbindung setzen, den Tatbestand mitteilen, um neue Instruktionen bitten. Die Sache liegt klar. Der Parlamentsbeschluss ist in der ganzen Stadt, jetzt vielleicht schon in allen Großstädten des Kontinents bekannt. Das Volk auf der Straße ist in einem Freudenrausch. Wir können nicht daran denken, diese Stimmung zu stören. Aber … Sie sind das ausführende Organ für die Beschlüsse. Wenden Sie Ihre ganze Kunst auf, um England hinzuhalten. Beachten Sie wohl, die Sache soll durchaus so vor sich gehen, wie sie verabredet wurde. Sie ist nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Bei dieser Sachlage wird es Ihnen möglich sein, einen Konflikt um vierzehn Tage hinauszuschieben … Ich hoffe, es wird Ihrer Kunst gelingen.«

Mr. Applebee versprach, sein Möglichstes zu tun. Während von draußen her der Jubel der enthusiasmierten Menge dumpf in den Raum drang, empfahl sich der Amerikaner mit kräftigem Händedruck.