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Das Steppenross – Kapitel 12

Das-SteppenrossEduard Wagner
Das Steppenross
Eine Erzählung aus dem Jahr 1865 zu den Zeiten des amerikanisch-mexikanischen Krieges, nach dem Englischen des Kapitän Mayne Reid

Kapitel 12
Grausamkeiten der Guerilla

Die Morgenröte zeigte sich am Himmel, als unsere Hörner zum Aufbruch bliesen und die Jäger aus ihrem Schlummer erweckten. Als sich die Sonne zeigte, sah man Menschen und Pferde in reger Bewegung. Beim abermaligen Ertönen des Horns wurde gesattelt, und bald stellten sich die Züge zum Abmarsch auf dem Platz auf.

In der Mitte des Platzes stand ein Wagen mit einer weißen Plane, mit Maultieren bespannt. Er enthielt das ganze Gepäck des Korps und diente zu gleicher Zeit als Krankenwagen. Gepäck und Kranke waren bereits untergebracht, und der Hornist erwartete meinen Befehl, zum Abmarsch zu blasen.

Ich war wieder zu meinem Lieblingsaufenthalt, dem flachen Dach, hinaufgestiegen. Vielleicht sollte ich das letzte Mal den Fuß hierher setzen. Meine Augen bemerkten nur die Hauptpunkte des Bildes, welches der Platz darbot, gesattelte und gezäumte Pferde, Männer, welche Decken, Halfter und Mantelsäcke zurechtlegten und anschnallten, einige Männer, die bereits zu Pferde saßen, andere, die vor der Tür den letzten Schluck mit ihren mexikanischen Bekannten tranken. Hin und wieder sah man einen Jäger in voller Rüstung vor dem Gitter eines Fensters stehen, mit dem. Gesicht nach dem Inneren, und sich mit jemandem angelegentlich unterhalten. Andere nahmen ihren Abschied unter dem Schatten der Kirchmauer und gruppenweise auf dem Platze selbst. Die Leute des Orts waren trotz der frühen Stunde schon alle aufgestanden und die braunen Mädchen ließen sich am Brunnen von den Jägern die Krüge füllen und auf die Köpfe heben. Dann folgte ein freundliches Gespräch.

Alle, die wir zurückließen, schienen Freunde zu sein. Durch die offenen Türen und Fenster blickten keine feindlichen Gesichter. Nur hin und wieder schlich ein mürrischer Lepero in seiner Decke umher oder kauerte sich an der Straßenecke, ingrimmig unter seinem breitkrempigen Hut hervorblickend. Die größere Zahl dieser Klasse war, wie bekannt, bei den Guerillas. Aber einige hörten dem Gespräch mit den Frauen mit unterdrücktem Zorn zu. Während ich einen hastigen Blick auf die Abschiedsszene warf, entging es mir nicht, dass die Gesichter einiger der jungen Mädchen nicht bloß Trauer, sondern auch Furcht ausdrückten. In diesem Augenblick empfand ich selber ein Gefühl von Unentschlossenheit in mir. Ich hatte mich die ganze Nacht mit dem Gedanken beschäftigt, dass meiner Verlobten während meiner Abwesenheit Gefahr drohen würde. Aber es war mir nicht gelungen, irgendeinen Ausweg zu finden. Die Gefahr, welche sich meine Einbildungskraft vormalte, war unbestimmt, aber umso peinlicher. Nur ein einziger Plan zeigte sich allenfalls ausführbar. Ich konnte eine Zusammenkunft mit Isolina und ihrem Vater herbeiführen und sie bitten, den Schauplatz der Gefahr zu verlassen. Sie konnten nach San Antonio de Bexar gehen und dort das Ende des Krieges abwarten. Aber es war fast keine Zeit mehr übrig, denn wir sollten vor Sonnenaufgang unterwegs sein, und schon brach der Tag an. Aber selbst, wenn ich dies unbeachtet gelassen hätte, da ich meine Truppe leicht wieder einholen konnte, so war es höchst gefährlich, die Familie eines hochstehenden Mannes zu einer solchen Stunde zu wecken.

Im letzten Augenblick bot mir Holingsworth einen Ausweg, indem er mir vorschlug, ich sollte meinen Rat schriftlich hinschicken. Ich folgte diesem Vorschlag, schrieb schnell einige mahnende Zeilen. Es fand sich ein zuverlässiger Bote, welcher versprach, den Brief an seinen Bestimmungsort abzuliefern, sobald die Familie erwacht sein würde.

Mit etwas erleichtertem Herzen gab ich den Befehl zum Abmarsch. Als ich das Horn hell und laut schallen hörte und mein lebendiges Ross unter mir tanzte, fühlte ich meinen Geist beruhigter.

Diese Erheiterung war aber nur flüchtig und vorübergehend. Bald stellte sich die frühere Besorgnis wieder ein. Was ich mir auch verführte, so vermochte ich nicht die Last von meiner Brust abzuwälzen.

Mein Abschied von Isolina hatte mich mit Befürchtungen für die Zukunft erfüllt und es war nicht befremdend, dass ich mit Besorgnis der zukünftigen Zeit entgegen sah, denn ich sollte mein Leben in dem ungewissen Spiel des Krieges wagen, ich konnte auf dem Kampfplatz fallen oder durch ein hitziges Fieber umkommen, welches im Feld mehr Soldaten tötet als das Schwert und die Kugel. Seltsamerweise fürchtete ich aber für mich am wenigsten. Eine dunkle Ahnung sagte mir, dass Isolinas Sicherheit bedroht war, dass ich sie vielleicht nicht wiedersehen sollte.

Dieses furchtbare Gefühl wurde so lebhaft, dass ich mehrere Male mein Pferd anhielt, in der Absicht zurückzureiten. Dann verschwand aber der düstere Gedanke wieder und ich verfolgte meinen Weg mit größerem Mut.

Es würde auch nicht geraten gewesen sein, zu der Ansiedlung zurückzukehren. Schon als wir dieselbe verließen, hörten wir von fern ein höhnisches Gelächter und das Geschrei »Tod den Texanern!«

Meine Jäger waren mit Mühe zurückzuhalten, denn durch jenes Geschrei wurde der Rachedurst in ihnen erweckt. Einer hatte sich im Gefühl der Sicherheit zu lange aufgehalten und sich durch geistige Getränke berauscht. Dieser wurde geprügelt, auf jede Art misshandelt und wäre sogar ermordet worden, wenn nicht die Klügeren vom Pöbel davon abgeraten hätten, weil sie fürchteten, dass die Texaner, die noch nicht weit entfernt waren, wieder zurückkehren konnten.

Meine Leute waren so erbittert, dass sie die Absicht hegten, umzukehren, um den Ort in Brand zu stecken. Die Lehre, welche der Misshandelte erhalten hatte, war indessen sehr heilsam, denn das unerlaubte Zurückbleiben gehörte zu den übelsten Gewohnheiten meiner Jäger. Überdies war der Geprügelte ein nichtsnutziger Bursche, der das Mitleid seiner Gefährten kaum verdiente.

Unterwegs wurden wir der Guerillas gewahr. Man feuerte sogar von einem Hügel mehrere Schüsse auf uns. Eine Abteilung, welche ich zu dem Ort hinschickte, traf aber keinen Feind an. Von fern sahen wir zu wiederholten Malen einige Bewaffnete die Hügel hinabreiten und bemerkten auch Hufspuren. Ohne Zweifel gehörten die Reiter zu der Bande Ijurras. Ich glaubte aber damals, dass eine andere stärkere und gut organisierte Macht in der Nähe versteckt wäre und hielt es für notwendig, mit der größten Vorsicht vorzurücken.

Als wir die Stadt erreichten, fanden wir zu unserem Erstaunen die Division noch anwesend. Sie hatte noch vormittags abmarschieren sollen, aber durch einen Gegenbefehl aus dem Hauptquartier war die Bewegung noch auf einige Tage verschoben worden.

Da bereits alle Gebäude, die uns zur Verfügung standen, von den Truppen eingenommen waren, so wurden wir Jäger genötigt, im Freien zu lagern und erhielten unseren Lagerplatz eine halbe Meile vor der Stadt angewiesen. Nachdem wir am Ufer des schönen Baches unsere Pferde angebunden und unsere Zelte aufgeschlagen hatten, waren wir auf unsere Bequemlichkeit bedacht.

Ich hielt mich nicht lange im Lager auf. Kaum waren unsere Zelte aufgeschlagen, so kehrte ich wieder zur Stadt zurück. Ich hatte dabei die doppelte Absicht, mich ein wenig durch geselligen Verkehr zu zerstreuen und zugleich Nachrichten über die Bewegung der Armee zu erhalten. Unter den verschiedenen Regimentern der Division hatte ich einige alte Bekannte und war nach der langen Einsamkeit nicht abgeneigt, meinen Geist durch die Erneuerung früherer freundschaftlicher Verhältnisse zu erheitern.

Im Hauptquartier hörte ich bestimmt, dass wir vor acht Tagen nicht abmarschieren würden. Nachdem ich diese Nachricht erhalten hatte, begab ich mich zum Sammelplatz der fröhlichsten Offiziere und traf hier meine ehemaligen Freunde, durch die ich auf kurze Zeit von meinen peinigenden Gedanken befreit wurde.

Angenehm war es mir zu bemerken, dass sich zwischen unseren Truppen und den Bewohnern der Stadt ein freundschaftliches Verhältnis hergestellt hatte. Es war dies durch das vortreffliche Benehmen unserer Truppen bewirkt worden, denn man verglich unser Betragen mit dem, welches die mexikanische Armee vor kurzer Zeit gezeigt hatte. Die eigenen Landsleute nämlich hatten die Gewohnheit, sich alle möglichen Dinge anzueignen, unter dem Vorwand, dass dies zur Verteidigung des Staates notwendig sei. Wir dagegen bezahlten alles in baren amerikanischen Dollar und zwar zu hohen Preisen. Wenn einmal ausnahmsweise eine Gewalttätigkeit seitens unserer Soldaten vorkam, so wurde sie von dem General streng bestraft. So verglichen unsere Feinde das bescheidene Betragen der Amerikaner mit dem dünkelhaften und frechen Benehmen ihres eigenen Militärs, die sich in ihren goldgestickten Uniformen brüsteten und sich unendlich viel besser dünkten als die Bürger. Innerhalb der Mauern ging alles in der höchsten Ordnung zu. Das Privateigentum wurde streng geachtet und keine Privatwohnung von unseren Truppen besetzt. Die Mehrzahl der Soldaten lebte unter Zelten und selbst die Offiziere mussten sich mit unbequemen Wohnungen behelfen, um nicht in Privathäusern einquartiert zu werden. Diese Milde setzte die Mexikaner fast in Erstaunen, während sie bei den Truppen beinahe Unzufriedenheit erregte. Anders ging es zwischen den Nachzüglern und den Leperos zu, und hier fielen zuweilen grausame Auftritte vor.

Wenn schon uns die Leute wegen unseres menschlichen und milden Verfahrens geneigt waren, so wurde dieses Wohlwollen noch dadurch erhöht, dass sie einsahen, wir beabsichtigten den Krieg in allem Ernst. Sie hielten es nicht für unmöglich, dass das ganze Tal des Rio Grande amerikanisches Gebiet werden würde. Mochte ihnen dies angenehm oder unangenehm sein, so fürchteten sie in uns doch ihre künftigen Gebieter.

Es ließ sich leicht erklären, dass uns die reichen Kaufleute geneigter waren als das eigentliche Volk, denn das Letztere besaß in höherem Grad die beschränkte Vaterlandsliebe und war williger, für den heimischen Druck zu kämpfen, als seine Freiheit von einem fremden Volk anzunehmen. Die reichen und gebildeten Familien von Mexiko hatten dagegen guten Grund, freundlich gegen uns zu sein, da Vermögen und Gesittung durch ihre eigene Regierung schlecht behütet worden war.

Es waren sogar sehr vertrauliche Verhältnisse eingegangen worden. Einer unserer Offiziere hatte sich mit einer reichen Dame des Ortes vermählt, und man hatte die Hochzeit glänzend und prächtig gefeiert. Ein Zweiter war verlobt, und man hoffte, dass er zahlreiche Nachahmer finden werde. Nach solchen angenehmen und interessanten Nachrichten konnte ich mit leichterem Herzen zum Lager zurückkehren.

Der Besuch meiner Kameraden brachte wieder eine angenehme Aufregung in mir hervor, die aber leider zu bald verrauschte.

Es gibt gewisse Zeiten, wo wir innerlich eine gewisse Warnung zu hören glauben, ebenso wie wir in der äußeren Welt durch das Gebaren mancher Tiere vor dem Erdbeben und dem Sturm gewarnt werden. Dieser Glaube an Ahnungen wurde stärker, wenn ich mich öfter und länger meinen Gedanken überließ. Ich fand jedoch einige Erleichterung in einem Plan, den ich entwarf.

Ich wollte zwanzig meiner besten Leute nehmen, mit ihnen zurückreiten, den Trupp in der Nähe der Hazienda verstecken und das Haus allein betreten, um meine schriftlichen Ratschläge noch mündlich zu unterstützen. Fände ich meine schriftlichen Ratschläge bereits befolgt, so wollte ich umso beruhigter und zufriedener zurückkehren.

Ich hatte meinen Leuten die Stunde bestimmt, wann wir unbemerkt das Lager verlassen wollten.

Die Zeit der Dunkelheit war dazu festgesetzt und zwar aus Vorsicht, weil ich nicht wünschte, dass dieser Streifzug im Hauptquartier bekannt werde. Allerdings wurden wir als nichtreguläre Truppen fast immer von der Division getrennt, und man vermisste unsere Abwesenheit selten. Namentlich hatte ich in meiner Stellung eine gewisse Unabhängigkeit, die mir gefiel. Dennoch wünschte ich nicht, dass die beabsichtigte Expedition offen bekannt würde. Ich beabsichtigte zwar, nur einen kleinen Trupp mitzunehmen, dennoch war Vorsicht nötig, denn wenn ein Schnellbote uns auf der Straße überholte, so konnte die Nachricht von unserer Unternehmung vorauseilen. Ich hatte ferner die erste Stunde der Dunkelheit gewählt, weil ich nicht die Bewohner der Hazienda durch einen Besuch mitten in der Nachtruhe erschrecken wollte. Wenn wir scharf ritten, konnten wir in anderthalb Stunden die Tore des ländlichen Hauses erreicht haben.

Beim Beginn der Dämmerung saßen wir im Sattel und ritten schweigend in das Gehölz, das unser Lager begrenzte. Nachdem wir eine Zeitlang auf einem schmalen Pfad geritten waren, gelangten wir auf die Straße, welche dem Fluss aufwärts zu der Ansiedlung hin folgte. Die Trapper, Rube und Garey, welche als Kundschafter dienten, zogen zu Fuß voraus, während ihre Pferde hinten beim Trupp blieben.

Die Art, in welcher wir marschierten, nahm ich stets auf unseren Zügen im Wald an. Befindet sich eine Streitmacht auf dem Marsch, so ist es gut, wenn die Späher immer zu Fuß gehen, mag der Haupttrupp aus Fußvolk oder aus Reiterei bestehen. Sie können dann jeden Vorteil des Bodens benutzen, sich im Wald verborgen halten und die Biegung der Straße umso sicherer auskundschaften. Die größte Gefahr für einen Späher und folglich auch für einen Trupp, welchem er angehört, liegt darin, dass er zuerst gesehen werden kann. Diese Gefahr vermehrt sich aber, wenn er zu Pferde ist. Man kann ein Pferd nicht leicht verstecken und der Schall der Hufschläge ist in der Ferne zu hören. Ein Mann zu Fuß, namentlich ein solcher, wie unsere beiden Trapper, wird gewöhnlich den Feind früher entdecken, als er selber entdeckt oder überfallen wird. Natürlicherweise darf sich der Späher nicht zu weit entfernen, damit ihm möglich wird, sich zu seinen Trupp zurückzuziehen.

Wir setzten volles Vertrauen auf unsere Späher und ritten in mäßigem Schritt, um sie nicht einzuholen. Von Zeit zu Zeit erblickten wir sie in der Ferne, wie sie am Rand des Gebüsches entlang schlichen oder sich dahinter duckten, nur die vor ihnen liegende Straße auszukundschaften. Es war uns nicht lieb, dass wir ihre Gestalt im Mondschein deutlich erkennen konnten, eine dunklere Nacht wäre uns lieber gewesen.

Der Weg, welchen wir ritten, zeigte keine Spur von Wohnungen und zog sich durch niederes Gehölz, ohne Lichtungen oder Häuser zu berühren. Nur auf dem halben Weg zwischen der Stadt und der Ansiedlung stand ein einsames verfallenes Haus. Wir waren diesem Haus etwa eine halbe Meile nahe gekommen, als wir ein seltsames Gemisch von Stimmen hörten. Es waren Menschenstimmen, die uns vom Wind zugeführt wurden und die wir bald als weibliche erkannten. Die meisten wenigstens hatten den weichen Klang der weiblichen Stimme, doch mischten sich zuweilen auch rauere Töne in das Gemurmel.

Wir hielten an und lauschten. Die Stimmen erschollen noch immer in verworrenem Gemisch und es war deutlich, dass sie nicht Freude, sondern im Gegenteil Jammer und Wehklage ausdrückten.

Unwillkürlich drückten wir unseren Pferden die Sporen ein und galoppierten vorwärts.

Wir hatten kaum dreißig Schritte zurückgelegt, als ein Mann aus der entgegengesetzten Richtung schnell auf uns zukam. Als wir den Späher Garey erkannten, hielten wir an und warteten, dass er näher käme.

Ich, der ich mich an der Spitze des Korps befand, erkannte des Trappers Gesicht im hellen Mondschein und sah, dass er uns eine schlimme Nachricht verkündigen würde. Indem er die Hand auf meinen Sattel legte, sagte er in leisem, traurigen Ton: »Schlimme Nachrichten, Captain!«

»Schlimme Nachrichten?«, stammelte ich. »Sprechen Sie, Garey, nur des Himmels willen!«

»Die Schurken haben in der Ansiedlung den Teufel gespielt und sich noch schlimmer als Indianer benommen. Aber, kommen Sie, Captain, und sehen Sie selber! Die Frauen sind hier in dem Schuppen in der Nähe und Rube versucht, die armen Geschöpfe zu trösten.«

Ich ritt so schnell wie ich konnte vorwärts, hatte den Rancho in zwei Minuten erreicht und erblickte ein Schauspiel, das mein Blut erstarren ließ.

Auf dem freien Raum vor der Hütte stand eine Gruppe von sechs bis sieben Frauen, größtenteils Mädchen. Rube mit drei anderen Männern stand bei ihnen und bemühte sich, sie in gebrochenem Spanisch zu trösten. Die Frauen waren halb nackt, ihr langes schwarzes Haar fiel verworren über ihre Schultern, und ich erblickte Blut daran, ebenso auf ihren Wangen, auf ihrem Nacken und an ihren Händen. Im Mondschein zeigte sich auf der Stirn einer jeden ein rotbrauner Fleck, als ob die Haut verbrannt sei. Ich ritt näher und untersuchte es. Es war das Zeichen mit einem glühenden Eisen eingebrannt. In der Mitte des scharlachroten Kreises konnte ich die Umrisse der beiden Buchstaben erkennen, welche wir auf unseren Knöpfen trugen: U.S.

Das Mädchen, welches mir zunächst stand, warf das starre Haar von den Wangen zurück und hob die Hände empor. Mein Blut erstarrte, als ich sah, dass ihre Ohren abgeschnitten waren.

Ich konnte mich bald überzeugen, dass man mit den anderen auf gleiche Weise verfahren war. Über ihren Nacken rieselte ein roter Strom. Die Männer waren in ähnlicher Weise verstümmelt, man hatte ihnen die rechte Hand abgehauen. Entsetzlicher Anblick! Die Männer und Frauen sammelten sich um mich und umfassten flehend meine Knie. Die meisten von ihnen waren mir bekannt, sie waren Freunde des Trupps gewesen.

Meine Begleiter zogen die Pistolen und Messer und verlangten in rasender Wut, ich sollte sie vorwärts führen. Selbst die Kaltblütigsten unter ihnen erschienen wie wahnsinnig. Ich konnte sie kaum zurückhalten, bis wir die Geschichte gehört hatten, die uns von allen Zungen erzählt wurde. Einer der Männer, ein gewisser Pedro, sprach zusammenhängender und wir erfuhren von ihm Folgendes:

Kurz nachdem wir die Ansiedlung verlassen hatten, waren die Guerillas in das Dorf gedrungen mit dem Geschrei: »Es lebe Santa Anna! Es lebe Mexiko! Tod den Yankees!« Sie brachen mehrere Schenken auf, berauschten sich in Mezcal und vereinigten sich mit dem: Pöbel. Dann zerstreuten sie sich nach verschiedenen Richtungen und drangen mit Gebrüll in die Häuser.

Alle, welche sich freundlich gegen die Amerikaner gezeigt hatten, wurden unter Flüchen und Verwünschungen auf den öffentlichen Platz geschleppt, angespien und mit Kot und Melonenschalen beworfen. Einige riefen: ›Schlagt sie tot!‹ Andere verlangten, man solle sie zeichnen, damit ihre Freunde sie wieder erkennen könnten. Die Frauen, welche mit ihnen verbunden waren, zeigten sich noch wilder als die Männer. ›Schneidet ihnen die Ohren ab!‹ riefen sie, und dem Schmied gebot man, das Eisen zu bringen.

Der Schmied und der Schlächter, die unter dem Haufen sich befanden und halb betrunken waren, kamen der Forderung bereitwillig nach. Während der Erste sein Eisen zum Brandmarken brauchte, verübte der Letztere sein blutiges Gewerbe mit dem Messer.

Die Anführer der Guerillas waren maskiert und sahen dem Vorgang vom Haus des Alcalden zu. Pedro hatte den einen trotzdem an seiner hohen Gestalt und dem roten Haar als El Zorro erkannt und zweifelte nicht, dass es die Bande des Don Rafael Ijurra war.

Ich fragte Pedro, ob die Bande die Ansiedlung nach ihrem Fortgehen verlassen hätte.

Pedro glaubte es nicht. Die übrigen Opfer waren, nachdem sie den Händen des Pöbels entronnen waren, in das Gehölz geflohen, um zum amerikanischen Lager zu gelangen. Rube hatte die einzelnen auf der Straße bei dem Haue zurückgehalten, um unsere Ankunft zu erwarten.

Pedro fürchtete, es sei noch nicht alles. Der Alcalde sei sicherlich ermordet worden. Die letzte Mitteilung machte mir der Bursche flüsternd und mit traurigem Blick.

Es entstand nun die Frage, ob wir eine Verstärkung holen lassen und ihre Ankunft erwarten oder sogleich gegen die Ansiedlung vorrücken sollten. Alle waren einstimmig für das Zweite.

Wir waren stark genug und der Durst nach Rache zu groß. Die Frauen setzten ihren Weg zum Lager fort. Pedro, den wir zur Führung brauchten, musste hinter einem der Leute aufsitzen und uns begleiten.

Als wir weiterritten, sahen wir eine Gestalt auf der Straße, die bei unserer Annäherung sich in einem Gebüsch zu verstecken versuchte. Rube und Garey eilten voraus und brachten nach wenigen Minuten einen jungen Mexikaner zurück.

Es war ebenfalls ein Opfer der Wut geworden, hatte aber den Schauplatz später verlassen als alle übrigen.

Ich fragte, ob sich noch die Mexikaner im Dorf befänden.

Sie hatten es verlassen.

»Wohin sind sie gegangen?«, fragte ich ängstlich.

»Sie nahmen den Weg am Fluss entlang zur Hazienda de Vargas. Sie kamen bei mir vorüber, während ich hinter einem Aloegebüsch versteckt war. Ich hörte ihr Geschrei, als sie vorüberzogen.«

»Was für ein Geschrei?«

»Sie riefen: Tod den Verrätern! Tod dem Vater! Tod Isolina!«