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Der Marone – Die Verfolgung der Nachtschwärmer

Der-Marone-Zweites-BuchThomas Mayne Reid
Der Marone – Zweites Buch
Kapitel 34

Die Verfolgung der Nachtschwärmer

Der Marone brauchte nur wenige Augenblicke, um die Spur der beiden Nachtschwärmer ausfindig gemacht zu haben.

An dem Punkt, wo sie die Lichtung verließen, führte ein Pfad die Höhen hinauf zu dem Jumbéfelsen. Es war eigentlich bloß ein Weg für Vieh, der wohl nur selten von Menschen benutzt wurde. Da dies jedoch der einzige gangbare Weg hier war, und da Cubina nicht wohl annehmen konnte, dass Jessuron und seine Begleiterin blindlings das Dickicht zu durchbrechen versuchen würden, so war er überzeugt, dass sie diesen Weg eingeschlagen haben mussten.

Als er schnell, dabei doch leise, auf diesem Weg fortschritt, bekam er sie beide bald zu Gesicht.

Der tiefe Schatten der ungeheuren Riesenbäume des dichten Urwaldes, den die beiden Nachtschwärmer durchschritten, war seinen Absichten durchaus günstig. Ohne alle Gefahr, gesehen zu werden, vermochte er sie in Sicht zu behalten und sie auch ganz gut zu hören.

Jessurons Aufmerksamkeit war für den Augenblick viel zu sehr mit seinen eigenen Plänen und Absichten beschäftigt, als dass er jetzt hätte argwöhnisch sein sollen. Die Mulattin quälte sich wohl niemals sehr viel darum, ob man ihr nachfolge oder nicht. Hätte sie es gewusst, ja hätte sie nur geahnt, dass ihr Gang jetzt nachgespürt werde, und noch dazu von Cubina, dem Maronen, so würde dies ihre Sinne bedeutend verschärft haben.

Sie scheinen wirklich zu dem Jumbéfelsen zu wollen!, dachte Cubina, als die beiden die Bergschlucht zu erklimmen begannen. Caramba! Das ist sonderbar genug! Was wollen die da um diese Stunde in der Nacht machen? Und wer ist der, der nach Jessuron gesandt hat? Für ihn trug sie einen Vorratskorb! Danach muss es wohl ein weggelaufener Sklave sein? Aber was hat der alte Jessuron mit einem weggelaufenen Schwarzen zu tun? Aus seinem Bette aufstehen um diese nächtliche Zeit und drei Meilen weit durch die Wälder laufen! Deswegen sagt man auch, dass er gar nicht schläft, und die Nacht ihm wie der Eule die liebste Zeit ist! Etwas muss gegen den Custos in Anschlag sein und vorbereitet werden, denn das Mädchen ist ein wahrer Teufel. Eigentlich würde ich mich um ihn gerade nicht so sehr viel bekümmern, er ist nicht viel, und hilft mir jetzt nur, weil er den Jessuron hasst. Für ihn würde ich wahrhaftig nichts tun, aber für seine Tochter, da wollte ich nach dem, was Yola mir gesagt hat, bis ans Ende der Welt rennen. Ja! Vielleicht kann ich ihr auch hier einen Dienst erweisen. Valga me Dios! Was ist nun da? Sie bleiben stehen!

Jessuron und seine Gefährtin hatten, ungefähr hundert Fuß von ihm entfernt, plötzlich Halt gemacht und schienen den Weg zu prüfen.

Cubina hielt ebenfalls an, duckte sich geschwind in den dunklen Schatten der nächsten Büsche und wartete, bis die anderen vorwärts gehen würden.

Das taten sie auch nach einiger Zeit mit eiligen Schritten wie zuvor, nur in einer ganz anderen Richtung.

»Ho, ho!«, murmelte der Marone. »Nicht zum Jumbéfelsen, sondern zum Teufelsloch! Ich weiß es nun wohl, der Weg teilt sich da, und sie haben jetzt den zum Teufelsloch eingeschlagen! Nun wohl, da weiß ich noch mehr. Carrai! Das Teufelsloch! Erzählten mir nicht letzthin einige von meinen Burschen, dass sie da so sonderbare Stimmen vernommen hätten? Quaco will ja sogar beschwören, dass er den Geist des alten Chakra, des Myalmannes, am Rand des Felsens habe stehen sehen! Die gehen dahin, so gewiss mein Name Cubina ist!«

Mit dieser Mutmaßung verließ der Marone den dunklen Schatten, unter den er sich zuvor geflüchtet hatte, und eilte den beiden auf dem nun eingeschlagenen Weg nach.

Ungefähr tausend Fuß weiter wurde seine Mutmaßung vollkommen bestätigt. Die von ihm Überwachten hatten den Rand des Abgrundes erreicht, der das Teufelsloch überragte und verharrten dort.

Cubina blieb ebenfalls stehen und verbarg sich wie zuvor in den tiefen Schatten der Büsche.

Kaum hatte er sich niedergekauert, so hörte er einen durchdringenden, aber doch behutsamen Pfiff, der nicht mit dem Mund allein gemacht sein konnte, sondern von einem Instrument herkam, einem Schilfrohr oder auch einer gewöhnlichen Hundepfeife. Es war offenbar ein Zeichen, das von Cynthya oder auch von Jessuron gegeben wurde. Wer es gewesen war, konnte Cubina nicht wissen.

Nur ein Zeichen war gegeben worden und keine Antwort erfolgte darauf, denn der gleiche Ton, der wie ein Echo aus dem fernen Wald kam, war nachgemacht und lediglich der untergeschobene und verstellte Ruf des Spottvogels.

Cubina, wohl erfahren und geübt, die verschiedenartigen in der Nacht erschallenden Töne zu unterscheiden, beachtete diesen entfernten Schall nicht weiter, sondern verwandte seine ganze Aufmerksamkeit darauf, die Bewegungen der beiden am Felsenrand Stehenden zu beobachten.

Nachdem sie mehrere Augenblicke gewartet hatten, sah er sie beim Mondlicht deutlich sich bewegen und dann auf einmal vor seinen Augen verschwinden, freilich nicht in die Luft zerfließend, sondern in den Abgrund versinkend, als ob eine Falltür sie ins Innere der Erde aufgenommen hätte!

Dies sah er ohne besondere Verwunderung, denn er wusste, sie mussten den Felsenabhang hinunter gegangen sein. Nur wie sie dies angefangen hatten, erregte ein wenig sein Erstaunen.

Dieses dauerte aber auch nicht gar lange, denn bald stand er am Rand des Abgrundes auf derselben Stelle, wo sie eben verschwunden waren.

Er sah sofort hinunter und konnte, wenn auch nur schwach, doch hinlänglich deutlich zwischen dem Flechtwert der Zweige und den die Felsenwand bekleidenden, wild verschlungenen Baumwurzeln, Kriech- und Schlingpflanzen eine Art von hinab führenden Pfad ausmachen und vermochte sogar beim täuschenden Mondlicht ganz wohl zu unterscheiden, dass menschliche Hände die natürliche Leiter noch verbessert hatten.

Lange verweilte er bei dieser Untersuchung nicht, da ein wichtiger Gegenstand seine ungeteilte Aufmerksamkeit sofort anzog. Auf der Oberfläche des Sees, der im silbernen Mondschein klar wie ein glänzender Spiegel in einem dunklen Mahagonirahmen da lag, bewegte sich etwas von deutlich länglich runder Gestalt, offenbar ein kleiner Nachen.

In dem Nachen lag eine Gestalt niedergekauert. War dies eine menschliche oder ein böser Geist?

Das Aussehen war offenbar mehr das eines bösen Geistes, die Gestalt kaum eine menschliche. Lange, affenähnliche Arme, ein krummer Rücken, Zähne, die im Mondschein fast wie die Schneidezähne eines Haies glänzten und Gesichtszüge, die nur dem, der sie schon früher gesehen hatte, menschlich erscheinen konnten!

Cubina hatte sie allerdings schon früher gesehen. Ihm waren sie, wenn auch nicht besonders vertraut, doch hinlänglich bekannt, um sie sofort wieder zu erkennen.

Es war nicht der Geist Chakras, aber Chakra selbst aus Fleisch und Blut.

Ende des zweiten Buches