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Schwäbische Sagen 30

Schwäbische-Sagen

Sechstes Kapitel

Tiere

Die Schlange und das Kind
l.

Eine mündliche Überlieferung aus Nagold

In Schwandorf bei Nagold gab eine Mutter ihrem Kind, so oft sie ins Feld musste, einen ganzen Hafen voll Milch und ließ das Kind damit allein im Garten. Da wunderte sich die Mutter, dass die Milch jedes Mal rein ausgegessen war, wie groß der Hafen auch sein mochte. Und weil das Kind sagte, es komme immer ein Vöglein und esse mit, so passte die Mutter eines Tages auf und sah, dass alsbald eine Schlange aus der Mauer hervorkroch und mitaß. So oft das Kind einen Löffel voll genommen hatte, steckte die Schlange ihren Kopf in den Hafen und trank, und so ging das fort, eins ums andere. Dabei wurde die Schlange nicht böse, als das Kind sie mit dem Löffel auf den Kopf schlug und sagte: »Iss et no Ilch, iss au Ickle!« (Brickle, d. i. Bröckle) Nach dem Essen legte sich die Schlange dem Kind in den Schoß und spielte mit ihm. Als die Mutter sah, dass sie dem Kind nichts zuleide tat, ließ sie diese gewähren und gab ihr auch später, als das Kind schon erwachsen war, noch lange Zeit allein täglich ihre Milch.

Solche Schlangen darf man nicht töten. Es bringt dem Kind sonst Unglück und kann ihm selbst das Leben kosten.

2.
Eine mündliche Überlieferung aus Thieringen

Eine Mutter in Thieringen gab ihrem Kind Milch und Brot zu essen und setzte es damit ins Nebenstübchen. Bald rief das Kind nach mehr Milch. Als die Mutter sich darüber wunderte, dass die Milch schon getrunken war, während das Brot noch meist ungegessen dalag, sagte das Kind, ein Vöglein habe mitgegessen.

Die Mutter gab ihm nun frische Milch, hörte es aber bald laut reden, indem es rief: »Iss et no Schlappe, iss au Mocke!«

Und als die Mutter hinsah, schlug das Kind eine Schlange, welche ihm die Milch ausfraß, mit dem Löffel auf den Kopf. Die Schlange ertrug das von dem Kind, ohne ihm ein Leid zuzufügen, und deshalb ließ die Mutter sie gewähren.

3.
Eine mündliche Überlieferung aus Rotenburg a. N.

Ein Weingärtner aus Rotenburg ließ oftmals sein Kind allein zu Haus, wenn er schon frühmorgens in den Weinberg ging. Er stellte ihm dann seine Milch zurecht und legte ihm ein Stück Brot daneben. Sobald es nun erwachte und frühstückte, kam immer eine Schlange durchs Fenster und aß mit, was das Kind geschehen ließ.

Einst sah jemand, der vorüberging, durchs Fenster und hörte, wie das Kind zu der Schlange sagte: »Iss et no Ilch, iss auch Ickle!« Und dabei schlug es die Schlange mit dem Löffel auf den Kopf.

Später soll man die Schlange totgeschossen und noch lange aufbewahrt haben.


Die Schlange und die Magd
Eine mündliche Überlieferung aus Derendingen

In einem Stall fand sich regelmäßig, so oft die Magd melkte, eine Schlange ein und bekam jedes Mal von der frisch gemolkenen Milch zu trinken. Als die Magd sich verheiraten wollte und zum letzten Mal die Schlange tränkte, war diese mit einer goldenen Krone, die sie auf dem Kopfe trug, gekommen und ließ dieselbe beim Fortgehen für die Magd zurück.


Die verschluckte Schlange
Eine mündliche Überlieferung aus dem Schwarzwald

Im vorderen Schwarzwald war eine Magd, die hatte beim Wassertrinken eine ganz kleine Schlange verschluckt, wovon ihr der Leib allmählich sehr dick wurde, denn die Schlange blieb in ihr und wurde immer größer. Mittags aber, wenn die Magd melkte, überfiel sie jedes Mal eine solche Müdigkeit, dass sie eine kleine Weile die Augen schließen und schlafen musste. Dann kam die Schlange aus ihr heraus, trank von der warmen Milch und kroch, wenn sie satt war, wieder in die Magd hinein, worauf diese dann alsbald erwachte. Endlich merkten dies die Hausleute und passten auf und schlugen die Schlange tot, darauf verlor die Magd ihren dicken Leib.


Die Schlange mit der Goldkrone in Stuttgart
Eine mündliche Überlieferung aus Stuttgart. Auch von anderen Häusern in Stuttgart geht die Sage aus, dass sie auf diese Art reich geworden seien.

An der neuen Brücke in Stuttgart, da wo das Gutbrodsche Haus steht, wohnte früher ein Seiler. Der hörte einst im Nebenzimmer sein Kind, während es frühstückte, die Worte sprechen: »Iss et no Ilch, iss au Ocke!«

Weil das Kind allein in der Stube war, fiel dem Vater die Rede auf. Er guckte deshalb durchs Schlüsselloch und sah alsbald, dass eine Schlange, die eine prächtige Goldkrone trug, mit dem Kind aus einer Schüssel aß. Am folgenden Morgen passte er nun auf, und als die Schlange wieder kam und Milch trank, schlich er sich mit einem Beil hin und schlug sie tot. Durch die goldene Krone, die er so gewonnen hatte, wurde er unermesslich reich und baute sich ein neues, großes Haus, das seine Nachkommen noch heute bewohnen.


Die Schlange in der Steinlach
Eine mündliche Überlieferung aus Derendingen

Ein Bauer aus Derendingen hatte schon oft in der Steinlach eine Schlange gesehen, die sich badete. Eine goldene Krone, die sie auf dem Kopf trug, legte sie jedes Mal vorher ab. Da gelüstete ihn die Krone und er beschloss, sie der Schlange zu stehlen, ritt eines Tags, als sie eben badete, hin und nahm die Krone und jagte davon. Die Schlange merkte sogleich den Diebstahl und schoss hinter ihm her. Weil der Bauer aber bald links, bald rechts auswich und durch Kreuz- und Quersprünge die Schlange nötigte, sich beständig zu drehen und zu wenden und dadurch sie im Lauf aufhielt, so kam er glücklich an sein Haus und ritt in die Scheuer, die er vorher hatte aufmachen lassen. So wie der Knecht aber, den er aufgestellt hatte, die Tür eben zuschlagen wollte, kam auch die Schlange angeschossen und wurde unter der Tür zerquetscht, dass sie starb. Der Bauer aber ist steinreich geworden.


Der Schlangenkönig und seine Krone
Eine mündliche Überlieferung aus Nagold

Bei Wildberg badete sich oftmals in der Nagold eine Schlange, die trug eine Goldkrone auf dem Haupt. Vor dem Baden aber legte sie jedes Mal die Krone ab. Das hatte ein Mann aus Wildberg gesehen und passte ihr eines Tages ab, als sie ins Bad gegangen war, und stahl ihr die Krone, ohne dass sie es merkte, und flüchtete damit auf einen Baum, der in der Nähe stand. Als die Schlange nun aus der Nagold kam und ihre Krone nicht mehr fand, gab sie einen hellen, schrillenden Ton von sich, worauf mehr als hundert Schlangen von allen Seiten herbeieilten und überall hin- und herliefen und die Krone suchten. Hätten sie den Dieb erwischt, so würden sie ihn umgebracht haben. Allein sie entdeckten sein Versteck nicht und gingen traurig wieder fort.

Gegen Abend kam die kronentragende Schlange, welche ein Schlangenkönig war, wiederum an den Platz, wo sie sich gebadet und ihre Krone verloren hatte und starb auf der Stelle. So sehr bekümmerte sie der Verlust der Krone.

Andere sagen, man könne dem Schlangenkönig am leichtesten die Krone entwenden, wenn man einen schweren Stein darauf decke, sobald er sie abgelegt. Dann schwingt er sich in die Höhe und schießt so lange auf den Stein herab, bis er tot liegen bleibt.


Die Schlange auf dem Spitzberg
Eine mündliche Überlieferung aus Hirschau, Weilheim, Tübingen

Auf dem Spitzberg zwischen Tübingen und Hirschau, da wo die Ödenburg der Pfalzgrafen von Tübingen gestanden hatte, hauste noch vor etwa hundert Jahren eine Schlange, die auf dem Kopf eine Krone und am Hals einen Schlüssel trug. Sie kam oft bis mitten auf den Steg herunter, der am Fuß des Spitzberges über den Neckar führt, und badete sich im Neckar, nachdem sie ihre Krone zuvor abgelegt hatte.


Die Schlange in Niedernau
Eine mündliche Überlieferung aus Niedernau

Auf der zerstörten Burg des Ritters von Ehingen, dem sogenannten »alten Schloss« bei Niedernau, ließ sich früher eine Schlange sehen, die auf dem Kopf ein goldenes Krönlein trug und in dem Talbach sich badete. Auch eine weiße Frau geht dort um´.