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Schwäbische Sagen 29

Schwäbische-Sagen

Die Hexe verführt ein Kind

Die Magd eines württembergischen Pfarrers war eine Hexe und wollte des Pfarrers Töchterlein, das noch nicht sieben Jahre alt war, ebenfalls zu einer Hexe machen. Wäre das Kind schon über sieben Jahre alt gewesen, so hätte es die Hexerei nicht mehr erlernen können. Die Magd fing nun damit an, dass sie das Mägdlein lehrte, mittelst eines gewissen Spruches aus mancherlei Dingen Blut zu melken, und dies machte dem Kind solche Freude, dass es, ungeachtet ihm von der Magd hoch und teuer befohlen war, niemand etwas zu verraten, nicht unterlassen konnte, seinem Vater das Blutmelken aus einem Handtuch zu zeigen.

Nachdem der Pfarrer erfahren hatte, dass sein Töchterlein dies von der Magd gelernt hatte, beschloss er, beide nicht mehr am Leben zu lassen. Er rief die Magd herbei, ermahnte sie nachdrücklich zur Buße und beschwur sie, ihm nach ihrem Tod kundzutun, ob sie Verzeihung ihrer Sünden erlangt habe.

Einige Zeit nachher gab er ihr und seinem Kind einen Trank, wodurch beide in einen tiefen Schlaf fielen und nicht wieder erwachten.

In der dritten Nacht nach ihrem Tod kam die Magd vor das Pfarrhaus und zog an der Glocke. Als der Pfarrer zum Fenster heraussah, vernahm er eine Stimme, die rief:

Gott einmal verschworen,
Ist ewig verloren!

Hierauf ist sie verschwunden und hat sich niemals wieder gezeigt.


Hausversicherung gegen Hexen
Eine mündliche Überlieferung aus Tübingen

Ein Tübinger Bürger konnte keine rote Kuh gesund im Stall behalten. Schon nach wenigen Wochen zehrte sie jedes Mal so ab, dass er sie nur schnell um jeden Preis verkaufen musste, wenn er sie nicht ganz verlieren wollte. Sobald die Kuh aber aus dem Stall war, erholte sie sich gleich wieder. Da ließ der Mann endlich seinen Kuhstall auf Jahre gegen Hexen versichern, und das ging so zu.

Ein Hexenbanner vergrub unter allerlei Aussprüchen einen Hund, der noch geschlossene Augen haben musste, hinter der Türschwelle des Stalles und bedeckte die Stelle mit einem Brett. Ferner wurde ein beschriebenes Stück Papier im Stall befestigt. Sodann riet er dem Hausherrn, der größeren Sicherheit wegen, immer nur ganz schwarze Kühe zu nehmen und daneben auch einen schwarzen Bock, dessen Geruch den Hexen zuwider ist, zu halten. Seitdem er das getan hatte, da ging es.


Hexenbäume
Eine mündliche Überlieferung

Auf dem Heuberg bei Obernheim steht ein Baum, der das »Hexenbäumle« genannt wird, weil hier die Hexen alle Wochen einmal tanzen. Ihre Hauptversammlung halten sie aber in der Neujahrsnacht. Ein besonderer Platz heißt auch die »Hexenheid«. Einst sah jemand das Mutesheer über das Hexenbäumle bei Obernheim hinziehen und sah darunter viele rote Strümpfe und Weiberfüße.

Auch bei Tettnang, auf dem Weg nach Laimnau, stand früher eine ungeheure große Buche, die man allgemein die »Hexenbuch« nannte, weil die Hexen darunter tanzten.

Ferner steht auf dem Heuberge bei Rotenburg a. N. ein »Hexenbäumle«, ein Apfelbaum, unter welchem die Hexen ihre Tänze aufführen.


Das Zauberbuch

Ein Geistlicher zu Krailsheim hatte in einer gewölbten Stube alte, große Bücher, die mit Ketten an die Decke und Wände geschlossen waren. Als in dieser Stube die Magd einmal allein war, öffnete sie aus Neugierde eins der Bücher und las eine Stelle daraus her. Da wimmelte plötzlich die ganze Stube von Mäusen, sodass die Magd vor Schrecken um Hilfe rief. Auf das Geschrei kam der Geistliche herbei, ließ sich schnell das Geschehene erzählen und las sodann die Stelle des Buches von hinten nach vorn ab, worüber die Mäuse sich alle wieder verloren.


Das sechste und siebente Buch Moses

1.
Eine mündliche Überlieferung aus Derendingen, Rotenburg, Wurmlingen und sonstige

In ganz Schwaben weiß das Volk viel von dem sechsten und siebenten Buch Mosens zu erzählen. Es sind Wunder- und Zauberbücher, welche untrügliche Mittel enthalten, sich unsichtbar zu machen, die Sonne scheinen und Regen fallen zu lassen, Gewitter zu bewirken und dergleichen mehr. Auch sind darin Mittel gegen alle Krankheiten der Tiere und Menschen angegeben. Die Tübinger Universitätsbibliothek soll noch eine uralte Bibel mit diesen beiden Büchern Moses nebst anderen Schriften, die in den gewöhnlichen Bibeln nicht vorkommen, besitzen. Sie liegt aber an schweren Ketten und es ist bei strenger Strafe verboten, diese Bücher zu drucken.

Früher hat einmal jemand darin gelesen, aber zu lange. Da ist er in die Luft geflogen und nicht wieder erschienen.

Ein anderes Mal lasen zwei Studenten darin. Da kam der leibhaftige Teufel zu ihnen und rasselte so gewaltig mit seinen Ketten, dass sie sich entsetzten und laut um Hilfe riefen. Da sagte man ihnen, sie sollten alles, was sie gelesen, nur rückwärts noch einmal lesen, was sie auch sogleich taten, worauf der Teufel verschwunden ist. Seitdem bewahren aber vier Professoren die Schlüssel zu den vier verschiedenen Schlössern, die an jener Bibel liegen, sodass ein Einziger sie jetzt nicht mehr öffnen kann, wie es früher der Fall gewesen war.

Ebenso erzählt man in Bretten, dass bei einem Rabbiner das siebente Buch Moses an einer Kette liege.

2.
Eine mündliche Überlieferung aus Mössingen

Ein alter Kräutersammler aus Mössingen wusste über die Bücher Moses Folgendes zu berichten: Es gab ursprünglich 12 Bücher Moses’, für jeden der 12 Stämme eins. Die sind aber früh bis auf 5 verloren gegangen. Auch das sechste und siebente trifft man noch hier und da, zum Beispiel in Tübingen oder sonst in Abschriften. Diese zwei Bücher enthalten tiefe Geheimnisse über die Magie, weshalb sie leicht missbraucht werden könnten und deshalb bei schwerer Strafe verboten sind. Albertus Magnus hat seine Zaubermittel daraus entnommen. Durch solche Zauberei hat Moses im göttlichen Namen die Wunder in Ägypten getan. Die Ägypter taten dieselben, aber Kraft der Schwarzen Magie, d. i. Kraft des Teufels. Auch die Zigeuner versahen solche ägyptische Zauberkünste und heißen deshalb Ägyptier.


Das steinerne Weib
Eine mündliche Überlieferung aus Wiesensteig

In Wiesensteig wurden ehedem viele Hexen verbrannt, was besonders eine vornehme Frau bewirkte, welche die Mädchen und Weiber des Ortes angab, sich selbst aber stets herauszulügen verstand. Da waren wieder einmal fast sämtliche Jungfrauen aus Wiesensteig als der Hexerei verdächtig in Untersuchung und sollten verurteilt werden, obwohl sie fortwährend ihre Unschuld beteuerten. Sie bewirkten jedoch so viel, dass man mit der Verbrennung zögerte und am folgenden Tag eine neue Untersuchung, die sie selbst gewünscht hatten, mit ihnen anstellen wollte. In der Nacht nun beteten diese Beschuldigten, dass der Himmel doch ein Zeichen ihrer Unschuld geben möge. Und da geschah es, dass das Weib, durch welches sie verdächtigt worden waren, als es eben auf der Berghöhe spazieren ging, in Stein verwandelt wurde. Das ist die riesige Gestalt des steinernen Weibes bei Wiesensteig. Die Figur ist einige zwanzig Fuß hoch. Sie setzt den rechten Fuß vorwärts, legt den rechten Arm.


Spatzen verwünscht
Eine mündliche Überlieferung aus Tettnang

Auf dem Weiler Kratzerach bei Tettnang lässt sich niemals ein Spatz sehen. Das kommt aber daher: Einst kam ein fremder Mann zu den beiden Höfen und hörte, wie eine Menge junger Spatzen beständig ihr »Pipa« schrien, was ihm unangenehm war, worauf er sie alle verwünschte. Seitdem sind sie dort wie verschwunden.


Der Nimmersatt

In Stuttgart war ein Sohn so gottlos, dass er dem Bild seines Vaters die Augen ausstach, weil sich derselbe, da er kränklich war, ohne Wissen des Sohnes mit einer Flasche Wein gelabt hatte.

Da sprach der Vater über ihn den Fluch: »Du sollst nicht mehr satt werden!«

Alsbald wurde der Sohn von Hunger ergriffen, welchen er auch, obwohl er beständig aß, sein Leben lang nicht mehr stillen konnte.


Ein Wagen gebannt
Eine mündliche Überlieferung aus Mossingen

Ein Schäfer bannte einst einen Wagen, sodass er nicht mehr von der Stelle konnte.

»Lass mich fahren!«, bat ihn der Fuhrmann zu wiederholten Malen.

Als es aber immer nicht gehen wollte, so nahm der Fuhrmann seine Axt und schlug eine Speiche im Rad mitten durch. Da schrie der Schäfer laut auf, denn es war ihm eine Rippe durchgeschlagen. Der Fuhrmann hätte übrigens den Bann auch auf mildere Weise heben können. Er hätte nur einen Nagel in eine Speiche schlagen dürfen, so hätte der Schäfer nachgeben müssen und der Wagen wäre frei geworden.