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Gold – Kapitel 7.1

Gold-Band-1Friedrich Gerstäcker
Gold
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 7 Teil 1
Nach dem Brand

Es war etwa zehn Uhr morgens, als man des Feuers endlich so weit Herr wurde, keine weitere Gefahr davon befürchten zu dürfen. Eine Menge Häuser und Zelte hatten freilich eingerissen werden müssen, und diese brannten hier und da noch fort. Aber teils hatten sich die Spritzen dort herum postiert, und löschten hier, teils bewachten sie, wo keine Spritzen zu haben waren, die Bürger selber, zerrten die brennenden Balken auseinander, warfen Sand darauf und taten ihr Bestes, die weitere Gefahr von der Stadt abzuwenden.

Während aber der äußere Rand des Feuers solcher Art von einem Damm schützender und wehrender Arme umgeben wurde, waren im Mittelpunkt des betroffenen und vollständig niedergebrannten Stadtteils schon andere wieder emsig beschäftigt, die Brandstätte aufzuräumen und die Grenzen der verschiedenen Stellen zu finden, auf denen ihre Wohnungen gestanden hatten.

Noch während des Feuers hatte der Eigentümer des Parkerhauses schon mit einem Baumeister einen Akkord abgeschlossen, nach dem sich der Letztere verpflichtete, ihm ein dem alten ähnliches und ebenso geräumiges Gebäude innerhalb sechzehn Tagen so weit aufzubauen, dass es bezogen werden konnte. Um ein Uhr rief ein neuer Feuerlärm die Spritzen auf die Plaza, das dort schon wieder aufgefahrene Bauholz zu löschen, das sich auf dem heißen Grund entzündet hatte.

Hier zeigte sich die Lebenskraft dieser Schar von Abenteurern, die der Durst nach Gold die Hoffnung, Schätze zu sammeln, an diese Küste geworfen hatte. Da wurde keine Klage, kein Jammer über Verlorenes laut. Da stand kein trauernder Familienvater an der rauchenden Brandstätte, unter der sein Teuerstes, seine liebe Heimat, begraben lag. Wie der Jäger draußen in der Wildnis, dem ein Waldbrand oder Sturm seine Hütte – sein zeitweiliges Obdach – niedergeworfen hatte, frisch daran geht, sich ein Neues aufzurichten, und des alten mit keiner Silbe mehr gedenkt, so trübte keine Sorge um das, was die Glut ihnen diese Nacht geraubt, die Herzen dieser Männer. Sie waren eben zum zweiten Mal an die nackte Küste geworfen – aber die Küste hieß Kalifornien, und vier Wochen freien Spielraum, mehr glaubten sie nicht zu brauchen, das Verlorene wieder einzubringen.

Nur eines durften sie nicht versäumen. Zeit. Jede Stunde, die sie nun nach dem Brand müßig verträumten, war unwiederbringlich verloren, und alles wetteiferte miteinander, zuerst wieder gerüstet, zuerst wieder zu einem neuen Anlauf bereit zu sein.

Alle Karren, die nur aufzutreiben waren, fuhren schon um die Mittagsstunde die Trümmer des Brandes hinaus vor die Stadt. Noch glühende und glimmende Balken wurden mit Ketten umschlungen und mit Maultieren, Pferden, Eseln oder selbst von Menschenhänden fortgeschleift, nur Raum für das neue Bauholz zu geben, und diesem nicht wieder gefährlich zu werden. Noch vor Abend stiegen denn auch schon wieder zeitweilige Gerüste, mit dünnen Planken gedielt, mit Segeltuch überdeckt, auf der nämlichen Stelle auf, die noch vor wenigen Stunden in lichten Flammen stand. Aus den rauchenden Trümmern heraus, die noch nicht alle hatten beseitigt werden können, tönte schon wieder die kreischende Geige und der gellende Trompetenstoß, das Volk hinein zu den rasch aufgestellten Spieltischen zu locken.

Wie Pilze über Nacht zu ihrer natürlichen Größe emporwachsen, so stiegen hier in kürzerer Zeit Häuser und Zelte aus dem noch heißen Boden, ja, in manchen von diesen musste sogar noch fortwährend gegossen werden, die unteren dünnen Balken vor dem Anbrennen zu bewahren.

Allerdings hatten die Eigentümer dieser luftigen Gebäude enormen Tagelohn nur für die Arbeiter zu zahlen, und selbst das leichte Lattenwerk stand entsetzlich hoch im Preis. Aber was tat das?

Der Pacht eines einzigen Abends, den nur allein die Spieltische brachten, zahlte fast den ganzen Bau, und jetzt galt es, den Moment zu benutzen, wo die Konkurrenz noch nicht wieder Spielhölle an Spielhölle aufgerichtet hatte.

Noch vor Nacht war das Parkerhaus schon wieder im Bau begonnen. Während mehr als fünfzig Leute emsig beschäftigt standen, die Löcher für die Pfosten und Säulen der Außenwände auszugraben und diese einzusetzen, hatte der Eigentümer im Innern derselben, den kostbaren Platz nicht so lange nutzlos liegen zu lassen, ein großes niederes Zelt aufgeschlagen.

Den Boden desselben bildete freilich die bloße mit Wasser gekühlte und hartgestampfte Erde. Nichtsdestoweniger füllte die eine Ecke schon wieder ein kleines Orchester, während in der anderen ein Büffet aufgeschlagen war. An vorläufig eingerammten Pfählen hingen die Lampen, in der Mitte standen die Spieltische mit einer Anzahl Stühlen darum her, und im Hintergrund, den Raum auch zu jedem Zollbreit benutzend, war eine lange Speisetafel aufgeschlagen, die aus einem dahinter errichteten Küchenschuppen versorgt wurde.

Zwar stand der freche Anschlag jenes Yankees who, the hell, cares for a fire nicht hier als Gotteslästerung an der Wand, aber jeder eingetriebene Pfosten, jeder schmetternde Trompetenstoß, jede niederfallende Karte rief dasselbe Losungswort laut in die Welt hinaus. Mit Verwüstung und Schlacke um sich her, wucherten die Spielhöllen üppig empor, im neuen Keim schon zeigend, zu welcher Höhe sie, von Lug und Trug genährt, auf diesem günstigen Boden wachsen könnten.

Das aber waren die Elemente, die hier nur, in der Hauptstadt des Landes, im Zentrum des ganzen Verkehrs ihre eigentliche Pflege und Nahrung fanden. Die konnte ein Feuer wohl vom Boden schneiden, ohne jedoch ihre Wurzel zu verzehren, aus der sich frisch und rasch die neuen giftigen Schösslinge entwickelten. All die leichten und luftigen Tirailleure aber, die eigentlichen Goldwäscher, die San Francisco nur gewissermaßen als einen Ruheplatz, als einen Punkt betrachteten, von dem aus sie in das wirkliche kalifornische Leben – das Leben in den Bergen – hineinspringen konnten, alle diese fühlten sich nach dem Feuer hier nicht mehr sicher, und deshalb nicht mehr behaglich, und zogen noch an demselben Tag in Scharen aus, einen Platz zu verlassen, auf dem sich vielleicht schon in nächster Nacht dieselbe Szene wiederholte.

Besonders flüchtig wurden die Deutschen, denn die Amerikaner waren von Haus aus an ein bewegteres, von Wagnissen begleitetes Leben gewöhnt, während der Deutsche hier plötzlich alles über den Haufen geworfen fand, was er bis dahin zu einer bürgerlichen Existenz als unumgänglich nötig erachtet hat, nämlich Ruhe und Sicherheit! Und doch hatte das Unglück des Brandes nur verhältnismäßig wenige von ihnen betroffen, da die billigeren Kosthäuser – sogenannte Hotels – in denen sie sich einquartiert hatten, mehr in den Außenstraßen lagen und diesmal verschont geblieben waren. Diese Warnung, was ihnen hier in der Stadt begegnen konnte, war aber an die wenigsten weggeworfen gewesen, und alle, die nicht durch besondere Geschäfte an die Stadt selber gefesselt wurden, schnürten ihre Bündel und machten sich so rasch sie immer konnten auf den Weg in die Berge.

Der Brand war erstickt und gelöscht worden, ehe Pacific Street erreichte. Die beiden deutschen Hotels kamen diesmal noch mit dem Schreck davon. Ihre Insassen gehörten aber größtenteils mit zu denen, welchen der Ort auf einmal »zu warm« wurde, und selbst der Justizrat hatte sich entschlossen, ohne Weiteres aufzubrechen.

Das schien bei ihm allerdings etwas Ungewöhnliches, denn alle seine sonstigen Entschlüsse bedurften immer erst einer gewissen Reife, ehe er nur daran dachte, sie auszuführen. Er war das von zu Hause und aus seinem Geschäftsgang auch gar nicht anders gewohnt gewesen, und konnte deshalb das ad acta noch immer nicht vergessen. In dieser Nacht hatte er jedoch schon mehr von dem amerikanischen Leben und dessen rücksichtslosen Treiben gesehen und erfahren, als ihm lieb sein mochte, denn erstlich schlug ihm – ohne dass die Polizei eingeschritten wäre – ein baumlanger Kerl die lange Pfeife aus dem Mund, mit der er sich das Feuer besehen wollte. In das Gedränge hineingerissen, wurde er auf der Plaza sogar ein vollkommen unfreiwilliger und entsetzter Zuschauer des Negermordes, den man nachher behandelte, als ob es eine Sache gewesen wäre, die sich ganz von selbst verstand.

Er ging nach diesem Vorfall, so rasch er möglicherweise loskommen konnte, nach Hause, sprach auch dort mit niemandem darüber und äußerte nicht die geringste selbstständige Meinung – hätte es dem entsetzlichen Volk nicht einfallen können, ihn ebenso zu behandeln – konnte aber kaum den nächsten Tag erwarten, San Francisco jedenfalls zu verlassen.

Sobald man diese Stadt aber einmal verließ, blieb einem in jener Zeit gar nichts anderes übrig, als eben in die Minen zu gehen. Der Justizrat machte deshalb dem darüber etwas erstaunten Assessor den Vorschlag, ihn in die Berge zu begleiten.

So großen Respekt der gutmütige, stets rücksichtsvolle Assessor Möhler aber auch vor dem Justizrat hatte, der ihm schon durch sein ganzes Wesen imponierte, so wies er dieses, wie er sich ausdrückte, ,,ihn ehrende Anerbieten doch freundlich, aber entschieden ab, da er die arme Frau Siebert nicht in ihrem schweren Herzeleid allein lassen könne. Er habe ihr das, wie er sagte, auch versprochen, und müsse schon sein Wort halten, so gern er sich auch einem Zug von Landsleuten anschließen möchte.

Der Justizrat zuckte hierauf bloß mit den Schultern und die Sache war abgemacht. Diesen Tag brauchten die Leute aber noch zum Packen, und zwar hatten sich, außer dem Justizrat, Lamberg, Binderhof und Herr Hufner entschlossen, zusammen aufzubrechen.

Die drei Letzteren waren auch bald mit Packen fertig. Eines der kleinen, die Bay damals befahrenden Dampfer sollte sie nach Stockton hinaufschaffen. Von dort aus wollten sie ihr Glück in den südlichen Minen versuchen. Der Justizrat hatte aber bis Mittag noch keine Zeit gefunden, und nur eine Pfeife nach der anderen geraucht, seinen Betrachtungen über dies Dorado nachzuhängen. Endlich, als ihn die anderen trieben und ihm erklärten, an nächsten Morgen auch nicht einen Augenblick auf ihn zu warten, machte er sich an die Arbeit, aber auf so ungeschickte Weise, dass es der, in solchen Sachen wirklich peinlich ordentliche Assessor Möhler zuletzt nicht mehr mit ansehen konnte. Er erbot sich freundlich, dem Justizrat alles zusammenzupacken, wenn ihm dieser seine Sachen nur alle auf einen Platz legen und ihn weiter nicht darin stören wolle, und der Justizrat, dem nichts erwünschter kam als das, ließ ihn von Herzen gern gewähren.

Um zwei Uhr begann der Assessor mit seiner Arbeit, an der ihn nur dann und wann auf kurze Zeit die Wartung und Aussicht der Kinder hinderte, packte einen Ballen, der ohne die geringste Gefahr hätte eine Reise um die ganze Erde machen können, suchte sich selber ein altes Stück Packleinen dazu, nahm Sacknadel und Faden aus eigenem Vorrat und stand noch lange nach Dunkelwerden draußen auf der Straße bei seiner Beschäftigung, wo ihm die Vorübergehenden mit Erstaunen zusahen, wie er die große Nadel gegen den Mond zu einfädelte.

Der Justizrat ging dabei ab und zu und rauchte, bezeigte auch nicht die mindeste Ungeduld, und sagte nur, als der gefällige Mann endlich doch zu Ende gekommen war: »Danke – rollen Sie den Ballen ins Zelt.«

Dann ging er mit der Pfeife die Straße hinunter, um sich noch einmal die Plaza anzusehen.

Unterwegs traf er an einer der dunklen Ecken der Stadt drei Männer, die sich lebhaft mitsammen in englischer Sprache unterhielten. Es war fast, als ob feindliche Worte zwischen ihnen gewechselt würden. Als ihnen der Fremde aber nahe kam, schwiegen sie, warfen ihm einen flüchtigen Blick zu und ließen ihn vorbei.

»Abend«, sagte der Justizrat auf seine barsche, wenn auch diesmal höflich gemeinte Weise, denn er traute den dreien nicht recht und warf ihnen den halb abgebissenen Gruß gleichsam als Beschwichtigung hin. Keiner der drei antwortete ihm aber, wenn sie auch die Köpfe nach ihm umwandten. Erst als er außer Hörweite war, nahm der eine von ihnen, ein kleiner, wohlbeleibter Mann, das Gespräch wieder auf.

»Und wo habt ihr beiden bis jetzt gesteckt, dass ich euch mit keinem Auge den ganzen Tag gesehen habe, und in Todesangst in der Stadt umherlaufen musste. Wo wolltet ihr jetzt zusammen hin? Mich aufzusuchen, he? Das soll ich jetzt auch noch glauben.«

»Allerdings wollten wir das«, antwortete einer der beiden anderen, eine lange, hagere Gestalt. »Und wenn Ihr nur einen Augenblick vernünftig zuhören wolltet, Brown, so würdet Ihr alles erfahren.«

»Wie ihr es euch beide zusammen abgekartet habt, nicht wahr?«, rief der Kleine mit einem verächtlichen Blick auf den Sprecher.

»Ich hoffe, Brown, dass Ihr mich nicht dessen fähig haltet, einen Freund zu betrügen«, rief da der Dritte. »Zum Teufel auch, leide ich denn weniger unter dem Verlust als Ihr und wäre mir nicht Smith ebenso gut Rechenschaft schuldig wie Euch?« »Rechenschaft? Worüber?«, rief aber Smith dagegen. »Kann ich das Feuer bändigen, wenn es beinahe wie mit einem Schlag in den Saal dringt und den ganzen Raum mit Rauch und Flammen füllt?

Wie ist es dem armen Jacobs gegangen, der, bei dem Versuch, nur seinen Geldkasten ins Freie zu schleppen, verbrannte? Und doch ließ ich das mir Anvertraute nicht im Stich und wäre auch sicher damit entkommen, hätte mich der von oben niederstürzende Balken nicht an der Flucht gehindert. Ich sage Euch, da war Not an Mann, und wenn ich nicht alles im Stich ließ, läge ich jetzt auch mit ausgebrannten Knochen bei dem Schutt draußen.«

»Und wo ist das Gold geblieben?«, fragte Brown wieder. »Ihr werdet mir zugeben, Siftly, dass Gold und Silber nicht wie Papier verbrennen kann und wenigstens als geschmolzener Klumpen zurückbleiben müsste.«

»Wo ist das andere hin?«, rief Smith dazwischen. »Überwacht einmal eine solche Schar von Menschen, wie sie sich dort zum Retten auf die Feuerstätte warfen. Ich hatte mir die Stelle, wo ich den Kasten lassen musste, genau gemerkt und habe heute Morgen zwei volle Stunden danach gesucht, aber vergebens. Keine Spur von dem Geld war mehr zu finden, und wir können jetzt von vorn beginnen, wie wir vor vier Monaten zusammen angefangen hatten.«

»Wenn Ihr nicht so ein Hasenherz wärt, Smith, so hättet Ihr das Gold auch in Sicherheit bringen müssen«, sagte da Siftly finster. »Warum haben Folkers und Bright ihre ganze Barschaft gerettet?«

»Weil die dicht am Ausgang saßen«, rief Smith. »Das ist recht, macht mir jetzt noch Vorwürfe, weil ich nicht übermenschliche Kräfte besaß, weil ich kein Salamander war, der im Feuer leben konnte.«

»Und Ihr habt wirklich nichts, gar nichts von alledem gerettet, was zu unserer gemeinschaftlichen Kasse gehörte?«, fragte da Brown, der indessen die beiden mit finsteren Blicken gemessen hatte.

»Nicht einen Cent, so wahr mir Gott helfe«, sagte Smith. »Selbst meinen Mantel habe ich auf der Flucht vor den Flammen im Stich gelassen, und ich will den heiligsten Eid darauf ablegen …«

»Spart Euch den«, unterbrach ihn ruhig sein bisheriger Kamerad. »Was Euch ein Eid gilt, weiß ich aus Erfahrung, denn wir kennen einander leider zu gut.«

»Aber Brown!«

»Lasst mich ausreden. Für jetzt sehe ich auch recht gut ein, dass ich nicht imstande bin, Euch etwas zu beweisen, mein Verdacht mag sich erstrecken, auf was er will, und die Sache vor Gericht zu bringen wäre ebenfalls Wahnsinn und reines Futter für die Advokaten. Das Feuer von San Francisco hängt über der Sache und ist ein Mantel, unter dem sich noch mancher verstecken wird, und soweit habt ihr eure Sache auch ganz schlau angefangen, aber …«

»So glaubt Ihr am Ende gar, dass ich Euer Geld gestohlen habe?«, rief Smith laut und heftig.

»Jawohl tue ich das«, entgegnete ihm Brown mit vollkommen ruhiger und fester Stimme. »Und … mehr noch, als das … mehr als ich jetzt für gut finde, Euch mitzuteilen, aber … nehmt Euch in acht! Lasst mich je die Gewissheit Eures Betrugs bekommen, und dann gnade Euch Gott!«

»Schuft, erbärmlicher!«, schrie da Smith mit vor Wut ordentlich heiserer Stimme, indem er blitzschnell nach dem in der Weste versteckten Revolver griff.

Siftlys Hand lag aber wie Eisen auf seinem Arm. Sie vor allen durften hier nichts mit der Polizei zu schaffen bekommen. Er trat zwischen die beiden, sie zu trennen.

»Brown«, sagte er dabei mit ernster, wie beschwichtigender Stimme. »Ich glaube, dass Ihr Smith Unrecht tut, und jedenfalls ist die Art …«

»Glaubt, was Ihr wollt«, unterbrach ihn aber kurz der kleine, zum Äußersten gereizte Mann. »Wenn Ihr mich aber meiner Worte wegen zur Rede stellen wollt, so wisst Ihr, wo ich wohne.« Sich kurz auf dem Absatz herumdrehend schritt er, die beiden keines Blicks mehr würdigend, rasch die Straße hinunter.

Smith machte eine Bewegung, als ob er ihm folgen wolle, Siftly aber ließ seinen Arm nicht los. Ihn in der entgegengesetzten Richtung mit sich fortziehend flüsterte er leise: »Lasst ihn laufen. Wenn er nicht ganz auf den Kopf gefallen war, musste er etwas merken. Da er sich nun darüber ausgesprochen hat, ist die Sache so viel leichter und rascher abgetan. Dass er nichts machen kann, weiß er ebenso gut wie wir, und ich dächte, die paar Worte könnten wir uns wohl von ihm gefallen lassen. Er hat sie teuer genug bezahlen müssen.«

»Er wird uns aber weiter nachspüren«, sagte Smith. »Hättet Ihr mich nicht gehalten, so wäre er jetzt unschädlich gemacht …«

»Und wir vielleicht in den Händen einiger freundlicher Konstabler, die sich genauer nach unseren Verhältnissen erkundigen möchten, als uns wahrscheinlich lieb wäre«, gab Siftly lachend von sich. »Nein, Kamerad, nicht hier in der Stadt, der wir ja doch morgen den Rücken kehren. Sollte er aber wahnsinnig genug sein, uns zu folgen, nun, dann überlasst mir die Sache, und ich hoffe, Ihr werdet mit der Ausgleichung zufrieden sein. Aber jetzt fort mit dem Unsinn und zu Geschäften. Ich selber war nicht imstande, Euch seit dem Feuer wieder zu Gesicht zu bekommen und möchte unser Zusammentreffen ebenfalls einem Zufall zuschreiben, wenn ich nicht wüsste, dass wir beiden stärkere Banden aneinander haben. Ist das Gold in Sicherheit?«

»Ja!«, erwiderte Smith.

»Außerhalb der Stadt?«

»Natürlich. Hier wusste ich keinen sicheren Platz und durfte uns auch einer Entdeckung nicht aussetzen.«

»Allerdings nicht. Und wann brechen wir auf?«

»Morgen früh, denke ich. Aber … nach dem, was eben zwischen uns und jenem Burschen vorgefallen ist … nicht zusammen. Wir treffen uns lieber an einem dritten Ort … am besten in den Minen.«

Siftly warf einen raschen und forschenden Blick auf das Gesicht seines Kameraden. Im Schatten der Häuser, in dem sie zusammen hinschritten, ließen sich jedoch seine Züge nicht mehr erkennen.

»Und wie wollt Ihr das Gold fortbringen?«, frag Siftly nach einigem Überlegen.

»Auf einem Dampfboot bis Sacramento natürlich«, sagte Smith. »Dort kaufe ich ein Maultier und packe es in die Satteltasche.«

»Und wo ist es jetzt?«

»Das Gold? In Sausalito. Ich war heute Morgen drüben. Das Beste ist also, Ihr nehmt den Landweg um die Bay nach Sacramento, wenn der auch etwas weiter und beschwerlicher ist, und wir treffen uns dann nicht etwa in Sacramento City, wohin Brown auch kommen könnte, sondern in Juba City. Dort spürt uns kein Teufel auf, soviel ist sicher.«

»Nein«, sagte Siftly nach kurzem Überlegen, »das allerdings, aber ich habe mir die Sache doch anders überlegt und denke, wir machen die Reise lieber zusammen. Und wenn uns Brown nachspüren wollte, und wenn er uns zusammenträfe, was weiter? Dass er uns nicht schaden soll, dafür lasst mich sorgen.«

»Meinetwegen, wenn Ihr mir nicht traut!«, sagte Smith finster.

»Davon ist jetzt keine Rede«, erwiderte Siftly ruhig, »ich weiß, dass Ihr mich kennt, und fürchte deshalb für mich gar nichts. Also um wie viel Uhr geht das Sausalito-Boot morgen früh ab?«

»Um sechs.«

»Und das Sacramento-Boot?«

»Um sieben. Das Letztere legt aber ebenfalls in Sausalito an.«

»Gut, dann geht Ihr morgen früh mit dem ersten Boot hinüber und ich komme mit dem zweiten nach. Am Landungssteg wartet Ihr mit dem Gold auf mich und wir machen die Reise in Gesellschaft. Seid Ihr damit zufrieden?«

»Von Herzen gern«, erwiderte sein Kamerad. »Wenn nur Brown keinen tollen Streich macht.«

»Genug – das also wäre abgetan, und wohin geht Ihr jetzt?«

»Ins Parkerhaus – oder Parkerzelt vielmehr«, entgegnete Smith lachend, »denn die Wirtschaft hat sich dort etwas reduziert. Geht Ihr mit?«

»Gewiss«, erwiderte Siftly. »Wenn wir auch für jetzt keine Hand mehr im Spiel haben können, bin ich das Leben doch zu sehr gewohnt, es gern zu missen. Ich will heute Abend einmal sehen, ob ich Glück im Pointieren habe.«