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Das Harzmärchenbuch von August Ey Teil 42

Sagen und Märchen aus dem Oberharz
Gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862

Der Magnetberg

Ein junger hübscher Bergmann wanderte aus und ging aufs Wasser. Er war schon lange auf der See, da kam Sturm, und das Schiff trieb vom Weg ab an eine Insel, auf der ein Magnetberg gewesen war.

Voll Schrecken sagte der Schiffskapitän: »Wir sind verloren, denn das Schiff sitzt fest und wird von dem Magnetberg gehalten, der auf der Insel seinen Kopf in die Höhe streckt. Wenn doch nur einer unter uns wäre, der an Land ginge, auf den Berg stieg und dort oben drei Schläge auf die Trommel täte, die da oben steht. Er kommt zwar mit dem Leben nicht davon. Das Schiff mit allem, was darauf ist, würde dann aber gerettet sein.«

In ihrer Not losten alle Männer, die auf dem Schiff waren, und da traf es einen Matrosen, der eine Frau und sechs Kinder hatte.

Das dauerte dem Bergmann und er sagte: »Ich bin ledig und los, ich will für dich hingehen und dadurch dich für deine Familie und das Schiff mit allem, was darauf ist, erhalten.«

Da ließ er sich an Land bringen, ging gleich den Berg hinauf und tat die drei Schläge auf die Trommel. Beim letzten Schlag dröhnte der Berg aber so gefährlich, dass dem armen Menschen die Sinne vergingen. Doch fühlte er noch so viel, dass er wo hineinfiel. Als er erwachte, war er in einem Zimmer, darin brannte kein Licht, und doch war alles hell gewesen, heller, als ob die Sonne so recht klar schien. Das war aber von Edelgesteingeflimmer und Gefunkel gekommen. Der Bergmann wunderte sich erst, dann aber besah er sich das Zimmer und die Sachen, die darin waren, näher. Da standen schöne samtene Ruhebetten, Stühle und Tische waren von purem Kristall, eine wahre Pracht! Auf einem Bett lag ein großer goldener Ring, der die Gestalt einer Schlange gehabt hatte, den man um den Hals hängen konnte. Auch den nahm er hin und sah ihn an und hatte seine Verwunderung darüber. Beim Besehen kam es ihm aber vor, als ob sich der Ring bewegte. Da bemerkte er ganz deutlich, dass die Schlange die Augen bewegte. Er hatte nichts Arges daraus und legte sich mit der Schlange auf dem Schoß auf ein Bett, und schlief ein. Er hatte lange in keinem Bett und in seinem Leben auf so schönem Bett nicht geschlafen. Wie lange er da gelegen hatte, das wusste er nicht. Er wachte auf und sah eine bildschöne Jungfrau.

Diese stand vor ihm und sprach: »Du hast dich nicht gefürchtet. Ich habe für dich gebürgt. Du sollst gerettet werden und glücklich sein auf Erden.«

Danach gab sie ihm eine Krone, die mit kostbaren Edelsteinen geziert war und sprach: »Jetzt komm mit, ich will dir den Ausgang aus diesem Berg zeigen.«

Daraufhin führte sie ihn aus dem Berg auf die entgegengesetzte Seite, wo er hinaufgegangen war, nahm Abschied von ihm und sprach: »Wenn du mich nötig hast, setze die kleine Krone auf und ich bin bei dir. Doch darfst du mich nur dreimal rufen.«

Er wollte ihr danken, sie in den Arm nehmen und küssen.

Sie aber sprach: »Nein, das möchte ich nicht, sonst bist du verloren!« Und im Nu war sie im Berg verschwunden.

Der Bergmann ging nun fort und kam bald darauf in einen weiten großen Wald und zuletzt zu Leuten, wie er sie noch nie gesehen hatte. Die waren nämlich ganz schwarz gewesen und nackend gegangen. Erst lachte er darüber, dann war er aber froh, dass er wenigstens bei Menschen lebte. Alle waren so freundlich und gut mit ihm, gaben ihm Essen und Trinken und führten ihn nachher zu ihrem König. Auch der war recht artig und liebreich gegen den Bergmann und winkte ihm, er solle bei ihm bleiben. Er blieb denn auch bei diesem. Nun hatte der König eine Tochter gehabt, ein recht rundes, munteres, schwarzes Mädchen. Das war gegen den Bergmann aber am allerfreundlichsten, nur hatten sie nicht miteinander sprechen können, denn einer hatte des anderen Sprache nicht verstanden. Aber trotzdem hatten die beiden doch immer beieinandergesessen und sich lieb gehabt, und der Alte war darüber sehr erfreut.

Es hatte nicht lange gedauert, da konnte der Bergmann aber auch die Sprache sprechen und da hatte denn der Mohrenkönig gesagt, der Bergmann solle seine Tochter zur Frau haben. Der Bergmann dachte, so eine Frau wäre doch besser als gar keine und heiratete das Mädchen. Dabei trug er aber stets seine Krone bei sich.

Einstmals ging er mit seiner Frau spazieren. Da begegnet ihm eine Leiche, die begraben werden sollte. Dahinter her ging eine Frau, hatte ein Brötlein im Arm und einen Krug Wasser in der Hand. Das war die Frau des Mannes gewesen, der beerdigt wurde. Der Bergmann fragte seine Frau, warum die Frau das Brot und das Wasser dahinter hertrüge.

Da sagte ihm denn sein schwarzes Weiblein: »Wenn ein Ehemann hier stürbe, so würde die Frau mit beerdigt und stürbe eine Frau, so würde der Mann mit beerdigt und bekäme dann ein Brötlein und einen Krug voll Wasser mit.«

Da fing es dem Bergmann aber an zu reuen, dass er die Königstochter genommen hatte und er sprach: »Frau, stirb mir nur nicht, dass ich nicht lebendig mit begraben werde. Ich will lieber zuerst sterben.«

Das zog sie sich zu Gemüt, und nach einem halben Jahre war sie tot und musste beerdigt werden. Natürlich der Bergmann mit. Er bekam ein Brötlein und einen Krug Wasser. Das Grab war aber in einem hohlen Berg gewesen. Da hinein wurden die Toten gesetzt, und die Lebendigen dabei gebracht und dann der Berg verschlossen, dass keiner heraus gekonnt hatte.

Als der Bergmann in der Finsternis am Sarg seiner Frau saß, so hörte er in der Ferne ein leises Brummen und es überlief ihn eisig kalt. Da nahm er seine Krone, setzte sie sich auf und sprach: »O, Retterin hilf mir!«

Da war die Jungfrau aus dem Magnetberg da und fragte: »Womit soll ich dir helfen?«

»Führe mich aus diesem Berg wieder heraus.«

»Ja«, sagte sie, »hörst du das Brummen? Das kommt von dem Bären, der die Toten und Lebendigen hier verzehrt, und dem du auch verfallen bist. Ihm werde ich es auftragen, dich zu befreien.«

Sie zündete ein Licht an und gleich darauf war der Bär da und wollte dem Bergmann zu Leibe.

Die Jungfrau aber sprach: »Halt! Siehst du nicht das Kleinod, das er trägt? Befreie ihn.«

Da wurde der Bär ganz gemütlich und führte den auf den Tod Geängstigten zu einer geheimen Öffnung aus dem Berg und sprach beim Weggehen: »Eile, dass du das Land verlässt. Findet man dich wieder lebendig, so wirst du getötet.«

Lange hatte der arme Bergmann am Meeresstrand auf ein Schiff gewartet. Es war aber keines gekommen und er hatte in beständiger Todesgefahr geschwebt.

Da nahm er zum zweiten Mal seine Krone und sprach: »O, Retterin, hilf mir.«

Da war die Jungfrau wieder da, und fragte, was er wolle.

Da sprach er: »Ich bin arm und verlassen, verfolgt und möchte so gerne wieder in meine Heimat und kann nicht weg.«

»Schau um dich«, sagte sie, »da liegen Steine, davon stecke dir einige ein und dort kommt ein Schiff, das legt hier an. Darauf kannst du entfliehen.«

Er schaute auf, sah eine ganze Menge Gold und Edelsteine bei sich liegen. Er steckte davon seine Taschen voll und dachte: Nun hast du genug.

Dann kam das Schiff, er gleich hin, stieg ein und fuhr mit ihm zurück und kam glücklich zu den Seinen.

Die Steine hatten ihn reich gemacht, er hatte noch lange gelebt und seine Schicksale erzählt und zuletzt, wie sein Stündlein kam, dass er bald sterben musste, da nahm er sein Krönlein und sprach: »O, Retterin, hilf mir.«

Da war die Jungfrau wieder da und sprach: »Sieh, da die Waise, welche dich bisher pflegte und dir beistand, sie wird dir die Augen zudrücken.« Da waren sie und die Krone verschwunden.

Er wandte sich im Bett um und war tot.