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Schwäbische Sagen 27

Schwäbische-Sagen

Die Hexen auf dem Heuberg bei Rotenburg

1.
Eine mündliche Überlieferung aus Derendingen

Auf dem Heuberg bei Rotenburg a. N. kommen alle Freitagnacht die Hexen zusammen und tanzen unter einem großen Apfelbaum, der das »Hexenbäumle« genannt wird. Ein enger Weg, der auf den Berg führt, heißt das »Hexengäßle«, und der alte Turm droben der »Hexenturm«. So oft sie hier zusammenkommen, wird jedes Mal eine Hexe geschlachtet und gegessen. Wer zuletzt kommt, der muss als Fleischstock (Fleischbank) dienen, auf dem die Hexe zerhackt wird.

2.
Eine mündliche Überlieferung aus Wurmlingen

Ein Bürger aus Seebronn war in Rotenburg gewesen und kam nachts auf dem Heimweg an dem Heuberger Turm vorbei. Da hörte er in demselben eine schöne Musik und konnte es nicht lassen, hineinzugehen. Der ganze Turm, in dessen Inneren sonst nur einige Balken lagen, war in die prachtvollsten Säle umgewandelt, und in den Sälen wimmelte es von vornehmen Gästen, die teils aus kostbaren Geräten die herrlichsten Sachen aßen und tranken, teils bei einer vortrefflichen Musik tanzten. Auch dem Seebronner Bauer wurden Speisen und Weine vorgesetzt, die er sich schmecken ließ. Nachdem derselbe sodann ein paar Stunden lang dies Treiben mit angesehen hatte, fiel ihm ein, dass er jetzt endlich nach Hause eilen müsse. Es entfuhren ihm die Worte: »O Jesis, jetzt muoß i doch au emol hoam gau!«

Kaum hatte er den Ausruf: »O Jesis!« getan, so waren die Gäste mit samt den Speisesälen und der Musik wie ein Blitz in der Nacht verschwunden. Es war mit einem Male stockfinster geworden, und statt wie vorher auf einem weichen Stuhl zu sitzen, saß der Bauer plötzlich rittlings auf einem Balken, von dem er nicht loszukommen wusste, weshalb er jämmerlich zu schreien anfing und um Hilfe zu rufen.

Zum Glück kamen einige Leute ans Rotenburg vorbei, die nach Seebronn wollten, und machten hier Anzeige von dem Geschrei, worauf mehrere Seebronner mit einer Laterne in den Turm stiegen und den Mann befreiten. Dieser gab dem Gemeinderat die ganze Geschichte zu Protokoll und dies soll noch heute in Seebronn aufbewahrt werden. Die Geschichte aber ist im 16. Jahrhundert vorgekommen.

Auch in neuerer Zeit sieht man in dem Turm noch oftmals bei Nacht Feuer und Lichter.


Die Hexenfahrt
Eine mündliche Überlieferung aus Derendingen

Ein Knecht ans Derendingen hatte seine Hausfrau in Verdacht, dass sie eine Hexe sei, denn alle Freitagsnächte war sie fort. Da blieb der Knecht einmal am Donnerstagabend auf und sah, wie die Frau um 12 Uhr eine Ofengabel vom Herd nahm und aus einem Hafen (Topf) etwas langte, womit sie die Ofengabel bestrich und dann sprach:

Oben naus
Und neanends ‘nan!

Darauf flog sie zum Schornstein hinaus. Sogleich ging der Knecht hin, nahm ebenfalls eine Ofengabel und bestrich sie mit der Salbe aus dem nämlichen Hafen und sprach, um überall hinzukommen, wie er meinte, und um alles zu sehen:

Oben naus
Und überall ‘nan!

Und sofort flog er zwar auch in die Höhe, wurde aber schon im Schornstein so jämmerlich an alle Ecken und Steine geworfen und draußen an alle Bäume und Zäune und Häuser so derb gestoßen, dass er ganz zerkratzt und geschunden auf dem Heuberg ankam.


Der Gaisritt
Eine mündliche Überlieferung aus Derendingen

In einem Dorf lebten zwei Schneider, davon der eine ein Hexenmeister war und bei der großen Versammlung der Hexen niemals fehlte. Der andere wünschte die Reise auch einmal zu machen und bat den Hexenmeister, dass er ihn das nächste Mal mitnehmen möge, was ihm dieser auch versprach. Als die Zeit da war, bestieg der Hexenmeister seine Geiß und ließ den anderen seinen Geißbock reiten, warnte ihn aber, dass er unterwegs ja nicht reden solle.

So ritten sie stillschweigend dahin und kamen an einen breiten Strom, über welchen der Hexenmeister, der voranritt, mit einem einzigen Sprung hinübersetzte.

Da brach der andere Schneider vor Bewunderung in die Worte aus: »Gotts Blitz, wenn deine Goas schaun so Sprüng macht, wia wurd mein Bock do springa!«

Kaum hatte er dies ausgesprochen, so plumpste der Schneider ins Wasser und der Bock war verschwunden. Er musste aber 300 Stunden gehen, ehe er wieder nach Hause kam.


Eine Hexe als Käfer
Eine mündliche Überlieferung aus Bedingen

In der Mühle zu Bedingen dienten früher einmal zwei Mägde, die beide in einem Bett schliefen und beide Liebhaber hatten. Diese wollten in einer Freitagsnacht ihre Geliebten besuchen und wurden durchs Fenster eingelassen. Allein die eine Magd schlief so fest, dass sie durch alles Schütteln und Rütteln und Rufen nicht geweckt werden konnte. Sie zündeten darauf ein Licht an und blieben bis gegen Morgen beisammen. Da kam ein Käfer durchs Fenster geflogen und kroch sogleich der noch immer schlafenden Magd zum Mund hinein, worauf sie alsbald erwachte. Jetzt wussten die anderen, dass sie eine Hexe war.


Eine Hexe als Spinne
Eine mündliche Überlieferung aus Betzingen

Zwei Weiber aus Bedingen waren einmal im Feld, um Gras zu schneiden. Da sagte die eine, nachdem sie eine Weile gearbeitet hatte, sie wolle nur ein wenig schlafen, legte sich hin und schlief ein. Die andere aber bemerkte ganz deutlich, dass ihr eine Spinne aus dem Mund kroch, und versuchte die Frau gleich darauf wieder zu wecken, vermochte es aber nicht, bis nach einer halben Stunde die Spinne wiederkam und ihr in den Mund kroch. Da erwachte sie sogleich von ihrem Schlaf und ging wieder an die Arbeit. Sie war indessen als Hexe irgendwo anders gewesen.


Die abgehauene Katzenpfote
Eine mündliche Überlieferung aus Bühl und sonst sehr allgemein

Ein Soldat kam fast jeden Abend, wenn er außer Dienst war, zu einem Mädchen, das er heiraten wollte. Das ging eine Weile so. Da sagte das Mädchen eines Abends, er dürfe jede Nacht zu ihr kommen, nur nicht des Freitags, da sei es ihr niemals geschickt. Dem Soldaten schien diese Äußerung verdächtig und er machte sich deshalb gerade in der nächsten Freitagsnacht auf den Weg zu seinem Schatz. Unterwegs traf er eine weiße Katze an der Straße, die lief beständig zu ihm her, und als sie nicht weichen wollte, zog er endlich seinen Säbel, hieb nach ihr und hieb ihr eine Pfote ab. Da sprang die Katze, was sie konnte, dem Ort zu.

Als der Soldat nun zu der Magd in die Kammer trat, lag sie im Bett und gab auf seine Frage, was ihr fehle, eine ganz verwirrte Antwort. Zugleich bemerkte er Blutspuren am Bett und zog deshalb die Decke herunter. Da schwamm sie im Blut. Der eine Fuß war ihr abgehauen. »Ha, so steht es mit dir, du Hexe!«, rief der Soldat und ging fort.

Das Mädchen aber starb am dritten Tag.


Hexen stehlen Kinder

Eine Frau aus Derendingen hatte ein Kind geboren, das lange nicht getauft wurde. Als nun die Mutter in der Nacht einmal aufwachte und ihr Kleines säugen wollte, war es fort und nirgends zu finden.

Da kam der Mann eben nach Hause und die Frau klagte und sagte: »Ach ich habe mein Kind nicht mehr!«

Sprach der Mann: »Das hat gewiss eine Hexe gestohlen. Als ich auf dem Heimweg war, schrien da so viele Katzen in einem Garten, dass mir es auffiel. Ich will doch sogleich einmal hingehen.«

Darauf nahm der Mann seinen Säbel in die Hand und begab sich in den Garten, und wie er hinkam, bildeten da die Katzen einen Kreis. Mitten drinnen sah er sein Kind sitzen. Auf dem tanzten sie herum, dass es laut schrie. Da nahm er sein Kind und wehrte mit dem Säbel die Katzen ab, die ganz wild wurden. Zwei aber verfolgten ihn bis an seine Haustür. Hier sprang auf einmal die eine auf ihn los. Er aber versetzte ihr mit dem Säbel einen kräftigen Hieb auf die Brust, worauf er plötzlich seines Nachbars Frau erbärmlich schreien hörte. Die hatte auch richtig von dem Hieb eine große Wunde in der Brust, dass sie schier ums Leben gekommen wäre. Seitdem wusste man gewiss, wer die Hexe war, die das Kind gestohlen hatte.


Eine Hexe als Sau und Gans
Eine mündliche Überlieferung aus Reutlingen

Ein Mann aus Reutlingen sperrte eines Tags eine Gans, die verlassen auf der Straße stand, in seinen Stall und fand am anderen Morgen statt der Gans ein nacktes Weibsbild im Stall.

Ein anderer Mann, ein Metzger, der noch ledig war, sah einst in der Nähe der Reutlinger Kirche eine Sau, die war herrenlos und schien sich verlaufen zu haben, weshalb er sie mitnahm und in seinen Stall ließ. Als er aber am anderen Morgen nach ihr sehen wollte und den Stall aufmachte, saß eine fasernackte Frau darin. Die bat ihn um alles in der Welt, ihr doch Kleider zu holen von ihrem Mann und sie nicht zu der Schande zu zwingen, dass sie nackt heimgehen müsse. Der Bursche ließ sich endlich dazu bewegen, ging zu ihrem Mann und holte einige Kleider. Zugleich aber gab ihm der Mann auch noch Geld, damit er doch ja von der Sache schweigen möge, was er ihm auch versprach. Dann brachte er der Frau die Kleider und ließ sie frei. Allein aus Zorn darüber, dass er für das Holen der Kleider Geld genommen hatte, ritt ihm diese Hexe nun alle seine Pferde zusammen und verdarb ihm sein Vieh und fügte ihm überhaupt so viel Schaden zu, wie sie nur konnte.

Da klagte der Mann einst seine Not einer armen Frau, die ihn besuchte. Die sagte, sie wolle ihm helfen. Sie verlangte einen Besen, ging damit die Treppe hinauf und schlug ihn so lange auf die Stufen, bis dass er ganz hin war. Dann sagte sie zu dem Mann, nun solle er die böse Frau einmal besuchen. Wie er hinkam, hieß es, sie sei krank. Als er sich nicht abhalten ließ und zu ihr in die Kammer drang, lag sie da im Bett, indem ihr ganzes Gesicht wie mit Ruten zerschlagen und zerfetzt war. Darauf fragte er sie, was ihr denn fehle.

»Ich ging die Bühnentreppe hinauf«, sprach sie, »und da bin ich so krank geworden.«

»Das ist dein Lohn, den du längst an mir verdient hast,« sprach der Mann.

Und bald darauf ist sie gestorben.


Die Hexen auf dem Rangenbergle
Eine mündliche Überlieferung aus Ehningen und Betzingen

Auf dem Rangenbergle bei Ehningen halten die Hexen ihre nächtlichen Zusammenkünfte und tanzen dort auf Ofengabeln und Besen. Ein Mann, der an Hexen und Geister nicht glaubte, zog einst auf den Berg, um sich zu überzeugen, was es dort gebe. Da wurde er von einem Geist lange Zeit hin und her geführt und sehr gepeinigt.

Auch auf der Kelterwiese zwischen Ehningen und Reutlingen hat man die Hexen sowie das Muotesheer schon oft tanzen sehen. Ebenso auf einem Platz unter dem »Haldenacker« bei Betzingen, indem der »Kaspar«, d. i. der Teufel dazu aufspielte.