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Pamfilius Frohmund Eulenspiegel 20

Pamilius-Frohmut-Eulenspiegel-Band-2Des Erzkalfakters, Quadratschlankels und durchtriebenen Leutvexierers, Pamfilius Frohmut Eulenspiegel, des allbekannten, berüchtigten und weltverrufenen Till Eulenspiegel einzigen Sohnes pfiffigen Streiche, Ränke, Schwänke und lustige Possen als: Hendlschnipfer, Brotschwindler, Rahmkripfer, Fischdieb, Entenangler, Zigeuner-, Schneider- und Schusterlehrbua, Herzogslebensretter, Herold, Schatzgräber, magistratischer Bademeister, Hofnarr, Feldherr, frommer Pilger, glücklich dem Galgen entgangener Spieler usw.

Pamfili als Schatzgräber

»Im Wirtshaus zum goldenen Drachen da draußen vor dem Tor, kaum 100 Schritte weit weg von der Stadt. Der Wirt ist eigentlich selbst der goldene Drache, ein 60-jähriger steinreicher, aber erschrecklich geldgieriger Witwer, der eine schöne und brave Tochter hat, welche Rosine heißt, sein einziges Kind, und die er an einen grundhässlichen Müller von 70 Jahren verheiraten will, den sie aber nicht mag, weil ein Jäger des Herzogs ihr Herzallerliebster ist. Ihr Vater ist schon acht Tage lang auf dem Land, um Ochsen zu kaufen. Heute Abend kommt er zurück, wie er meinem Alten, der ein Fuhrmann ist, gestern in einem Dorf, wo beide übernachteten, gesagt hat.«

Dies war mehr, als ich zu erfahren hoffte, und taugte mir zu einem Plan, der sogleich in meinem Kopf fertig war. Ich ging nun geraden Weges in das Wirtshaus zum goldenen Drachen. Als ich in die Wirtsstube trat, küsste eben ein herzoglicher Jäger die Rosine, die erschrocken zurücktrat.

»So, so, Jungfer Rosine«, sagte ich lachend und mit dem Finger drohend, »wenn dies euer bildschöner Bräutigam, der reiche Müller, oder euer geldgieriger Vater gesehen hätte, der heute zurückkehrt!« Beide waren bestürzt, dass ich dieses Verhältnis wusste, und Rosine eilte in den Keller, um mir den bestellten Krug Wein vom Besten zu bringen. »Was bin ich schuldig?«

»Nichts, damit ihr uns nicht verratet.«

»Dies hätte ich ohnehin nicht getan.«

Ich schaute beide eine Zeitlang schweigend mit ernsthaftem Gesicht an und fragte: »Was gebt Ihr mir, Jungfer Rosine, wenn ich es dahin bringe, dass Ihr in 4 Wochen die Frau dieses Herrn Jägers sein werdet?«

»Hundert Taler von meinem 2000 Taler betragenden mütterlichen Vermögen, das mir mein Vater an meinem Hochzeittag ausbezahlen muss. Aber es ist unmöglich, dass Euch dies gelingt.«

»Das wird sich zeigen. Ich komme heute wieder, wenn Euer Vater da ist. Tut dann, als ob Ihr mich gar nicht kennt!«

Wir sprachen noch allerlei, und ich ging, als ich ausgetrunken hatte, kam jedoch abends wieder, als ich, in einem nahen Gebüsch lauschend, den Wirt heimkehren sah. Bald darauf trat ich in die Wirtsstube, wo der Wirt sich eben auszog, und verlangte einen Krug vom besten Wein und ein gebratenes Hendl.

In kurzer Zeit stand alles auf dem Tisch und ich bezahlte sogleich die Zeche vor den Augen des Wirtes, der Rosine, die mir das Geld geschwind wieder zurückgab, während der Wirt in der Nebenkammer seinen Hausrock holte. Auf einen geheimen Wink von mir entfernte sich Rosine aus der Stube. Der Wirt setzte sich zu mir und sah mir beim Essen zu.

»Wirt«, sagte ich, »ich muss Euch ein Geheimnis anvertrauen, wobei auch für mich etwas herausschaut.«

»Was denn?«

»In Eurem Haus ist ein großer Schatz vergraben, im Keller, und ich bin ein Schatzgräber.«

»So! Es sind schon mehrere bei mir gewesen, die dies gesagt und sich für Schatzgräber ausgegeben haben. Sie verlangten viel Geld zur Geisterbeschwörung, um das sie mich geprellt hätten, und durchgegangen wären. Von einer solchen Geschichte will ich nichts wissen.«

»Ich bin kein Betrüger, Wirt, das müsst Ihr Euch schon merken, und verlange auch kein Geld von Euch im Voraus, sondern Ihr sollt mir nur sagen, wie viel Ihr von dem gehobenen Schatz mir zu geben gedenkt, billigerweise wohl die Hälfte?«

»Wie groß ist denn der vergrabene Schatz?«

»Nach meiner Berechnung mehr als 30 000 Taler. «

Der Wirt stutzte. »Und davon sollte ich Euch die Hälfte geben, 15 000 Taler? Da müsste ich ein Narr sein! Lieber lass ich den Schatz liegen!«

»Nach Belieben! Macht selbst den Schatzgräber, so braucht Ihr niemanden etwas davon zu geben!«

Der Wirt rieb die Stirne und dachte darüber nach. »Begnügt Euch mit 8000 Talern, da Ihr als Schatzgräber Euch auch an anderen Orten noch Geld genug verdienen könnt.«

»Nun, meinetwegen, ich bin’s zufrieden. Ich brauche nur eine Hacke und eine Schaufel. Wir können gleich heute um Mitternacht den Schatz heben, nur müsst Ihr hinter uns den Keller verriegeln, dass niemand zu uns hinunter gehen kann.«

Der Wirt war damit einverstanden und tafelte mir den besten Wein, noch ein gebratenes Huhn und feingebackene Nudeln auf. Eine Viertelstunde vor Mitternacht gingen wir in den Keller hinab, wo ich am Ende desselben von Stroh, welches ich samt einer Stalllaterne mit brennendem Licht mitgenommen hatte, einen großen Kreis machte, in welchen wir beide traten. Ich gebot dem Wirt, ja kein Wort zu sprechen, da sonst der Schatz verloren wäre, und ließ ihn eine 3 Fuß tiefe Grube graben, ohne mitzuhelfen, wobei der dicke Wirt barbarisch schwitzte.

Hierauf begann ich eine Beschwörung des den Schatz bewachenden Geistes in mir selbst unverständlichen verflixten Worten, wie ich sie in der Büchersammlung des Klosters Gottsgnad in einem alten Zauberbuch gelesen und auswendig gelernt hatte.

Da erscholl eine dumpfe Stimme von tief unten heraus. »Großer Geisterbeschwörer und Schatzgräber! Dieser Schatz von 30 000 Talern kann erst gehoben werden, wenn Rosina, die Tochter des Wirtes, irgendeinen ihr beliebigen Jäger geheiratet und ihr mütterliches Vermögen von 2000 Talern bar ausbezahlt erhalten hat. Dann wird die eiserne Kiste mit dem Schatz sichtbar in diesem Loch stehen, wo sie der Wirt nehmen kann, ohne dich mehr als Geisterbeschwörer und Schatzgräber zu benötigen.«

»Da hab ich’s nun«, rief ich ärgerlich aus. »Der Wirt wird dann ganz allein den Schatz heben, bei mir leugnen, dass er ihn gefunden hat, und ich mit einer langen Nase abziehen, statt mit den versprochenen 8000 Talern!«

»Haltet mich nicht für so schlecht«, erwiderte der Wirt, der alles glaubte, was der Geist, oder vielmehr ich als Bauchredner, gesprochen hatte, da nur ein Geist genau die Summe vom mütterlichen Vermögen Rosines wissen konnte.

»Es ist alles in Ordnung, Jungfer Rosine«, sagte ich ihr am anderen Morgen, als ich lange vor ihrem Vater aufgestanden war. »Der Vater wird Euch sogar bitten, einen Jäger zu heiraten. Verstellt Euch aber und tut, als ob Ihr Euch erst nach einem Jäger umsehen müsstet. Ich gehe jetzt in die Stadt und werde Eurem Jager diese fröhliche Botschaft bringen.«

Rosine war außer sich vor Freude, nach 4 Wochen richtig eine Frau Jägerin sowie im Besitz einer prächtigen Ausstattung und ihres mütterlichen Vermögens von 2000 Talern. Nach dem Hochzeitstag seiner Tochter kam der Wirt alle Abende in den Keller, um die eiserne Kiste mit dem Schatz aus dem Loch zu heben, fand sie aber nicht, und grub immer tiefer, in der Meinung, die Erde sei noch zu schwer, als dass die Kiste sich emporschwingen könne, und grub so lange rastlos immer tiefer, bis Wasser armdick hervorschoss, und in den Keller strömte, sodass der Wirt sich aus demselben eiligst flüchten musste, um nicht zu ertrinken. Dieses Wasser war ein Zeichen, dass seine Schatzhoffnung zu Wasser geworden sei.