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Mit den Konquistadoren ins Goldland Teil 26

Gustav Dittmar
Mit den Konquistadoren ins Goldland
Eine Erzählung aus der Zeit der Welserzüge
Teil 26

Als die Freunde den Berg zur Siedlung hinaufstiegen, sagte Fabricius ernst: »Hohermut wird den neuen Zug ins Dorado nicht führen.«

»Nein«, sagte auch Kressel, »Hohermut ist vom Tod gezeichnet.«

Schweigend, ein jeder in seine Gedanken versunken, erreichten die Freunde ihre Hütte.

Hohermuts Entkräftung nahm rasch zu. Mit eiserner Willenskraft hielt er sich aufrecht und traf die Anordnungen für die Ausrüstung der neuen Expedition. Hans hatte Mühe, den zahllosen Befehlen des Führers, die einander überstürzten, gewissenhaft nachzukommen. Es ging nicht so rasch, wie Hohermut es wünschte. Vor allem mussten Pferde beschafft werden, die nur in Santo Domingo angekauft werden konnten. Außerdem war ein umfangreicher Briefwechsel mit dem Stammhaus der Welser in Augsburg und mit dem Herrn Bartholomäus Welser zu führen, dem Chef des Hauses, der in Antwerpen am Hof des Kaisers weilte. Alles kam darauf an, die Leiter des deutschen Handelshauses davon zu überzeugen, dass sie noch einmal eine große Summe in die Kolonie stecken mussten, wenn sie auf einen Ertrag hoffen wollten. Hans schrieb Briefe über Briefe nach Augsburg, Antwerpen, Santo Domingo, wo ein Italiener Bevollmächtigter der Welser war. Manchmal verzweifelte er fast über die Engherzigkeit seiner Kollegen, die das Welserland von ihren Kontorböcken aus regieren wollten.

Anfang Oktober erlitt Hohermut eines Morgens mitten in der gemeinsamen Arbeit mit Hans einen Blutsturz. Zu Tod erschrocken, bettete Hans den Führer auf ein Ruhelager und schickte nach dem spanischen Arzt. Dieser fühlte dem Kranken den Puls und zuckte die Achseln. Mit wilder Leidenschaft wehrte sich Hohermut drei Tage lang wider den Tod. Dann gebot er Hans, Pater Severinus zu rufen. Er beichtete dem Priester, und der tapfere, treue Pater sprach ihn mit bebender Stimme seiner Sünden ledig. Dann spendete er ihm das Sakrament der Letzten Ölung. Nur Hutten und Hans waren bei der heiligen Handlung zugegen.

In der Nacht ging ein gewaltiges Gewitter über Coro nieder. Das blauweiße Licht der Blitze erhellte das düstere Gemach fast ununterbrochen. Hohermut lag ganz still. Hans kniete am Bett und hielt die Hand des Sterbenden. Hutten stand am Fenster und sah in die Gewitternacht hinaus.

Gegen drei Uhr morgens richtete sich Hohermut plötzlich auf. »Vorwärts!«, rief er laut. »Hinauf! Hinüber!« Und dann noch einmal leiser: »Vorwärts!« Sein Haupt sank zurück. Georg Hohermut von Speyer, der Deutsche, der Feldhauptmann der Welser, war tot.

Hans weinte bitterlich.

Hohermut wurde in der nächsten Nacht bei Fackelschein in der Kirche von Coro unweit des Altars bestattet. Man hatte keinen Sarg beschaffen können. So lag der Tote in seinem ledernen Wams mit der Sturmhaube und dem Rapier an der Seite auf einer Bahre, die drei Deutsche – Joachim Fabricius, Hans Hauser und Martin Kressel – und drei spanische Offiziere trugen. Bischof Bastidas segnete die Leiche ein. Das Kirchlein war gedrängt voll. Keiner, der unter Hohermut gedient hatte, fehlte.

Die Geschäfte des Gouverneurs übernahm Philipp von Hutten, noch bevor er förmlich auf Antrag des Welserhauses durch den Indienrat in Sevilla zum Nachfolger Hohermuts bestellt worden war. Mit Eifer wurden die Vorbereitungen für die neue Expedition betrieben, aber es zeigte sich bald, dass noch viele Monate ins Land gehen würden, bis an den Aufbruch gedacht werden konnte.

Eines Tages wandte sich Hutten an Hans. »Ich halte es für unbedingt notwendig, dass ein zuverlässiger Mann, der die Verhältnisse der Kolonie genau kennt, persönlich dem Herrn Bartholomäus Welser Bericht erstattet. Mit Briefen allein kommen wir nicht weiter. Ich weiß, Kornett Hauser, dass es Euch schon lange in die Heimat zieht. Würdet Ihr die Botschaft übernehmen?«

»Und später wieder in die Kolonie zurückkehren?«, fragte Hans.

»Ihr scheint keine große Lust zu haben«, erwiderte Hutten lächelnd. »Tut, was Euch beliebt! Ich überlasse Euch die Entscheidung. Nur müsstet Ihr Euch alsbald auf den Weg nach Antwerpen zu dem Herrn Bartholomäus machen.«

Hans erbat sich Bedenkzeit. Er besprach Huttens Vorschlag mit Fabricius und Kressel.

»Fahr heim!«, sagte Fabricius. »Du hast deine Pflicht Hohermut und den Welsern gegenüber reichlich erfüllt. Ich werde Hutten begleiten. Er braucht einen von uns als Pfadfinder. Und Kressel wird ja doch nicht wieder mitziehen wollen.«

»Nein«, versetzte Kressel, »ich bin nun wieder Bauer. Ich will meinen Acker in Frieden bestellen. Mögen die anderen Gold und Abenteuern nachlaufen, ich bleibe hier!«

»Nun gut«, sagte Fabricius zu Hans, »so rate ich dir, Huttens Vorschlag anzunehmen.«

Noch am gleichen Abend teilte Hans dem Gouverneur mit, dass er bereit sei, alsbald nach Antwerpen zu reisen, und dass Fabricius ihn, den Gouverneur, auf seinem neuen Zug begleiten wolle.

Hutten war hocherfreut. Er ernannte Fabricius zu seinem persönlichen Adjutanten und Stellvertreter. Keine bessere Wahl hätte er treffen können. Der Niedersachse hielt ihm die Treue bis zum bitteren Ende.

Für Hans schlug nun die Abschiedsstunde. Zischende Viper hatte die Kunde, dass sein Herr mit einem der großen »Wasserhäuser« über das Meer fahren und nicht mehr zurückkehren werde, schweigend aufgenommen. Dass man ihm zumuten würde, in Coro zu bleiben und auf Kressels Siedlung Sklavendienste zu verrichten, kam ihm gar nicht in den Sinn. Eines Tages trat er zum ersten Mal wieder in indianischer Weise, nur mit einem Lendenschurz bekleidet und leuchtend rot bemalt, vor Hans. In der Hand trug er einen prachtvoll geschnitzten Bogen, den er selbst in wochenlanger mühsamer Arbeit hergestellt hatte. An seiner Hüfte hing der Fellköcher mit den Pfeilen. Eine Federkrone schmückte sein Haupt. »Zischende Viper nun heimgehen zu seinem Volk«, sagte er.

Hans fühlte einen schmerzhaften Stich in der Herzgegend. Ernst erwiderte er: »Ja, Zischende Viper, du nun heimgehen.«

Der Xidehara reichte Fabricius und Kressel die Hand.

»Leb wohl, Zischende Viper!«, sagte Kressel. »Ich danke dir.«

»Leb wohl, treue Seele!«, sagte auch Fabricius.

Der Indianer neigte gelassen das Haupt. Dann schlug er den Pfad ins Gebirge ein. Hans begleitete ihn. Sie kamen an der Stelle vorüber, wo Hans einst den von den Hunden der weißen Männer gehetzten Indianerjüngling hatte entweichen lassen. Dann stiegen sie über glattes Gras steil aufwärts. Über ihnen aus dem feuchten Buschwerk, das den Streifen der Alpensavanne begrenzte, stieg der Nebel in dünnen, geraden Schleiern wie Rauch auf. Aus den Schluchten rauschte unsichtbar das Wasser zu ihnen herauf, und tief zu ihren Füßen lagen die winzigen Hütten von Coro. Deutlich war Kressels Siedlung zu erkennen. Nach vierstündigem Marsch über die Savanne kamen sie in ein Buschwerk von Sträuchern und niedrigen Bäumen. Der Abhang des Berges wurde sanfter und der Fuß versank im purpurroten Blütenmeer der Befaria, der neuweltlichen Alpenrose. Die zahllosen Blüten glühten in der Sonne, ein Anblick von berauschender Schönheit.

Hier blieb der Xidehara plötzlich stehen und wandte sich zu Hans, indem er auf die Sonne wies: »Du nun umkehren, sonst dunkel werden.«

Hans nickte nur, sprechen konnte er nicht.

Da schleuderte Zischende Viper mit einem Ruck den Bogen fort und warf sich vor Hans auf die Erde, das Gesicht in die roten Blüten pressend. Es war der Ausdruck völliger Hingabe. Ich bin dein, besagte er, ich gehöre dir mit Leib und Seele, du kannst mit mir machen, was du willst.

Sekundenlang lag der Xidehara unbeweglich. Dann erhob er sich und griff nach seinem Bogen. Wortlos wandte er sich zum Gehen. Aufgewühlt bis ins Innerste sah Hans, wie Zischende Viper, gleichsam ein schönes, edles Tier, langsam, ohne sich noch einmal umzusehen, über den Teppich der Alpenrosen der sinkenden Sonne zuschritt, zu seinem Volk, in die Freiheit.

 

Die erste Schiffsgelegenheit nach Santo Domingo bot sich Anfang Dezember. Nachdem sich Hans von Hutten verabschiedet hatte, der ihm ein großes Paket Briefe mitgab, darunter auch Briefe an seine, des Ritters, Mutter und seinen Bruder, den hochwürdigen Bischof in Eichstätt, ging Hans an Bord, begleitet von Fabricius und Kressel. Die letzten Stunden vor der Abfahrt saßen die Freunde zusammen an Deck. Sie sprachen nicht viel.

Fabricius versprach, über seine und Kressels Erlebnisse dem Freund gelegentlich zu schreiben. »Zwei, drei Jahre wird freilich die neue Expedition dauern«, meinte Fabricius. »Solange wirst du nichts von mir hören.«

»Und von mir darfst du nichts Geschriebenes erwarten«, sagte Kressel. »Ich bin kein Schriftgelehrter.«

»Vergesst mich nicht!«, bat Hans.

»Niemals!«, antworteten Fabricius und Kressel wie aus einem Munde.

Als sie das Schiff verlassen hatten, stand Hans noch lange an der Reling und sah zum Strand von Coro hinüber. Allmählich brach die Nacht herein. Er erkannte deutlich am Berghang ein winziges Licht. Dort saßen nun Fabricius und Kressel zusammen, die Getreuen, und dachten an ihn.

Doch Kressel dachte auch daran, dass morgen der Mais geschnitten werden müsse, und Fabricius, dass noch eine Anzahl Musketen für den Zug Philipps von Hutten ins Dorado fehlte.

Dann rasselten die Ankerketten. Das Schiff kam in Fahrt und das kleine Licht am Berg verschwand hinter einem Dunstschleier.

Santo Domingo, die Hauptstadt des spanischen Kolonialreichs, machte auf Hans einen großen Eindruck. Vor noch nicht fünfzig Jahren hatte Christoph Kolumbus’ Bruder Bartholomäus hier auf Hispaniola die erste Ansiedlung der Neuen Welt gegründet. Jetzt erhob sich anstelle der Lehmhütten eine reiche Stadt, gekrönt von einer mächtigen steinernen Kathedrale. Rings um die Stadt lagen riesige Zuckerrohr- und Tabakpflanzungen. Weiße Männer in reicher spanischer Tracht spazierten durch die Straßen, und dunkeläugige Frauen, weißgekleidet mit der schwarzen Mantilla auf dem Kopf, lagen auf den Veranden der niedrigen Häuser im Schatten.

Es wimmelte von ebenholzfarbenen Guineasklaven. Wo aber war die Urbevölkerung, die Indianer, die einst Kolumbus und seine Gefährten freundlich und zutraulich begrüßt hatten? Sie waren zerrieben, zersprengt, vernichtet. In den Gold- und Kupferminen, auf den sonnenglühenden Pflanzungen hatten sie im Sklavendienst für den kalten, habgierigen Eroberer ihr Leben gelassen. Kaum noch ein Indianergesicht sah Hans. Dafür beherrschten die Schwarzen das Bild der Stadt, deren »Einfuhr« in das entvölkerte Land ein gewinnbringendes Geschäft war, an dem sich – leider Gottes – auch das deutsche Welserhaus beteiligte. Schon zeigten sich – erste Spuren des beginnenden Verfalls – neben den reinblütigen Weißen, Schwarzen und Roten die Mischblütigen: Mulatten, die Mischlinge von Weißen und Negern, und Mestizen, die Mischlinge von Weißen und Indianern. Es wird nicht mehr drei Jahrhunderte dauern, und kein Geringerer als der große Napoleon, zu dessen Reich die Insel dann gehört, wird sie an Mulatten und Neger verlieren.

Hans’ Verhandlungen mit dem Faktor der Welser waren bald erledigt. Auch auf eine Schiffsgelegenheit brauchte er nicht lange zu warten. Es verging damals kaum eine Woche, ohne dass ein Schiff aus Europa in Santo Domingo eintraf. Zufälligerweise war es wieder die Trinidad, auf der Hans die Heimreise antrat. Diesmal räumte der Kapitän dem bevorzugten Gast, der die Tracht des vornehmen Spaniers trug, eine Kajüte auf dem Oberdeck ein. Es war dieselbe, die Hohermut und Hutten auf der Überfahrt benutzt hatten. Das war freilich ein besserer Aufenthalt als der dunkle, dumpfe Verschlag, den Hans auf der Ausreise mit Kressel und den Pferden geteilt hatte. Die Überfahrt ging glatt und rasch vonstatten. Nach kaum fünf Wochen machte die Trinidad am Kai von Sevilla fest.

Unter den vielen Neugierigen, die die Ankunft des Schiffes herbeigelockt hatte, stand ganz vorn Francisco Garcia, der Kommiss des Welserhauses. Er begrüßte Hans mit einem tiefen Bückling und lud ihn ein, während seines Aufenthaltes in Sevilla sein Gast zu sein. Hans dankte aber und zog es vor, in einem Gasthaus zu wohnen. Am Abend nach der Ankunft schlenderte er am Ufer des Guadalquivir entlang. Er dachte an seine Abreise aus Europa, die eigentlich eine Flucht gewesen war. Hier hatte die Trinidad gelegen, hier war er ins Wasser gesprungen, um schwimmend das Schiff zu erreichen, ein tolles Wagestück. Dann saß er in einer Weinschenke, wo es laut und lustig herging, allein an einem Tisch vor einem Becher spanischen Weins. Bilder stiegen vor ihm auf, unablässig, in verwirrender Fülle. Was hatte er nicht alles in den letzten drei Jahren erlebt! Als Junge war er ausgezogen, als Mann kehrte er zurück von der Fahrt ins indianische Land.

Es war zwar – man möchte sagen: ausnahmsweise – einmal kein Krieg zwischen dem deutschen Kaiser und Franz I., dem französischen König. Der dritte Krieg zwischen den beiden Herrschern war wenige Monate vorher durch den Waffenstillstand von Nizza beendet worden. Trotzdem glaubte Hans für die Reise nach Antwerpen dem Wasserweg vor dem Landweg durch Frankreich den Vorzug geben zu sollen. So ging er Anfang März an Bord eines nach Antwerpen bestimmten Schiffes. Das Wetter war schlecht, und in der Biskaya hatte das Schiff einen heftigen Sturm zu bestehen. Ein paar Tage später tauchten unweit der Insel Quessant plötzlich zwei französische Schiffe auf, die, des Friedenszustandes ungeachtet, Jagd auf den Spanier zu machen begannen. Dem Kapitän schien es zweckmäßiger, zu fliehen, als sich mit den Franzosen in Verhandlungen einzulassen. Er ließ das letzte Fetzchen Leinwand setzen und nahm geraden Kurs auf die englische Küste. Die Reisenden standen am Heck des Schiffes und schauten gespannt nach den Verfolgern aus, die, gleichfalls mit vollen Segeln, hinter dem Spanier herliefen. Fast wie auf dem Magdalena, dachte Hans. Aber gegen Abend blieben die Verfolger zurück. Ein paar Kanonenschüsse, die sie dem spanischen Schiff nachsandten, gingen viel zu kurz.

An einem regenfeuchten, nebelverhangenen Märztag betrat Hans in Antwerpen wieder vaterländischen Boden. Er suchte alsbald nach seiner Ankunft den Herrn Bartholomäus Welser auf, der ihn aufs Freundlichste in seinem prächtigen, unweit der Kathedrale gelegenen Haus empfing. Der würdige, schon ergraute königliche Kaufmann, der reiche spanische Tracht trug, hörte mit großer Aufmerksamkeit Hans’ Bericht an. An seiner Seite stand ein junger, noch nicht dreißigjähriger Mann, dem die blonden Locken auf die Schultern fielen. Unverwandt hingen seine Augen an Hans’ Lippen, während dieser von den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Welserkolonie sprach und von den Aussichten eines neuen Entdeckungszuges.

»Ich danke Euch«, sagte Bartholomäus Welser, als Hans geendet hatte. »Ich muss mich glücklich schätzen, treue Diener zu haben, welche die Interessen meines Hauses im fernen indianischen Land so mutig und geschickt vertreten. Nehmt das zum Dank!«

Er reichte Hans einen kleinen seidenen Beutel, gefüllt mit Dukaten. Hans wollte ablehnen, aber Bartholomäus sagte lächelnd: »Nehmt nur! Ihr seid nun wieder in Europa und werdet es brauchen können. Auch soll niemand sagen, dass der alte Bartholomäus Welser knickerig sei.« Dann fuhr er ernster fort: »Ich werde dem Ritter Philipp von Hutten alle Hilfe angedeihen lassen, deren er bedarf. Es kommt dem Welserhaus auf ein paar Tausend Pesos gewiss nicht an. Ich werde ihm sogar das Kostbarste senden, was ich besitze, Bartholomäus, meinen ältesten Sohn, damit er an dem neuen Entdeckungszug teilnehme.« Er wies auf den jungen blonden Mann an seiner Seite.

Hans erschrak. »Wollt Ihr wirklich Euer Leben in der europäischen Gesittung mit dem Dasein in der indianischen Wildnis tauschen? Furchtbare Entbehrungen und tausend Gefahren warten Euer.«

»Ich bin entschlossen«, sagte Bartholomäus Welser der Jüngere.

Hans’ Augen glitten über den schmächtigen jungen Mann. Eine unbestimmte Angst erfüllte ihn. »So möge Euch Gott behüten!«, sagte er dann zögernd.

In der Nacht hatte Hans einen schweren Traum. Er sah deutlich das Tal des Tocujo vor sich.

Eine Schar abgerissener deutscher Landsknechte steht einem Trupp gutgekleideter und bewaffneter Spanier gegenüber. Die Führer der Deutschen, Philipp von Hutten und Bartholomäus Welser der Jüngere, verhandeln mit dem Führer der Spanier. Es ist Juan de Carvajal, der Schurke.

»Ich verlange freien Durchzug nach Coro«, ruft Hutten, »damit ich dem König und den Welsern, denen durch königliche Bewilligung die Provinz gehört, Rechenschaft ablegen kann.«

»Habt ihr’s gehört?«, schreit Carvajal. »Welserisch nennt er die Provinz. Ein Verräter ist er an der spanischen Krone. Hinaus mit den Deutschen aus India!«

Huttens Rapier fliegt aus der Scheide. »Das werdet Ihr mir büßen!«

Hans stöhnt auf im Schlaf. Die Traumbilder verwirren sich. Doch dann sieht er plötzlich mit entsetzlicher Deutlichkeit, wie ein Indianer die Machete gegen Philipp von Hutten und Bartholomäus Welser zückt. Einen Augenblick später hebt er die blutigen Köpfe der Enthaupteten in die Höhe. Höhnisch sieht Carvajal zu.

Mit einem Aufschrei erwachte Hans. Schon früh am nächsten Morgen stand er vor Bartholomäus Welser dem Jüngeren. »Zieht nicht ins indianische Land!«, flehte er. »Zieht nicht!«

Bartholomäus Welser blickte erstaunt auf den ungerufenen Warner. »Ich danke Euch, dass Ihr mich vor den Gefahren des indianischen Landes bewahren wollt. Ich weiß, dass ich vielleicht drüben sterben muss, aber ich weiß auch, dass niemand seinem Schicksal entrinnen kann. Kein Mensch kann seinem Leben auch nur eine Stunde zusetzen. Wir stehen alle in Gottes Hand und müssen den Weg gehen, den er uns führt. Nur darauf kommt es an, dass wir getreu sind, Gott und uns selbst getreu bis in den Tod.«

Erschüttert verneigte sich Hans vor dem Sohn seines Herrn.

Bartholomäus Welser der Jüngere aber zog nach Venezuela – in den Tod.

Hans fuhr den Rhein hinauf über Köln und Mainz nach Straßburg. O, du deutscher Strom von Pracht und Herrlichkeit! Tausendmal schöner sind deine Ufer mit den lieblichen Dörfern und den sanften Rebhügeln als die vom Urwald strotzenden Ufer des Magdalena, tausendmal schöner deine grünen Fluten als die braunen Gewässer des Tropenstromes! Von Straßburg zog Hans über den Schwarzwald nach Konstanz. Auf Bartholomäus Welsers Wunsch übernahm er die Leitung der dortigen Filiale des Welserhauses. Ein Jahr später heiratete er Berta Köler, die Tochter eines Konstanzer Ratsherrn. Wir erzählten schon, dass sie als Braut vor dem Altar die Perlen trug, die Hans an der Küste von Paraguana gesucht hatte.

Berta Köler schenkte ihrem Gatten eine stattliche Anzahl Kinder. Hans Hauser, der Weitgereiste, stand in hohem Ansehen bei seinen Mitbürgern. Er wurde Ratsherr an seines Schwiegervaters Stelle und starb hochbetagt. Noch heute blüht das Geschlecht der Hauser im Badischen.

Von Fabricius ist zu erzählen, dass er am neuen Entdeckungszug unter Philipp von Huttens Führung teilnahm und Zeuge war, wie Carvajal Hutten und Bartholomäus Welser enthaupten ließ. Wie durch ein Wunder entging er der Wut des Spaniers. Nach Deutschland zurückgekehrt, besuchte er Hans Hauser in Konstanz. Später wurde er Professor an der Universität Helmstedt. Sein hauptsächlichstes Forschungsgebiet waren die Naturwissenschaften, die damals noch in den ersten Anfängen standen. Über seine Erlebnisse im indianischen Land schrieb er ein Buch, das in Halle gedruckt wurde. Es war ein erster Versuch einer naturwissenschaftlichen Darstellung des neuen Erdteils. So wurde der Helmstedter Professor der Vorläufer des großen Naturforschers Alexander von Humboldt, der zweihundertfünfzig Jahre später sein klassisches Werk über die Gegenden geschrieben hat, wo die Freunde unerhörte Abenteuer bestanden. Ein Exemplar des Fabricius’schen Buches, das fast ganz verschollen ist, spielte ein glücklicher Zufall dem Verfasser in die Hände, der dadurch in die Lage versetzt wurde, diese Geschichte zu erzählen.

Kressel heiratete die Witwe eines auf dem Zug Huttens gefallenen deutschen Ansiedlers. Die Kressels saßen bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Venezuela. Dann kehrte der älteste Spross der Familie nach Deutschland zurück und kaufte sich in der Grafschaft Hanau-Lichtenberg, unweit des Mains, an. Es gibt heute im Hessischen ein Dorf, in dem jeder dritte Mann Kressel heißt. Alle sind Bauern und wohlhabend. Als der Verfasser, damals noch ein junger Mann, in den großen Krieg zog, war ein Martin Kressel sein Bursche und guter Kamerad. Sein Pferd hieß Suse.

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