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Pamfilius Frohmund Eulenspiegel 18

Pamilius-Frohmut-Eulenspiegel-Band-2Des Erzkalfakters, Quadratschlankels und durchtriebenen Leutvexierers, Pamfilius Frohmut Eulenspiegel, des allbekannten, berüchtigten und weltverrufenen Till Eulenspiegel einzigen Sohnes pfiffigen Streiche, Ränke, Schwänke und lustige Possen als: Hendlschnipfer, Brotschwindler, Rahmkripfer, Fischdieb, Entenangler, Zigeuner-, Schneider- und Schusterlehrbua, Herzogslebensretter, Herold, Schatzgräber, magistratischer Bademeister, Hofnarr, Feldherr, frommer Pilger, glücklich dem Galgen entgangener Spieler usw.

Die Rettung

Durch ganze Wolken aussteigenden Staubes sah ich von Weitem, von der Sonne beleuchtet, einen prächtigen Wagen gleichsam fliegen. Da ich auf dem Bock keinen Kutscher erblickte, merkte ich gleich, dass die beiden stattlichen Pferde, die an den Wagen gespannt waren, mit diesem durchgingen.

Schnell warf ich Kappe und Ränzchen hinter mich und stellte mich mit quer hingestrecktem Stock den Pferden entgegen, die schon ganz nahe herankamen. Im Wagen saßen zwei, wie mir schien, sehr vornehme Herren, welche aufstanden, als wollten sie aus dem Wagen springen.

»Sitzen bleiben!«, schrie ich ihnen zu.

Die Pferde stutzten bei dem Anblicke meines Stockes, welchen ich benutzte, um die Zügel des Sattelpferdes zu fassen.

»Wird nichts helfen«, rief mir der ältere Herr zu. »Die Pferde haben die Stange auf die Zähne genommen und sind so durchgegangen. Der Kutscher und mein Jäger sind auf die Straße gefallen.«

Da ich die Zügel nicht aus den Händen ließ, so schleiften mich die wieder davonrennenden Pferde wohl über hundert Schritte weit auf dem Boden fort. Durch mein beständiges starkes Ziehen am Zügel rutschte die Stange über die Zähne des Sattelpferdes zurück, das nun ruhig stehen blieb. Das Handpferd machte es ebenso. Nun stiegen die beiden Herren aus, und Kutscher und Jäger, die nach und nach heranhinkten und mir Kappe und Ränzchen zustellten, brachten alles wieder in Ordnung.

»Ich bin der Herzog von Assingen«, sagte der ältere Herr zu mir, »und dieser Herr ist mein Schwager, der regierende Herr Graf von Rischer. Mit kühner Entschlossenheit hast du uns beiden das Leben gerettet, wofür wir dir herzlich danken. Auch dein Gewand ist beschädigt worden. Nimm einstweilen diese 12 Goldstücke als Belohnung. Wenn du Lust hast, in meine herzoglichen Dienste zu treten, so melde dich in meiner Residenzstadt Assingen bei mir. Was möchtest du denn werden?«

»Gnädigster Herr Herzog, ich danke untertänigst für das große Geschenk und möchte bei Ihnen nichts lieber werden als ein Hofnarr.«

Die beiden hohen Herren lachten, dass ich meinte, sie würden gar nicht mehr aufhören.

»Hast du aber auch das nötige Talent zu einem Hofnarren?«, fragte mich der Herzog, wieder lachend.

»Haben Sie nie von Till Eulenspiegel etwas gehört, gnädigster Herr?«

»Nicht bloß gehört; er hat mir auch viele lustige Possen gespielt, an die ich mich noch heute mit großem Vergnügen erinnere. Schade, dass er schon gestorben ist!«

»Nun, sehen Sie, gnädigster Herr, ich bin der Sohn, der einzige Sohn des weltberühmten Till Eulenspiegels!«

»Potztausend, du bist sein Sohn?«

»Ja, und heiße Pamfilius Frohmund Eulenspiegel, gehorsamst aufzuwarten.«

»Wahrhaftig, das freut mich recht, und da gewöhnlich der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, so wird wohl der Sohn dem Vater nicht viel nachgeben?«

»Gar nichts, gnädigster Herr, gibt er ihm nach, gar nichts, und mit Respekt zu melden, hofft er ihn sogar noch zu übertreffen.«

»Oho, Pamfili, das will schon etwas sagen. Gib mir eine Probe davon, damit ich sehe, ob du bei mir einen Hofnarren zu machen imstande bist!«

»Befehlt nur, gnädigster Herr, zu welcher Zeit ich dies tun soll!«

»Ich komme jetzt von meinem Jagdschloss und fahre ins Kloster Gottsgnad, um dort den Prälaten zu besuchen, was ich ihm schon lange versprochen habe.«

»Ah, dieser hochwürdige Herr Prälat war und ist noch immer der hohe Gönner von mir und meiner Mutter. Grüßen Sie ihn schönstens von mir, wenn ich bitten darf!«

»Recht gerne«, erwiderte der Herr Herzog lachend. »So, deine Mutter lebt noch?«

»Ich frisch und gesund, im Dorf Laubheim, wo ich geboren bin, nur eine halbe Stunde weit weg vom Kloster Gottsgnad.«

»Von was lebt sie denn?«

»Vom Kostholen im Kloster.«

»Nun, da bringt sie sich ja recht wohlfeil fort.«

»Gewiss. Ich wüsste ihr auch keine wohlfeilere Kost, als diese, die gar nichts kostet.«

Der Herzog lachte. »Hast recht, Pamfili! Nun höre! Geh jetzt in meine Residenzstadt Assingen. In anderthalb Stunden kannst du hinkommen, und erzähle dort dem Bürgermeister, dass du mich und meinen Herrn Schwager gerettet hast, und dass ich am nächsten Sonntag abends halb sechs dort wieder ankommen werde. Ohne Zweifel beraten die Magistratsräte gleich die Empfangsfeierlichkeiten, welche Gelegenheit du benutzen kannst, in meiner Gegenwart eine Probe deines Talents zu zeigen, bei mir den Hofnarren machen zu können.«

»Soll geschehen, ganz gewiss, verlasst Euch darauf, gnädigster Herr Herzog!«

»Lebe wohl, Pamfili! Auf Wiedersehen!«

Der Herzog rollte in seinem Wagen fort, und ich fuhr in meinem angeborenen Fuhrwerk davon, dessen Räder im Leibe um und umgehen.