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Schwäbische Sagen 22

Schwäbische-Sagen

Das Totenvolk
Eine mündliche Überlieferung aus Thusis

In den deutschen Ortschaften Graubündens wissen die Leute viel von dem Totenvolk zu erzählen. Es sind dies die Seelen verstorbener Menschen, die nicht zur Ruhe der Seligkeit gelangt sind und nun unter Führung des Teufels zu gewissen Zeiten durch die Luft ziehen. Sie machen eine traurige, unharmonische Musik. Niemand darf zu dem Totenvolk aufblicken. Wer es anruft, den trifft bald ein Unglück.


Der Nachtvogel
Eine mündliche Überlieferung aus Mittelstadt

Bei Riederich kam nachts ein Musikant über den Weg und sah, dass ein mächtig großer Vogel beständig vor ihm herflog. Da sprach er: »Wart, ich will dir auch eins aufspielen!« ER nahm seine Geige und strich lustig drauf los, indem der Vogel fortwährend mit ihm zog. Als der Spielmann endlich müde war, nahm er den Bogen, klopfte auf seine Geige und sprach: »Hundsfott, jetzt zahl mich auch aus!« Da stürzte er aber elend zu Boden, dass ihm die Geige zerbrach. Und auf einer Eiche hörte er jemand laut lachen: Ha ha ha ha!


Der Schreier
Eine mündliche Überlieferung aus Frickenhausen

In der Umgegend von Frickenhausen, besonders im Hardtholz und auf dem »alten Kern«, wo ehedem ein Nonnenkloster gestanden hatte, ließ sich sonst häufig ein Schimmelreiter sehen, der schrie wie ein Rehbock, weshalb man ihn nur den Schreier nannte. Er war als Jäger gekleidet, hatte ein Gewehr und einen Hund bei sich, der beständig boll. Auch als Licht hat er sich schon gezeigt, das fuhr so rasch hin und her, als ob ein Stern schießt. Einst sah ein Mann in Frickenhausen aus dem Fenster dies Licht und rief ihm zu:


Schäuble feucht,
mach dich leicht ,
dass du bald
bei mir seist!

Dies aussprechen und das Fenster zuschlagen, war eins, denn in demselben Augenblick sah er das Licht an sein Fenster fahren wie der Teufel, dass er nicht wenig erschrak.


Die drei Grafen zu Herrenberg
Eine mündliche Überlieferung aus Herrenberg

Im Bergschloss zu Herrenberg wohnten vor alters drei Grafen, welche das Schloss so wie die Stadtkirche erbaut hatten, sonst aber ein wildes, wüstes Leben geführt haben. Dafür haben sie auch lange Zeit geistweis umgehen müssen. Man hörte sie als Jäger mit Hundegebell im Wald lärmen und schreien. Besonders merkwürdig aber war es, dass sie oftmals mit vier Katzen von Herrenberg bis zu dem zwei Stunden weit entfernten Schloss von Ehningen fuhren, und das ging wie der Wind über Stock und Stein, mit Saus und Braus.

In der Nähe des Herrenberger Schlosses ist auch ein Platz, wo die Hexen zusammenkommen und tanzen.


Der feurige Wagen zu Krauchenwies
Eine mündliche Überlieferung aus Krauchenwies im Sigmaringischen

Im Tiergarten zu Krauchenwies haben früher viele Leute bei Nacht einen Mann auf einem Schimmel reiten sehen. In einer gewissen Entfernung folgte diesem Schimmelreiter ein feuriger Wagen, der ganz mit Menschen angefüllt war. Eine Weile später erschien dann immer ein Mann zu Fuß und trug ein ganzes Gebund Kochlöffel auf dem Rücken und fragte jeden, der ihm begegnete, ob man keinen Wagen gesehen habe. Er sei der Koch.

Man glaubt, dass der ganze Zug das Jagdgefolge eines Sigmaringischen Fürsten gewesen sei, der lange Zeit geistweis umgehen musste, weil er das Wild so gehegt und den Bauern großen Schaden zugefügt hatte.


Der nächtliche Schlachtlärm

Das alte Schloss Kräheneck bei Weißenstein ist ganz verfallen und abgetragen und liegt in Gebüsch und Gras. Wo der Weg von Huchenfeld nach Pforzheim geht, da hört man oft nachts ein Getöse in der Burg wie von einer Schlacht. Auch haben die Leute den Burgherren dort manchmal auf seinem Schimmel reiten sehen. Auch weidet dieses Pferd oft auf den Wiesen an der Ragold, die dem Burgherrn gehörten.


Die drei Brüder auf Wielandstein
Eine mündliche Überlieferung aus Oberlenningen, Owen und Beuren

Auf einer hohen Felswand, eine Viertelstunde von Oberlenningen, liegen auf schroffen Felsen die Ruinen der dreifachen Burg Wielandstein, auch Schlösslesruine genannt. Hier lebten in alten Zeiten drei Brüder in solcher Feindschaft miteinander, dass sie nicht einmal das Wasser aus einer gemeinsamen Quelle trinken mochten, sondern es aus drei verschiedenen Brunnen holten. Der eine holte es aus dem Wasserfall bei der Torfgrube (andere nennen statt dieser das nähergelegene Tal Dobel, wo sich gleichfalls eine Quelle befindet). Der andere schöpfte es aus dem Brunnen im Tal, das Rinnebuckel heißt und von wo ein Fußweg auf den Wielandstein führt, den die Brüder noch miteinander angelegt haben sollen. Der Dritte endlich, der Inhaber der eigentlichen Burg Wielandstein, ließ es aus der Lauter holen und gab der Magd jedes Mal einen Wolf statt eines Hundes als Führer mit. Zuletzt bauten sich zwei Brüder rechts und links vom Wielandstein eigene, kleinere Schlösser, von denen noch Spuren zu sehen sind. An dem einen, das mit seinen steilen Felsen wie ein Turm ins Dobelthal ragt, will das Volk noch eine in Stein gehauene Kegelbahn erkennen. Bei dem auf der anderen Seite gelegenen sieht man einen Gartenplatz, in welchem vor einigen Jahrzehnten noch drei uralte Birnbäume gestanden haben sollen. So erzählt man in Oberlenningen.

In Owen dagegen sagte ein älterer Mann, der es von seinem Vater wusste: Die Nebenschlösser bei Wielandstein seien bloß Burgställe des Hauptschlosses gewesen. Die beiden anderen Brüder hätten sich vielmehr auf dem Rauber oder Diepoldstein und auf der Teck angebaut, und die Sibylle sei die Mutter dieser drei Brüder gewesen. Im ganzen Lenninger Tal aber sagt man, wenn Brüder uneinig sind und sich befeinden: »Ihr sind Kerle wie die drei Brüder auffem Schlössle!« Oder überhaupt, wenn Leute sich zanken, heißt es gleich: »Die sind wie die drei Brüder auffem Schlössle.«

Endlich erzählt man in Beuren, die drei Brüder vom Wielandstein hätten die Schlösser auf Teck, Reuffen und Urach bewohnt, und obwohl dieselben zwei Stunden weit auseinanderliegen, doch durch ein Sprachrohr miteinander reden können.


Rehberger

1.
Eine schriftliche Überlieferung, Chronik der Stadt Schwäbisch-Hall von Lacorn, 1700

Sigbertus in seiner Chronik schreibt von einem Junker Rechberger, der mit seinen Dienern einst fremden Herren entgegen ritt und über Nacht in einer Feldkapelle blieb. Da er morgens weiter reiste, ließ er seine Handschuhe aus Vergesslichkeit liegen und schickte deshalb später einen Diener zurück, dass er sie holen sollte. Wie nun der Diener in die Kapelle kommt, sieht er dort einen Totensarg stehen und darauf einen leibhaftigen Teufel sitzen, der hatte des Edelmanns Handschuhe an. Kaum hat der Diener dies gesehen, so macht er sich auf und davon und kommt zurück und erzählt seinem Herrn die Sache. Der wird unwillig und reitet selbst zu der Kapelle zurück und findet es so vor, wie der Diener gesagt hatte. Er tritt aber keck hinzu, reißt dem Gespenst die Handschuhe ab und reitet seines Wegs weiter fort.

Über eine Weile begegnet ihm eine ganze Schwadron Reiter, und bald darauf noch eine. Hintennach aber ritt einer, der führte ein leeres Pferd. Diesen fragte der Edelmann, wer sie seinen, worauf jener antwortete, sie seien das “wütende Heer”. Fragte der Edelmann weiter, was das leere Pferd bedeuten solle. Und der Reiter sprach, sein Herr, der Teufel, habe einen getreuen Diener, der heiße Rechberger, für den sei es bestellt, denn derselbe solle von heut übers Jahr erstochen werden und auf diesem Pferd in sein Quartier reiten.

2.

Der Jäger Rehberger oder Rechberger hat seinen eigentlichen Sitz auf dem Einkorn bei Schwäbisch-Hall und spukt in der ganzen Umgegend zwischen dem Kocher- und Bühlerfluss, im Fischertal und besonders auf der Tüngentaler Ebene bis Obersontheim, überschreitet aber nie sein ehemaliges Jagdgebiet. Er führt auf alle Weise die Leute an und hat seine Lust daran, sie zu necken und zu quälen. So macht er zum Beispiel ein überladenes Fuhrwerk nach, das festgefahren ist und mit Gewalt wieder loszukommen versucht. Da hört man ein Knarren und Knallen und Fluchen, und wenn dann jemand näher hingeht und helfen will, so wird es still und er steht und hört nichts mehr, und fällt wohl gar in einen Sumpf oder Graben.

Die nächtlichen Wanderer führt er gern auf Abwege, tanzt als Licht vor ihnen her und erlischt plötzlich, wenn sie nach mehreren Stunden genau wieder an denselben Ort kommen, von wo sie losgegangen sind.

Den müden Eierträgern setzt er sich in den Korb, dass sie ihn tragen müssen bis an das Ende seiner Markung, wo er patschend und laut lachend abspringt.

Er speit auch Feuer und steckt wohl gar Häuser in Brand. So spottete man einmal in der Mühle zu Obersontheim über den Rehberger.

Da erschien er plötzlich mit feuerrotem Gesicht und sah oben zum Fenster herein, dass alle erschraken. Noch in derselben Nacht ist die Mühle abgebrannt.

3.
Eine mündliche Überlieferung aus Bühlertann

Rehberger soll General zu Hall gewesen sein, aber ein böser Mensch und ein Seelenverkäufer. Er schonte niemanden. Zu seinem Vergnügen soll er einmal mehrere Maurer, die ganz oben an seinem Schloss arbeiteten, heruntergeschossen haben, denn Jagen und Schießen ging ihm über alles. Dafür muss er jetzt noch immer geistweis umgehen. Gewöhnlich geht er zu Fuß in grüner Jägerkleidung. Sehr selten reitet er. Er kann sich aber auch in allerlei Tiergestalten verwandeln und hat sich schon als Pferd, als Ochse und Hund gezeigt.