Ausschreibung
Sternenlicht-Anthologie

Download-Tipp
Band 6

Heftroman der Woche

Archive
Folgt uns auch auf

Das Geisterschiff und der Fliegende Holländer Teil 20

Das-Geisterschiff-und-der-fliegende-HollaenderDas Geisterschiff und der Fliegende Holländer
Lebendig im jüngsten Gericht oder Rache bis über das Grab hinaus
Eine höchst schaudervolle Geschichte höllischer Bosheit

Der Schlüssel zum Geheimnis

Nach der glücklichen und wirklich wunderbaren Rückkehr Philipps gab es wohl kein seligeres Paar auf der Welt als ihn und seine überaus geliebte, treue Amine, die nun gemeinsam an der Wiege ihres Kindes die elterliche Wonne genossen. Die ersten Wochen ihres Beisammenseins entschwanden ihnen in höchster Zufriedenheit. Während dieser Zeit dachten beide nicht an die Frage, ob Philipp zur endlichen Lösung des auf dem Haupt seines armen Vaters ruhenden Fluches sich wieder auf die heimtückische See hinauswagen sollte oder nicht. Ihr Leben schien auf die Wonne des Augenblicks angewiesen zu sein.

Da nach den stürmischen Gefühlen wieder eine Beruhigung der Gemüter erfolgte, trat auch die Erinnerung an das auf Philipps Eltern haftende grauenvolle Geheimnis mahnend hervor, und das schreckliche Bild des einäugigen, teuflischen Veiten drängte sich wie eine finstere Sturmwolke in die fröhlichen Sonnentage ihres Daseins.

Gar oft in den seligen Stunden Philipps und Amines entwand sich ihm ein tiefes Aufseufzen in ihren Armen, um sich den qualvollen Gedanken an frühere Ereignisse hinzugeben, an den Tod seiner geliebten, schier vom Wahnsinn erfassten, unglücklichen, bejammernswerten Mutter, an die Angst, womit er den Schlüssel zu dem geheimnisvollen Gemach gesucht, an den entsetzlichen, an Bord des furchtbaren Geisterschiffes von seinem sündigen Vater eigenhändig geschriebenen Brief, an die zur Lösung des Fluches bestimmte Reliquie, und insbesondere mit fieberhaftem Schauder an den gespensterbleichen Veiten, der immer wie ein Teufel ihm auf den Fersen folgte, aus dem Abgrund des Meeres emportauchte, um wieder vor ihm zu erscheinen, und vor wenigen Wochen mit schadenfroher Bosheit seiner Amine vorgelogen hatte, dass ihr Gatte zugrunde gegangen sei.

Im Kampf mit solchen quälenden Gedanken ging er eines Abends an der Seite des frommen Paters Seysen auf einer anmutigen, neben der Heerstraße liegenden Wiese spazieren. Der Pater benutzte eben diese Gelegenheit wieder, um durch Worte der Heiligen Schrift die Beruhigung seines erschütterten Gemütes zu suchen, als Philipp in weiter Ferne eine Staubwolke heranwogen sah, emporgewirbelt von einem schnell rollenden Wagen, der bald neben ihm hielt, aus welchem sein Freund Krantz sprang und in seine Arme sank. Der brave Mann war bis zur völligen Beendigung der gerichtlichen Untersuchung wegen des an Philipp versuchten Mordanfalls in Amsterdam geblieben. Nach der Mitteilung von dem qualvollen Tod des Verbrechers übergab Krantz seinem Freund ein versiegeltes Päckchen, von den Gerichten ihm zur Bestellung an Philipp anvertraut, da es für diesen höchst wichtige Papiere enthalte.

Neugier und Ahnung der darin zu findenden Lösung mancher rätselhaften Erlebnisse kehrte er, indessen der Pater seinen Spaziergang fortsetzte, mit seinem Freund nach Hause, stellte ihn seiner Frau vor, eilte dann in sein Gemach, um nicht im Lesen der im Päckchen befindlichen Papiere gestört zu werden, auf deren Umschlag stand:

Rache über das Grab hinaus.

Etwa 25 Jahre vor dem Zeitpunkt, wo unsere Geschichte beginnt, wohnte in einem abgelegenen Teil der Stadt Amsterdam der Leinweber Johann Vandendecken, ein einfacher und rechtlicher, aber starrköpfiger Mann von einer finsteren Gemütsart, welche abstoßend wirkte, infolge eines frühzeitigen Todes seiner Gattin noch ärger hervortrat, und zugleich den verderblichen Einfluss auf die Erziehung seiner zwei Söhne, Simon und Wilhelm, hervorbrachte.

Durch das Alter nur wenig getrennt, zeigten die beiden Brüder in ihrem Äußeren eine eben so große Ähnlichkeit als Verschiedenheit. Beinahe einander gleich in Gestalt und Gesichtszügen unterschieden sie sich besonders dadurch, dass Simons Blick etwas heimtückisch Lauerndes hatte, und in seinem ganzen Benehmen ein verstecktes, verschlossenes Wesen verriet, indessen das offenherzige Auge und die heitere Miene seines Bruders Wilhelm, als Zeugen eines leichten Sinnes und natürlicher Freimütigkeit überall Vertrauen erweckte.

Durch Ähnlichkeit der Gemütsart, aber nicht der inneren Rechtlichkeit, war Simon, der ältere Sohn, der Liebling seines Vaters. Noch als Knabe hatte Simon keine Freude am Spielen mit andern Kindern, wohl aber an jeder Gelegenheit, ihnen irgendeinen unangenehmen Possen zu spielen. Viel lieber lernte er und las in alten Chroniken, die von wunderbaren und geheimnisvollen Dingen handelten, denen er oft tagelang nachgrübelte. Nach dem Beschluss des vermögenden Vaters sollte also der Sohn ein Gelehrter werden, weshalb er ihn auf die lateinische Schule schickte, den jüngeren Sohn, Wilhelm, nach Rotterdam, dem Anerbieten eines Oheims mütterlicher Seite entsprechend, eines früheren Seefahrers, den feurigen Knaben für einen künftigen Beruf zu erziehen.

Ein ebenso menschenfeindlicher Mann wie Jan Vandendecken war der Tuchmacher Peter van Zoonen, sein einziger Freund, mit dem er allabendlich in einer kleinen Tabagie zusammentraf, wo beide in der abgelegenen Ecke wortkarg ihre Pfeifen dampfen ließen. Hier kamen sie eines Tages überein, dass Simon und Maria, die Tochter des Tuchmachers, dereinst ein Ehepaar werden sollten. Simon hatte damals sein neunzehntes Jahr erreicht. Maria, an unbedingten kindlichen Gehorsam gewöhnt, fügte sich in den Willen des Vaters. Obgleich sie an Simons Benehmen manches zu tadeln hatte, fand sie doch großen Gefallen an seiner äußeren Erscheinung, und Simon liebte sie wirklich mit dem ganzen Feuer eines Südländers, der er gar nicht war. Er hielt seine Vermählung mit ihr für das größte Glück seines Lebens und beschloss, seinen Studien an der Universität zu Leiden sich mit unermüdlichem Fleiß hinzugeben, um recht bald in den Besitz seiner Geliebten zu gelangen.

Vor Simons Abreise von Amsterdam wurde durch Wechseln der Ringe, zum Zeichen eines späteren, engeren Bandes, die Verlobung gefeiert. Nach Verlauf eines Jahres starb der alte van Zoonen, und der ohnehin ganz einsame künftige Schwiegervater nahm die nun verwaiste Maria bereitwillig in sein Haus. Simon und Maria schrieben sich fleißig, jener mit Ausdrücken glühender Leidenschaft, diese mit liebevollen Worten, welche aber nur geschrieben, doch nicht von den wahren Gefühlen des Herzens eingegeben schienen, was Simon bei einer ruhigen Prüfung, ohne Verblendung durch seine rasende Liebe, hätte erkennen müssen.

Seit Maria nach seines Freundes Tod im Haus war, besuchte der alte Vandendecken die Tabagie nicht mehr, sondern ließ sich abends von dem Mädchen aus der Bibel vorlesen. So war wieder ein Jahr vergangen, als einst zu solcher Zeit durch die plötzlich geöffnete Türe ein schöner junger Mann in der Tracht eines Seemannes hereinstürzte und sich in die Arme des alten staunenden Vandendecken warf.

Wilhelm war es, von seinem Oheim zum Seedienst ausgebildet, der sich auf mehreren Reisen durch Kenntnisse und Tätigkeit hervorgetan, und eben erst aus Ostindien als Steuermann auf dem Schiff Der Amsterdamer zurückgekommen war.

Der Vater freute sich, insoweit es ihm bei ist seinem kalten Charakter möglich war, seinen Sohn Wilhelm wieder zu sehen, dessen Erscheinen auf Maria einen mehr als überraschenden Eindruck machte. Bei einem raschen Vergleich mit dessen Bruder Simon fand sie, dass Wilhelm denselben in jeder Beziehung übertraf. Jetzt erst fühlte ihr Herz wahre Liebe.

Mit Betrübnis gedachte sie, dass sie durch die Verlobung an Simon gebunden sei. Vergebens suchte sie sich einzureden, dass ihre Neigung nur dem künftigen Schwager gelte. Vergebens tat sie ihr Möglichstes, Wilhelm, der sie bereits mit der glühenden Innigkeit entgegen liebte, für die gleiche Ansicht zu gewinnen. Die allmächtige Liebe siegte unwiderstehlich, und ein halbes Jahr nach Wilhelms Heimkehr, als auch der alte Vandendecken schon im Grab lag, wurde Maria das Opfer einer unbewachten Stunde, und der Cherub der Unschuld schied trauernd von ihrem Lager.

Um diese Zeit dachte Simon, dessen Studien zu Ende gingen, an die Heimkehr in seine Vaterstadt.

Ungeachtet seines Eifers für sein Brotstudium folgte er vorzugsweise seiner Neigung für das Geheimnisvolle und Unerklärliche und beschäftigte sich viel mit Astrologie und überirdischen Wissenschaften, ohne hierdurch seine leidenschaftliche Liebe für Maria zu vermindern. Er grübelte oft darüber nach, warum ihre Briefe immer seltener wurden und zuletzt ganz ausblieben, was ihn bewog, seine Heimreise nach Amsterdam zu beschleunigen.

Dazu hatte er bereits alles geordnet, seinen Koffer gepackt, als ihm in einem Trinkhaus eine Amsterdamer Zeitung in die Hände fiel, worin er mit vernichtendem Entsetzen die Anzeige von der ehelichen Verbindung Wilhelms Vandendecken mit Maria van Zoonen las, sodass er bewusstlos zu Boden stürzte. Ein heftiges und gefährliches Fieber bedrohte sein Leben, von dem er erst nach langer Zeit genas.

Nun enthielt sein ganzes Wesen etwas so Düsteres und Entsetzliches, dass alle seine früheren Gefährten mit Schauder sich von ihm abwendeten.

Um nicht nach Amsterdam zu reisen, wo er bei der ersten Begegnung den Verrat seines Bruders und die Untreue seiner Braut mit Dolchstichen hätte rächen müssen, schied er bald darauf von Leiden. Er beschloss, eine Rache zu nehmen, die über das Grab hinaus dauern sollte. Den gelehrten Studien entsagend, wanderte er nun von Verzweiflung gehetzt, durch Italien nach Frankreich und England, wo er sich einem wüsten Leben hingab, immer über Rachegedanken für die ihm zugefügte Schmach brütend.

Nach mehreren Jahren kehrte er heimlich nach Holland zurück, wo er die Nachricht von der Ansiedlung seines Bruders Wilhelm mit Weib und Kind, einem Sohn, nicht weit von Terneuse, erhielt, und dass sein Bruder zurzeit als Kapitän des Schiffes Der Amsterdamer eine Seereise unternommen habe.

Nicht lange danach lief die bestimmte Kunde durch ganz Holland von dem Untergang des Schiffes Der Amsterdamer in der Nähe des Kaps der Guten Hoffnung, mit Mann und Maus, wie man in der Seemannssprache zu sagen pflegt, infolge eines entsetzlichen Sturmes. Das Schiff sei in den Abgrund des Meeres versunken, und kein Einziger von der Schiffsmannschaft am Leben geblieben, auch nicht der Kapitän.

Nun hielt Simon Vandendecken die Zeit gekommen, seine Rache bis über das Grab hinaus zu vollziehen. Maria wusste noch nichts von dem Tod ihres Gatten. Simon, den wir vorn herein als den einäugigen Veiten kennenlernten, umschlich ihr Häuschen, vermummt als Bettler, um die Örtlichkeit näher kennenzulernen. Durch Arglist verschaffte er sich das Vertrauen der geistesschwachen Magd, und so gelang es ihm eines Tages, da Maria sich mit ihrem Kind in Terneuse auf Besuch einer Verwandten befand, nachdem er die Magd auf kurze Zeit weggefoppt hatte, solche Vorkehrungen an den Fenstern des Wohnzimmers zu ebener Erde zu treffen, die ihm die beliebige Öffnung der Fenster von außen gestatten, und somit, sobald er wollte, als eine überraschende Erscheinung vor der Bewohnerin des Zimmers zu stehen. Sehr richtig hatte er dabei auf die erhöhte Nervenreizbarkeit durch Mariens höchste Sehnsucht nach der Rückkehr ihres geliebten Wilhelm sowie auf ihre Neigung zu abergläubischen Dingen gerechnet, und in dieser Berechnung sich nicht geirrt, wie unsere geehrten Leser bereits eingangs vernommen haben.

In einer schauerlichen Sturmessnacht öffnete er, wohl wissend, dass Maria in ihrem aufgeregten Gemütszustand sich im Zimmer befand, plötzlich die Läden und Fenster, wodurch der einströmende Luftzug das Licht auslöschte. Eine schlau erdachte Anwendung von Phosphor bewirkte, dass ihn Maria, obgleich es finster war, und gerade deshalb um so mehr, in der Tracht eines Seemannes, mit einem leichenblassen Antlitz, das in seinen Zügen, wie schon früher erwähnt, jenem seines Bruders Wilhelm auffallend ähnlich war, deutlich sehen konnte. Angstvoll eilte Maria zum Fenster, um es wieder zu schließen, und erschrak vor der Erscheinung so heftig, dass sie ohnmächtig auf den Boden fiel.

Als die Bedauernswerte wieder zur Besinnung kam, an allen Gliedern bebend und verwirrt, stand der vermeintliche Geist ihres Gatten vor ihr, in seiner eisigen Hand die ihre haltend, und verkündete ihr mit dem Stimmlaut Wilhelms, den er treffend nachzuahmen wusste, jenen nur durch die Eingebung des Teufels möglichen Ausspruch, welcher der Rache Simons eine Dauer über das Grab hinaus verbürgen sollte. Er legte den unglückseligen, verderblichen Brief mit den vollkommen nachgebildeten Schriftzügen seines Bruders, versiegelt mit einer Petschaft mit den Buchstaben W.V., auf den Tisch und verschwand wie ein Gespenst, während die halb Wahnsinnige in dem entsetzlichsten Gemütszustand zurückblieb.

Er trieb sich noch einige Zeit in der Gegend herum, an dem Gelingen seines höllischen Planes sich weidend, dessen Ausführung die arme Maria der Verzweiflung, ja beinahe dem Wahnsinn in die Klauen gestürzt hatte. Sie schmachtete von nun an mit ihrem Knaben im Elend nach ihrer eigenen Wahl, weil ihr der Mut fehlte, fortan jenes verhängnisvolle Zimmer je wieder zu betreten, worin ihr Geld verschlossen war. Simon verließ nun Holland und von seinem unsteten Sinn getrieben, das feste Land, um auf dem Meer zu einem Steuermann sich auszubilden. Nie legte er seinen Verlobungsring mit den Buchstaben M. v. Z. (Maria van Zoonen) ab, um durch den Anblick desselben die Glut seiner Rache unaufhörlich zu schüren.

Jahrelang durchstrich er die Meere und ferne Weltteile, erschien bisweilen in seinem Vaterland wieder und hörte von dem häuslichen Elend Marias und ihres Sohnes, so erfreute er sich immer der höllischen Früchte seiner teuflischen Rache.

Nach langer Zeit kam er wieder einmal nach Amsterdam, unter dem Namen Veiten, einäugig infolge eines Sturzes vom Mastkorb herab, und durch seinen Aufenthalt in verschiedenen Weltgegenden so verwittert, dass ihn niemand mehr erkannte. Durch die Nachricht von Marias Tod war seiner Rache noch nicht Genüge geleistet, die ja über das Grab hinaus dauern sollte. Das Geständnis der sterbenden Mutter Philipps, wie wir schon Eingangs erzählten, hatte diesem die Tür, des bisher unbetretenen Gemaches geöffnet und eine Wohlhabenheit durch das darin gefundene Geld verschafft, die er an Amines Herzen, in der ersten Liebe goldenen Zeit, in seligen Tagen genoss.

Simon hatte Philipp Vandendecken, Maries Sohn, sein auserwähltes Opfer, unter allerlei Verkleidungen nie aus den Augen gelassen. Als er erfuhr, dass er nach dem Lesen des vermeintlichen Briefes seines Vaters, den er dann in seiner Verzweiflung von sich schleuderte und dem Spiel des Windes preisgab, beschlossen hatte, den Versuch zum Auffinden seines unglücklichen Vaters auf dem Meer zu machen, bewarb sich Simon um eine Verwendung auf dem Terschilling, welches Schiff, wie jener erfuhr, Philipp zu seiner ersten Seereise gewählt hatte. Simon haschte nach der teuflischen Lust, den jungen Mann, gegen welchen er seine unversöhnliche Rachsucht aufbot, persönlich vom Herzen seiner angebeteten Frau und seines geliebten Kindes zu reißen. Und wirklich gelang es ihm, mit dem Auftrag an Philipp Vandendecken, unverzüglich an Bord des Terschilling sich einzustellen, betraut zu werden. Mit dem Vollzug dieser Sendung erschien der boshafte Simon in dieser Geschichte zum ersten Mal vor den Augen unserer geneigten Leser.

Um zu erfahren, ob die in seinem schrecklichen Brief bezeichnete Reliquie nach der gegebenen Andeutung von Philipp noch beachtet werde, griff Simon nach ihr am Hals des Schlummernden auf dem Schiff. Als er sich davon überzeugt hatte, benutzte er während der Fahrt jede Gelegenheit, die vorgefasste abergläubische Meinung des jungen Mannes immer mehr zu bestärken und zu vergrößern, insbesondere wenn die Schiffsmannschaft des Terschilling in der Luft den Fliegenden Holländer, diesen Unglücksverkünder, sah oder zu sehen wähnte, durch dessen Anblick die auf dem Schiff Befindlichen immer so sehr mit Entsetzen erfüllt wurden, dass sie entmutigt und durch den vermeintlich unvermeidlichen Untergang des Schiffes zur Verzweiflung gebracht, entweder gar keine Anstrengungen mehr zu ihrer Rettung oder in ihrer großen Sinnesverwirrung ganz verkehrte machten und somit durch eigene Schuld den Untergang des Schiffes herbeiführten.

Vermeintliche Geisterschiffe in der Luft, wie den damals sogenannten Fliegenden Holländer vor mehr als 200 Jahren, sehen auch jetzt noch häufig die Seefahrer in der Nähe des Kaps der Guten Hoffnung, und insbesondere im indischen Meer. Diese Geisterschiffe sind nur Luftspiegelungen, die gewöhnlich schnell wieder verschwinden und von den Seefahrern unserer Zeit mit Neugierde, ohne Schrecken, als eine kurze Unterhaltung auf einer langen und langweiligen Meerfahrt betrachtet werden.

Und nicht bloß solche Geisterschiffe werden in der Luft gesehen, sondern auch Inseln, Städte und Heereszüge. An der Küste des sizilianischen Meeres sieht man gar oft, selbst bei heiterem, warmen und stillen Wetter, über dem Meer aufsteigende Lufterscheinungen, die sich häufig zu seltsamen Bildern von Schiffen, Türmen, Schlössern usw. gestalten, und selbst den Naturkundigen täuschen. Sie entstehen aus den von der Sonne emporgezogenen Dünsten des Meeres, heißen daher Fata Morgana (Traum-Zauberbilder der Fee Morgana).

Als der Terschilling scheiterte, stürzte auch Simon in das Meer, wurde jedoch auf einer erhaschten Planke in mehr nördlicher Richtung als Philipp an Land geschleudert, wo er bei den Bewohnern der Küste wohlwollende Aufnahme fand. Von dort gelang ihm die Heimkehr nach Europa auf einer in der Tafelbay angekommenen englischen Brigg. Philipp glaubte, dass Veiten, nämlich Simon, ertrunken sei, und ebenso zählte dieser den Philipp zu den Toten und wurde von Wut durchlebt, als er in Amsterdam die Rettung desselben und sein gesundes und fröhliches Leben am Herzen seiner schönen jungen Gattin erfuhr.

Simon brachte es durch allerlei Ränke dahin, zum zweiten Mal an Philipp, den er rachsüchtig seinem häuslichen Glück entreißen wollte, den Auftrag bringen zu dürfen, sich unverweilt an Bord des bedenklich schadhaften Schiffes Vrouw Katharina zu begeben. Er jubelte im Stillen, als er den Sohn seines verhassten Bruders auf jenem Fahrzeug den vielfachen und schrecklichsten Gefahren preisgegeben wusste.

Nun trieb er sich wieder in allerlei Verkleidungen in der Umgebung von Amines Häuschen umher, Verderben gegen sie ausbrütend. Aber alle seine Versuche scheiterten an der Treue der neuen redlichen und verständigen Magd Dina.

Kaum war die Nachricht vom Brand des Schiffes Vrouw Katharina und von dem nicht zu bezweifelnden Untergang der ganzen Mannschaft nach Amsterdam gedrungen, als er sich beeilte, der verlassenen Amine, die mit ruheloser Sehnsucht der Rückkehr ihres geliebten Philipp entgegenseufzte, die niederschmetternde Kunde vom Tod desselben mitzuteilen. In der teuflischen Hoffnung, dadurch auch Amine in das Grab gestürzt zu haben, ging er wieder nach Amsterdam und führte dort ein ausschweifendes Leben. Unter Landstreichern und Spielern, wodurch er in die äußerste Armut geriet, in welcher ihn zuletzt die Nachricht von der überraschenden Rückkehr Philipps wie ein Blitzstrahl aus heiteren Höhen traf.

Fortwährend von seiner wütenden Rache erfüllt, die doch über das Grab hinaus dauern sollte, war ihm der Gedanke unerträglich, Philipp wieder wohlbehalten und glücklich in seiner Heimat zu wissen, geehrt und gefeiert von allen, die ihn kannten. Ohne irgendeine Aussicht, sein Verderben auf bisherigem Weg erreichen zu können. Von Hass und Zorn getrieben, legte er sich in der Festmahlnacht in den Hinterhalt, um den heimkehrenden Philipp mit einem Dolch zu durchbohren und somit seine Rache zu vollenden.

Simons Mordplan wurde vereitelt, und im Ringkampf mit Philipp stieß er sich selbst den Mordstahl in das einzige ihm noch übrig gebliebene Auge, wie wir schon oben erzählten. Nun völlig blind wünschte er nur noch den Tod, der auch seinem entsetzlichen Leben ein Ende machte. Über alles Geheimnisvolle, was sich bisher wie eine finstere Wetterwolle über Philipps und Amines Dasein hingebreitet hatte, gaben die von Simon hinterlassenen Papiere einen vollkommen genügenden Aufschluss, sodass fortan kein Kummer mehr in dieser Angelegenheit das glückliche Paar betrübte und beide durch eine lange Reihe seliger Jahre ihres Daseins für die qualvollen, doch siegend bestandenen Prüfungen des Schicksals reichlich entschädigt wurden.

Ende