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Pamfilius Frohmund Eulenspiegel 16

Pamilius-Frohmut-Eulenspiegel-Band-2Des Erzkalfakters, Quadratschlankels und durchtriebenen Leutvexierers, Pamfilius Frohmut Eulenspiegel, des allbekannten, berüchtigten und weltverrufenen Till Eulenspiegel einzigen Sohnes pfiffigen Streiche, Ränke, Schwänke und lustige Possen als: Hendlschnipfer, Brotschwindler, Rahmkripfer, Fischdieb, Entenangler, Zigeuner-, Schneider- und Schusterlehrbua, Herzogslebensretter, Herold, Schatzgräber, magistratischer Bademeister, Hofnarr, Feldherr, frommer Pilger, glücklich dem Galgen entgangener Spieler usw.

Die Zigeuner

kamen um diese Zeit auch in die Nähe unseres Dorfes und lagerten in einem nahen Wald. Männer, Frauen und Kinder holten im Dorf ihre notwendigsten Lebensbedürfnisse und bezahlten alles bar. Sie bettelten nicht, machten aber Kunststücke, für die sie zwar kein Geld, aber Brot, Eier, Schmalz, Butter, Äpfel, Birnen, Rüben usw. bekamen, womit sie sehr zufrieden waren. Die Bäuerinnen lernten von den Zigeunerfrauen allerlei Mittel, die sie anwenden sollten, wenn eine Kuh keine Milch geben wollte, oder wenn sie, ungeachtet dass sie im Ausrühren kein Achselschmalz sparten, dennoch keine Butter zustande bringen konnte, was den schwarzbraunen Ratgeberinnen auch nicht wenig eintrug.

Ich suchte die Zigeunerbande in ihrem Waldlager auf, wo sie bei offenem Feuer in einer Waldlichtung kochte und Zigeunerlieder sangen, die ich aber nicht verstand. Bald wurde ich mit dem Zigeunerhauptmann und dessen Frau näher bekannt, die, wie auch viele andere Mitglieder, recht gut deutsch sprachen. Ich lernte von ihnen viele Künste, besonders Pferdekünste. Da ich die Gabe besaß, alle Stimmen täuschend nachzuahmen, und zwar so, dass man glaubte, sie kommen von oben oder unten, seitwärts oder von außerhalb einer verschlossenen Tür, so machte er mich aufmerksam, dass ich, ohne es zu wissen, ein Bauchredner sei, erklärte mir auch, wie das zugehe, und riet mir, mich in dieser seltenen Kunst recht fleißig zu üben, die mir großen Nutzen bringen könne. Auf seinen Wanderungen habe er noch keinen einzigen Bauchredner angetroffen, glaube auch nicht, dass man einen solchen in ganz Deutschland finden könne. Dies ließ ich mir nicht zweimal gesagt sein, und übte mich täglich im Wald ganz allein, damit niemand etwas davon erfahre. Der Hauptmann, der gewiss auch ein Bauchredner war, obgleich er es verschwieg, lobte meine großen Fortschritte in dieser Kunst, und machte mich auf manches in derselben aufmerksam, wodurch meine Vermutung bestätigt wurde. Aus Dankbarkeit zeigte ich ihm, wo im Wald die meisten Hirsche, Rehböcke und Hasen zu finden seien. Es gab darin Wild in unglaublicher Menge, und wenn die Zigeuner auch noch so viele zusammenfingen und verspeisten, so war alles nur ein kühler Tau gegen die Verheerungen, welche das Wild auf den Äckern der Bauern anrichtete, für die sie von den vornehmen Jagdbesitzern auf Burgen und Schlössern zwar keine Entschädigung, aber infolge des Verlangens einer solchen Prügel genug erhalten konnten. Ich machte mir also gar kein Gewissen daraus, zur möglichsten Vertilgung des Wildes tätigst mitzuwirken, und in einem weiten Sack, den ich immer um meinen Leib gerollt trug, der Mutter fast täglich einen feisten Hasen heimzubringen und ihr ängstliches Gewissen durch Hinweisung auf den dadurch den Fruchtfeldern der Dorfbauern geleisteten Schutz zu beruhigen.

Die Jagdbesitzer merkten gar wohl, dass die Zigeuner unter dem Wild herumwirtschafteten, ja sie überraschten dieselben sogar nicht selten bei der Wildbretmahlzeit, ohne dass sie auch nur ein Wort deshalb zu sagen wagten, aus Furcht, dass ihnen die Zigeuner ihre Pferde, ihr Rindvieh und ihre Schafe verhexen könnten.

Als der Hauptmann die Art meiner Vogelfängerei sah, lachte er mich aus, und sagte: »Das wäre mir viel zu langweilig und ungewiss. Ich stelle mich nur unter irgendeinen Baum und eine Vogelfalle mit offenem Türlein auf 4 Schritte vor mir hin. Dann lasse ich mir Vögel nach Belieben kommen, denn ich habe für jede Vogelgattung einen eigenen Vogelruf. Gib Acht! Welchen Vogel soll ich kommen lassen?«

»Eine Amsel.«

Er zog aus einer kleinen Schachtel einen Vogelruf, pfiff auf demselben, und in wenigen Augenblicken flogen 5 Amseln herbei, die richtig in eine von ihm hingestellte Vogelfalle hineingingen. Er schenkte mir die 5 Amseln und gab mir Unterricht in der Anfertigung aller dieser Vogelrufe aus Baumblättern, Pergamentschnitten, Bast, Stroh und Zwirn. Er lehrte mich auch, Gänse, Enten, zahme und Wildenten mit dem geeigneten Köder mit der Angel aus dem Wasser fischen, eine Salbe machen, mit der ich nur den nackten Arm zu bestreichen brauche, um die Fische im See, Teich oder Bache mit der Hand des hineingesteckten Armes herauszufangen. Als ich dies alles gelernt hatte, hielt ich mich für den glücklichsten Menschen von der Welt. Als die Zigeuner nach 6 Wochen mit Sang und Klang wieder fortzogen, begleitete ich sie eine Stunde weit, und weinte bei dem Abschied bitterlich. Aus Liebe zu meiner Mutter blieb ich zurück. Außerdem wäre ich mitgegangen und auch ein Zigeuner geworden, und hätte mich als geschickter Färber sehr leicht in einen nussbraunen Zigeuner verwandeln können.