Ausschreibung
Sternenlicht-Anthologie

Download-Tipp
Band 6

Heftroman der Woche

Archive
Folgt uns auch auf

Schwäbische Sagen 21

Schwäbische-Sagen

Das Mutesheer bei Wurmlingen
Eine mündliche Überlieferung aus Wurmlingen

Vor etwa 40 Jahren stand ein Bürger aus Wurmlingen nachts um halb 1 Uhr auf, nahm seine Sense und ging ins Ammertal, um seine Wiese abzumähen. Ehe man aber von Wurmlingen aus in das Wiesental gelangt, trifft man an dem Feldweg auf ein hölzernes Kreuz. Hier hörte der Mann nun ein gewaltiges Getöse und Getrapp vom Ammertal her auf sich zukommen, und erkannte bald, dass es eine Art Wagen und doch kein rechter Wagen war. In demselben saßen viele hundert Menschen, die alle ein lautes Gespräch führten. Allein er verstand nichts davon. Als der Wagen ganz nahe war, hielt er an, und die Leute fragten ihn, wohin der Weg führe, der da rechts an dem Kreuz vorbeigehe. Der Mann antwortete ihnen, dass man auf diesem Weg nach Wendelsheim und Seebronn komme. So wie er aber dies gesagt hatte, griff einer aus dem Wagen nach ihm und hielt ihn fest. Darauf entstand ein schrecklicher Sturm, der ihn samt allen, die auf dem Wagen waren, eine Viertelstunde weit durch die Luft führte. Während dieser Luftfahrt erhoben die Leute ein fürchterliches Gelächter. Endlich ließ man ihn los, worauf er plötzlich zu Boden fiel. Diese wilden Haufen, die nichts anderes als das Mutesheer waren, flogen dann unter fortwährendem Gelächter durch die Luft auf Wendelsheim zu.


Das Mutesheer im Remstal
Eine schriftliche Mittteilung aus Großheppach

Das Mutesheer, auch Modes- oder Modisheer genannt, ist der leibhaftige Teufel mit seiner Sippschaft. Dies Heer lässt sich nur dann mit endlichem Geschrei hören, wenn dem Land Krieg, Pest oder Teuerung bevorsteht. Der Zug demselben geht quer über die Milchstraße hin.


Das Mutesheer in Markgröningen
Eine mündliche Überlieferung aus Markgröningen

In Markgröningen zieht das Mutesheer in der Karfreitagnacht über den Ort hin und macht eine wunderbar schöne Musik. Es sind aber lauter Hexen und böse Geister in diesem Heer. Deshalb darf man nicht aus dem Fenster danach sehen, sonst wird einem der Kopf abgerissen, wie dies einst einem fürwitzigen Bauer in Poltringen im Ammertal geschehen ist.

Wenn man draußen das Mutesheer kommen hört, muss man sich so lang mit dem Gesicht auf die Erde werfen, bis es vorbeigezogen ist, sonst wird man mit in die Luft genommen.


Das wilde Heer

1.

In der Umgegend von Weinsberg heißt das Mutesheer das wilde Heer oder Wildheer. Man hört dasselbe besonders zu Weihnachten, in den zwölf Nächten. Es zieht nur bei Nacht tobend und lärmend dahin, und zwar immer auf denselben Wegen. Wer ihm begegnet, muss sich mit dem Gesicht auf den Boden werfen. Doch ist es schon vorgekommen, dass ein solcher, der am Boden lag, mit der Axt einen Hieb in die Schulter bekommen hat.

Zuweilen lässt sich das wilde Heer auf einen Baum nieder. Steht ein Mensch darunter und hat nur ein Stück Brot in der Tasche, so kann es ihm nicht beikommen.

2.
Eine mündliche Überlieferung aus Grantschen

Von Eberstadt gingen einst zwei Bürger nach Neustadt einem Strohwagen entgegen. Da sauste unterwegs ein Getön von vielen Stimmen dicht über ihnen hin und sie konnten wohl merken, dass es das wilde Heer« war. Einer der Männer aber schlug danach, wovon ihm, wie man sagt, der Arm lahm geworden war.

3.
Eine mündliche Überlieferung aus Ellwangen

In Erpfental bei Ellwangen hörte einmal eine Frau das ,,wilde Heer« mit großem Geschrei über das Dorf hinsausen und rief: »Gebt mir auch etwas ab von eurer Jagd!«

Darauf wurde ihr ein Gaisfuß ins Zimmer geworfen, worüber sie nicht wenig erschrak.


Das Mutesheer in Pfullingen

Die Straße, welche durch Pfullingen führt, heißt bis nach Ehningen hin die »Heergasse«, weil um Weihnachten das Mutesheer auf derselben hinzieht.

Man hört es schon lange vorher in der Luft übers Gebirge brausen und vernimmt den Schrei: »Außem Weg!« Wer dann nicht ausweicht, der kommt ums Leben, und wer zu dem Heer hinaufsieht, der wird blind.

Bei der Ehninger Mühle ist ein Platz, woselbst bis auf den heutigen Tag kein Gras wächst, weil hier früher das Mutesheer beständig eingefahren sein soll.

Auch sonst hat das Mutesheer gewöhnlich seine bestimmten Wege. So gibt es zum Beispiel bei Undingen eine »Muotesheergasse«, und in Immenhausen eine »Heergasse«, über welche, wie bei Pfullingen, das Mutesheer hinzieht.

Man sagt in vielen Orten, es bedeute ein fruchtbares Jahr, wenn man das Mutesheer recht lärmen höre.


Das Mutesheer bei Mössingen
Eine mündliche Überlieferung aus Mössingen

Das Mutesheer oder das wütige Heer zieht bei Tag und Nacht durch die Luft und macht Musik auf den mannigfaltigsten Instrumenten. Auch hört man bei ihrem Zuge Gesang von den feinsten und jüngsten Kinderstimmen bis zu den gröbsten und ältesten Männerstimmen. Wo es Menschen antrifft, nimmt es dieselben mit in die Luft. Wirft man sich aber zu rechter Zeit an die Erde und hält sich auch nur an einem Grashalm fest, so ist man geborgen.

Ein Mann aus Mössingen wurde einst von dem Mutesheer fortgeführt, und schon ging es über den Farrenberg. Doch da bekam er noch den Ast eines Baumes zu fassen und wurde wieder frei.


Das Mutesheer in Rotenburg

In Rotenburg a. N. hört man das Mutesheer besonders zur Weihnachtszeit, wo überhaupt alle Geister eine besondere Gewalt haben und umgehen. Es befinden sich namentlich Hexen in dem Mutesheer und stellen ein wildes Toben in der Luft an, womit immer auch ein heftiger Sturmwind verbunden ist. In Rotenburg hat das Mutesheer einmal ein ganz neues Haus im Nu umgerissen. Als man darauf das Haus wieder aufbaute und kaum damit fertig war, wurde es zum zweiten Mal völlig zusammengerissen, und nun erkannte man, dass dies von dem Mutesheer herkomme. Auch soll man unter den Balken einen ganz kleinen Knaben eingeklemmt gefunden haben, und der, sagt man, habe die Leute verwarnt, dass sie doch an dieser Stelle ja kein Haus wieder aufrichten sollten. Seitdem hat auch niemand hier mehr bauen mögen und der Platz steht leer. Er befindet sich auf der linken Seite des Neckars, gleich unterhalb der oberen Neckarbrücke, zwischen zwei Häusern.

Einige Leute in Rotenburg sagen »die Muoteheer.« Ebenso in Friedingen an der Donau, wo man noch weiter erzählt, die Muoteheer sei eine »verwunschene Frau«.

In der Gegend von Heidenheim und Königsbronn sagt man auch wohl »die Muterheer«.


Das Totenvolk1
Eine mündliche Überlieferung aus Thusis.

In den deutschen Ortschaften Graubündens wissen die Leute viel von dem »Totenvolk« zu erzählen. Es sind dies die Seelen verstorbener Menschen, die nicht zur Ruhe der Seligkeit gelangt sind, und nun unter Anführung des Teufels zu gewissen Zeiten durch die Luft ziehen. Sie machen eine traurige, unharmonische Musik. Niemand darf zu dem Totenvolk aufblicken.

Wer es anruft, den trifft bald ein Unglück.

Show 1 footnote

  1. Im Romanischen heißt das Totenvolk oder Nachtvolk spirts, Geister.