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Der bayerische Hiesel – Teil 26

Der-bayerische-HieselFriedrich Wilhelm Bruckbräu
Der bayerische Hiesel
Wildschützen- und Räuberhauptmann, landesverrufener Erzbösewicht

Noch ein Besuch

Der abgenötigte Rückzug aus dem Wirtshaus, der Gedanke, was wohl der alte Förster von seiner Stärke und von seinem Mut halten werde, da er vor Bauern gleichsam die Flucht ergriffen, beschäftigte die ganze Nacht hindurch Hiesels Phantasie. Als der Tag anbrach, befahl er seiner Bande, ihm nach Deißenhausen zu folgen, wo er noch ein Geschäft zu besorgen habe.

Zu diesem Besuch veranlasste ihn die Meldung eines vertrauten Bauers, schon vor Tagesanbruch, dass an dem gestrigen Aufsetzen der Burschen und an dem Sturmläuten niemand die Schuld trage, als der Obervogt des Ortes.

An diesem wollte er Rache nehmen und zog also mit Wildschützen vor sein Haus. Allein der Obervogt hatte mit Recht vermutet, es werde sich unter den vielen Bauern wohl auch ein Verräter finden und dem Hiesel sagen, wie sich die Sache verhalte. Deswegen traf er auch die nötige Maßregel, verrammelte die Haustür und stand selbst an der Spitze seiner bewaffneten Gehilfen und Amtsknechte, welche in den verschiedenen Zimmern des Hauses mit dem Befehl postiert waren, nicht eher zu schießen, bis die Wildschützen zuvor würden gefeuert haben.

Hiesel wollte eben zum Sturm kommandieren, als der Obervogt ein Fenster des ersten Stockes öffnete und sprach: »Gib dir keine Mühe, Hiesel, du kommst nicht ins Haus. Zieh ruhig ab. So lange von dir und deinen Kameraden kein Schuss fällt, wird auch keiner von meinen Leuten schießen.«

Fluchend und schimpfend schlug Hiesel mit dem Gewehrkolben die Fenster ein und drohte, den Obervogt selbst in seinem Schlafzimmer umzubringen.

Schon sah er sich nach einer passenden Stelle zum Angriff um, als der Trüffelhund aus einem Kellerfenster den unheimlichen Kopf herausstreckte und ihm zuflüsterte: »Zieh sogleich von dannen Hiesel. Von Rockenburg ist eine Streife gegen dich im Anmarsch. Du kommst sonst zwischen zwei Feuer.«

Also sprechend, verschwand er.

Hiesel wusste aus Erfahrung, dass er sich auf die Warnungen seines unheimlichen Beschützers vollkommen verlassen dürfe. Er zog also, fortwährend fluchend und drohend, gegen Rockenburg. In weniger als einer halben Stunde traf er auf die Streife, die ihm an der Zahl um mehr als das Dreifache überlegen  war.

Weit entfernt, dadurch entmutigt zu werden, ging er vielmehr ganz allein auf sie zu, seine Kameraden rechts und links in einen Halbbogen aufstellend, und begann mit furchtbaren Drohungen seine Herausforderung.

Da fiel ein Schuss auf ihn, der aber verfehlte. Sogleich schoss Hiesel und verwundete den Korporal Denklinger am Arm. Die Streife bestand nur zum geringsten Teil aus regulärem Militär, sondern meistens aus zusammengerafftem Volk. Der Anblick eines Verwundeten machte die Übrigen um ihre geraden Glieder besorgt, und sie wendeten sich zur eiligsten Flucht. Hiesel verfolgte sie mit seinen Kameraden und jagte sie wie Hasen durch Rockenburg und weit darüber hinaus. Als er keine Spur mehr von seinen schnellfüßigen Verfolgern gewahrte, kehrte er lachend zurück, um sich und die seinen im Wirtshaus zu Rockenburg mit Speise und Trank zu laben. Mit verlegener Miene und possierlichen Angstgebärden kam der Wirt dem Hiesel entgegen und reichte ihm, als er Bier, Schnaps und Braten verlangte, einen Befehl des Klosterrichters: »Bei schwerer Haft und Geldbuße, so auch bei Leibesstrafe, weder dem Hiesel noch einem aus seiner Bande Dach und Fach, viel weniger Speise oder Trank zu verabreichen.

»Geh zum Teufel mit deinem Wisch«, schrie Hiesel, indem er das Papier in Stücke zerriss, dem Wirt ins Gesicht warf und dann mit Füßen trat. »Wir wollen essen und trinken, und wenn der Teufel käme und seine Großmutter, um es uns zu verwehren.«

Da der Wirt zitternd Entschuldigungen stotterte, riss ihm Hiesel die Schlüssel zum Keller und Speisegewölbe von der Seite und befahl seinen Leuten, für die Bedienung der Wildschützen anstatt des Wirtes zu sorgen.

Als jedoch dieser nicht zu jammern aufhörte – »Ach ich bin ein geschlagener Mann! Ich werde in das Hundeloch gesperrt, geprügelt und an Geld gestraft. Vielleicht wird mir auch das Tafernrecht vom Kloster eingezogen, und ich darf dann mit Weib und Kindern betteln gehen« -, ließ sich Hiesel einen Bogen Papier geben und schrieb:

Herr Klosterrichter!

Wenn man die Leute aushungern will, wie mich und meine Kameraden, so muss man sie zuvor einsperren. So lange dies nicht der Fall ist, bleibt eine solche Verordnung lächerlich. Ich habe dem Wirt zu Rockenburg die Schlüssel abgenommen und mich selbst bedient. Wenn Sie es wagen, ihm deswegen auch nur ein Haar zu krümmen, so stürme ich das Kloster, lasse Sie zum Fenster hinaus aufhängen, erschieße den gemästeten Reichsprälaten in seiner Abtei und brenne ihm das Faullenzernest über dem Kopf zusammen. Somit Gott befohlen!

Hiesel