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Schwäbische Sagen 20

Schwäbische-Sagen

Das Moutesheer im Schwarzwald
Eine mündliche aus der Gegend von Kalw

Das Muotesheer ist der Teufel mit seinem ganzen Gesinde, mit Hexen und bösen Geistern, welche zu gewissen Zeiten umziehen und brausend durch die Luft fahren. Vor diesem Heer geht aber ein Mann her, der die Leute warnt, dass sie ausweichen, indem er mit lauter Stimme ruft:

Außem Weg!
Dass niemand was g’scheh!

Man hört diesen Ruf immer schon von Weitem und muss sich dann nur mit dem Gesicht auf die Erde werfen, so ist man sicher.

So machte es auch einmal ein Mann, als er das Muotesheer übers Feld kommen hörte. Er warf sich nieder und ließ es über sich hinziehen, wobei er ein seltsames Katzen- und Hundegeschrei und eine gellende Musik vernahm. Als das Heer aber vorbei war, ging er ihm nach und sah alsbald, wie der ganze Haufen in eine Scheuer zog. Da schlich er sich hin und guckte durch einen Spalt in der Tür und sah da eine ganze Hexenversammlung, welche dem Teufel Bericht erstattete über das, was jeder Einzelne getan hatte, worauf sie dann neue Aufträge erhielten. Darauf tanzten die Hexen und aßen und tranken, wobei sie sich der Hufe von Pferden, Kühen und Schweinen anstatt der Gläser bedienten.

Eine alte, wohlbekannte Frau kam ein wenig zu spät zu der Versammlung. Dafür wurde sie tüchtig ausgescholten und musste zugleich als Zündstock dienen, indem man sie auf den Kopf stellte und auf ihre beiden Füße zwei Lichter setzte. Darüber erhoben die Hexen ein unauslöschliches Gelächter und machten sonst noch allerlei Wüstes.


Das Mutesheer in Mittelstadt
1.

Das Mutesheer hat man in Mittelstadt besonders zur Weihnachtszeit gehört. Man ssgt, es sei ein gewaltig großer Wagen, der ganz gedrängt voll sei, sodass man nichts als Köpfe drin sehe, und der fahre so rauschend und rasselnd durch die Luft, als ob es der Teufel mit seinen Heerscharen wäre. Eine Stimme aber ruft vor dem Wagen her:

Außem Weg, außem Weg!
Dass niemand beschädigt werd!

Wer diesen Ruf hört, muss sich nur sogleich mit dem Gesicht zur Erde werfen und sich am Boden, und wär es auch nur an einem Grashalm, festhalten. Dann kann ihm nichts geschehen. Eine andere Stimme aber von einem, der nicht mit im Wagen sitzt, schreit hinter dem Zug beständig her:

Wär i au g’schirrt und g’gürt’t,
so käm i au dernah.

Andere haben das Mutesheer auch schon auf folgende Art fahren sehen. Vier weiße Schimmel zogen einen Wagen, in welchem ein einziger großer Mann stand. Man sagt, es komme ein gutes Jahr, wenn man das Mutesheer recht sausen hört.

2.
Eine mündliche Überlieferung aus Mittelstadt

In dem Eckhaus an der »Heergasse« zu Mittelstadt, welche deshalb so heißt, weil das Mutesheer immer darüber hingezogen war, sah einst ein Mann aus dem Fenster, als eben das Mutesheer daherstürmte. Da wurde er plötzlich blind, und was er auch brauchen mochte, sein Gesicht bekam er nicht wieder. Nach Verlauf eines Jahres aber kam das Mutesheer um die nämliche Zeit an diesem Haus vorbei, und da rief eine Stimme: »Vor einem Jahr hab ich zwei Fensterlein zugemacht, setzt sollen sie wieder aufgehn!« Und plötzlich war der Mann wieder sehend.


Das Mutesheer in Blaubeuren

In Blaubeuren nennt man das Mutesheer auch wohl das wilde Heer. Man hörte dasselbe namentlich vor dem großen deutschen Freiheitskrieg mit Musik und Trommeln über die Stadt hinziehen. Im Filstal bei Wiesensteig und Gosbach sagt man auch wohl »die Mutesheer.« Eine Stimme ruft vor dem Zug her:

Außem Weg!
Die Mutesheer nimmt alles weg!


Das Mutesheer auf dem Rauber
Eine mündliche Überlieferung aus Owen

Einst hütete ein Schäfer auf dem Rauberschloss, nicht weit von der Teck, und hatte sich auf seinen Karren gesetzt und blies die Klarinette, während eben das Mutesheer vorbeizog. Da nahm es ihn mit und er musste unterwegs ein anderes Instrument blasen. Am anderen Morgen saß der Schäfer auf einem Galgen bei Esslingen und blies jemanden ins »Fidle«, ohne dass er sagen konnte, wie er dahin gekommen war.


Das Motesheer bei Ragold
Eine mündliche Überlieferung aus Ragold

Früher hat man das Mutesheer oft in der Umgegend von Ragold gehört. Eine Stimme rief vor dem Zuge her:

Außem Weg!
Dass niemer was g’scheh!

Einst traf das Mutesheer auf seiner Straße einen Handwerksburschen, und weil derselbe weder auswich noch sich mit dem Gesicht zur Erde warf, wollte es ihn mitnehmen. Der Handwerksbursche aber begann ein Gespräch mit dem Anführer und wusste diesem so gut zu antworten, dass er keine Macht über ihn bekam. Dabei kam es namentlich auf ein einziges Wort an, das der Handwerksbursche wusste und aussprach, worauf das Heer fortzog. Die Erzählerin konnte den Inhalt des Gesprächs nicht mehr angeben.


Das Mutesheer bei Neubulach
Eine mündliche Überlieferung aus Neubulach

Das Mutes- oder Motesheer sind lauter böse Geister, die durch die Lust ziehen und Musik machen und lärmen und schreien. Trifft dies Heer unterwegs einen, der nicht unschuldig ist oder sonst durch Gebet sich nicht verwahrt oder gar diese Geister neckt, den nehmen sie mit und zerreißen ihn. Einer aber, den man den »Ermahner« nennt, geht voraus und ruft beständig:

Außem Weg, außem Weg!
Dass niemand was g’scheh!


Das Mutesheer tanzt
Eine mündliche Überlieferung aus Kalmbach

Zwei Musikanten aus Zavelstein spielten einmal in einem benachbarten Ort auf der Kirchweih und begaben sich nachts noch vor 12 Uhr auf den Weg nach Hause. Da begegneten ihnen zwei Reiter und sagten, sie sollten doch mit ihnen gehen, was sie auch taten. Darauf kamen sie in ein vornehmes Wirtshaus, woselbst Herren und Damen aus goldenen Bechern tranken. Die Spielleute bekamen gleichfalls aus solchen Bechern zu trinken und mussten dann spielen, indem die ganze Gesellschaft tanzte. Als sie endlich müde wurden, sagten sie heimlich zueinander: »Wenn wir für unser Spielen nur einen solchen Becher bekämen!« Und schoben bei Gelegenheit jeder einen Becher in die Tasche. Bald darauf übermannte sie der Schlaf und sie schliefen in einer Ecke des Zimmers fest ein. Als sie am anderen Morgen erwachten, lagen sie oben auf dem Galgen bei Weilerstadt. Anstatt der Becher aber hatte jeder den Huf eines Kuhfußes in der Tasche. Da erkannten die Spielleute, dass sie einer Hexenversammlung oder dem Mutesheer aufgespielt hatten, zerschlugen aus Ärger ihre Geigen und haben seit der Zeit nie und nimmer wieder spielen wollen.


Der Durchzug des Mutesheeres
1.
Eine mündliche Überlieferung aus Baiersbronn

In dem Dorf Baiersbronn, im Murgtal, liegt ein sehr alter Hof, der heißt von einem früheren Besitzer, namens Martin, noch immer der »Martisbauerhof«. Dieser Hof soll zu dem ehemaligen Kloster gehört haben. Im unteren Stock des Hauses befindet sich ein Gewölbe, durch welches um Weihnachten regelmäßig das Mutesheer mit Hundegebell und gewaltigem Getöse zu ziehen pflegte. Sobald der Hausknecht es kommen hörte, musste er nur schnell die Tür und Klappe des Gewölbes öffnen, dann fuhr es sausend hindurch. Einmal aber verspätete sich der Knecht, worauf ihm fast der halbe Finger abgeschnitten wurde. Eine Stimme jedoch aus dem Mutesheere rief, er solle nur einen roten Faden um den Finger binden. Und so wie er das getan hatte, hörte das Bluten auf und der Finger war wieder geheilt.
In demselben Haus hängen auf dem Boden noch drei alte Ochsenköpfe mit den Hörnern, wie einige glauben zum Schutz gegen das Mutesheer. Der setzige Hausherr aber sagte, diese Köpfe seien in uralter Zeit wegen einer Viehseuche drei lebendigen Ochsen abgeschnitten und an Stricken hier aufgehängt worden. Der eine Kopf hängt im Giebel, die beiden anderen etwas entfernt davon ebenfalls im Giebeldach, und zwar nebeneinander. Sie hängen schon so lange, dass die Stricke bereits vermodert waren und vor einigen Jahren durch neue ersetzt werden mussten. Noch jetzt hängt man in einzelnen Dörfern des Schwarzwaldes Kalbsköpfe im Haus auf, wenn eine Viehseuche ausbricht.

2.
Eine mündliche Überlieferung aus Thieringen

Durch das Dorf Thieringen, im Oberamt Balingen gelegen, kam sonst alljährlich das Mutesheer mit Saus und Braus und zog namentlich durch ein bestimmtes Haus, in welchem man deshalb immer Türen und Fenster aufmachen musste, sobald man es kommen hörte. Da dachte einstmals der Hausherr, er wolle doch einmal aufbleiben und zusehen, was es mit dem Mutesheer denn eigentlich auf sich habe, und blieb deshalb, als es eben hindurchfuhr, in der Stube sitzen.
Da rief aber eine Stimme: »Streich dem da die Spältle zu!«
Und alsbald däuchte es dem Mann, als ob ihm jemand mit dem Finger um die Augen herumfahre, worauf er plötzlich erblindete. Alle Mittel, die er anwandte, um wieder sehend zu werden, halfen nichts.
Da gab ihm eines Tages jemand den Rat, er solle doch das nächste Mal, wenn das Mutesheer wieder durch sein Haus fahre, sich ins Zimmer setzen. Schaden werde es auf keinen Fall. Diesem Rat folgte der Mann, und als das Heer im folgenden Jahr wiederum hindurchzog, so rief eine Stimme: »Streich dem da auch die Spältle wieder auf!«, worauf der Mann eine Berührung um seine Augen herum fühlte und mit einem Mal wieder sehen konnte. Da erblickte er auch das ganze Mutesheer. Das war eine Schar von ganz verschiedenen Menschen von Alten und Jungen, von Männern und Weibern, und die machten einen wilden Lärm.