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Der bayerische Hiesel – Teil 25

Der-bayerische-HieselFriedrich Wilhelm Bruckbräu
Der bayerische Hiesel
Wildschützen- und Räuberhauptmann, landesverrufener Erzbösewicht

Hiesel tanzt wieder

Einer von Hiesels Kameraden brachte die Nachricht, wenige Wochen nach dem erzählten Vorfall, dass der Sohn eines reichen Bauers im Wirtshaus zu Deißenhausen Hochzeit halte, wozu ohne Zweifel die Jäger und Förster geladen sein würden.

Das kam unserem Hiesel erwünscht! Er zeigte sich gar zu gerne an öffentlichen Orten und bei Gelegenheiten , wo er vor einer Menge von Menschen Beweise seines Mutes und seiner Geschicklichkeit im Schießen geben konnte. Angestaunt zu werden, war für seine Eitelkeit eine wahre Wonne.

Gegen Abend, es war schon im Spätherbst, als eben ein lustiger Ländler der durstigen Musikanten die Füße der Buben und Dirnen in Bewegung setzte, trat er mit drei Kameraden über die Schwelle des Tanzsaales. Sieben blieben im allgemeinen Wirtszimmer zu ebener Erde wohlbewaffnet und wechselten im Wachestehen ab.

Kaum bemerkte Hiesel die hübsche Wirtstochter, die eben mit dem Schreiber einer Gutsherrschaft am Schanktisch plauderte, als er sie gleich zum Tanz aufforderte und sich unter die Reihen der Bauern mischte.

Diese steckten ihre Köpfe über diesen unerwarteten  Besuch nicht wenig zusammen, aber noch mehr ein alter Förster, ein Bruder des Vaters der Braut, mit einigen Jägern, seinen Freunden. Der Förster war aus weiter Ferne gekommen und hatte den Hiesel nie gesehen. Unter den Jägern befanden sich nur zwei, die schon einmal gegen Hiesel ausgezogen waren. Sie vertrauten Jäger äußerten die Absicht, auf der Stelle den Tanzsaal und das Wirtshaus zu verlassen, um der Grausamkeit des Hiesel zu entgehen.

Der Förster beruhigte sie durch das Versprechen, nach dem Ende des Walzers selbst mit Hiesel sprechen zu wollen. Die beiden Furchtsamen bewunderten den Mut des Försters, ohne eine Neigung zur Nachahmung  zu fühlen.

So oft Hiesel in der Reihe aufhörte zu tanzen, seinen Adern, und sein rachsüchtiges Gemüt studierte auf Qualen jener Unglücklichen.

Kaum war der Ländler zu Ende, als der alte Förster auf Hiesel zuging, das Käppchen von dem ehrwürdigen grauen Haupt nahm, und also sprach: »Herr Hiesel, ich habe eine Bitte an Euch: Ich bin der Bruder des Vaters der Braut, aus einer fernen Gegend, die Euer Fuß, so viel mir bekannt ist, noch nie betreten hat. Auch habe ich Euch in meinem Leben nie gesehen, nie beleidigt, jedoch sehr viel gehört von Eurer Tapferkeit, die nicht ihres Gleichen findet. Von Eurer außerordentlichen Gewandtheit im Schießen, aber auch von Eurem guten und großmütigen  Benehmen gegen jeden, der Euch nicht nach Leib und Leben trachtet. Unter den Jägern, die am meinem Tisch sitzen, befinden sich zwei, die schon gegen Euch ausgezogen sind, aber auch durch Wunden dafür gebüßt haben. Ihr seid ein verständiger Mann, Herr Hiesel, und wisst wohl, dass so ein armer Teufel, der lieber zu Hause bliebe, nach dem Befehl seiner Herrschaft gegen Euch ausziehen, oder sein Brot verlieren  muss. Sie fürchten Euren Zorn, und wollen sogleich  fortgehen, um Euer Vergnügen durch ihren Anblick nicht zu stören. Ich sagte ihnen aber, sie sollten nur dableiben und sich ruhig verhalten. Ich wolle es auf mich nehmen, Eure Erlaubnis hierfür zu erwirken, indem ich überzeugt sei, dass der tapfere Hiesel, der imstande ist, einer Streife ganz allein entgegenzugehen, sich wenig um zwei armselige Jäger kümmern werde, die eine Maß Bier in Ruhe und Frieden trinken möchten. Es kommt nun ganz auf Euch an, Herr Hiesel, ob es Euch so genehm ist, oder nicht.«

»Herr Förster«, erwiderte Hiesel, »der Hass gegen Jäger und Soldaten ist mir zur zweiten Natur geworden. Indes weil Ihr Euch so freundschaftlich  für sie verwendet, so mögen die Jäger bleiben, essen, trinken, tanzen und lustig sein, wie sie nur immer wollen. Es soll ihnen kein Haar gekrümmt werden, so wahr ich Hiesel bin, und damit ihr seht, dass mir Ernst sei, so bring’ ich ihnen selbst den Friedenstrunk.«

Hiesel ließ sich eine volle Maß Bier bringen und reichte sie den beiden Jägern hin, welche, obwohl nicht ohne Angst, auf Hiesels Wohlsein tranken. Hierauf trank er auf das ihre und setzte lachend bei: »Das gilt nur für heute, wohlverstanden! Wenn ihr aber früher oder später im Freien mir feindlich gegenübersteht, wird Euch mein Stutzen schon zu finden wissen.«

Die Bauern spitzten ihre Ohren nicht wenig und waren über Hiesels friedliches Benehmen hoch erstaunt. Alles war fröhlich und guter Dinge. Hiesel tanzte der Reihe nach mit allen hübschen Mädchen und nun zum vierten Male mit der Braut, welche Gefallen an dem hübschen Hiesel in seiner reichen Sonntagswildschützentracht fand, und mit ihm schäkerte und lachte. Nach und nach, da Hiesel in seiner frohen Laune auch gerne und viel trank, stieg ihm das Bier in den Kopf, und als er eben die Braut, indem er sich an die Reihe anschloss, nach der dortigen Sitte in die Höhe schwang, gab er ihr einen tüchtigen Kuss.

Kaum bemerkte dies der Bräutigam, ein derber, stämmiger Bursche, als er, von blinder Eifersucht hingerissen, auf Hiesel zusprang, ihn mit der linken Hand an der Gurgel fasste und ihm mit der rechten Faust, vermittelst eines Schlagringes, einen Hieb auf das Auge versetzen wollte.

Hiesel wich jedoch durch eine rasche Bewegung des Kopfes aus und gab mit dem linken Knie dem Angreifenden einen Stoß auf den Magen, dass er besinnungslos auf den Boden stürzte. Zugleich pfiff er seinem Tiras, der vor der offenen Tür lag und mit einem gewaltigen Sprung in die Mitte des Saales setzte.

Nun ging das Spektakel los. Der Saal war gedrängt voll von Bauernburschen, Kameraden des Bräutigams, die sich ihres Freundes annahmen, die Füße der Bänke abschlugen und in Masse auf Hiesel eindrangen, der sich teils zur Tür hinausraufte, teils durch vorgehaltene Bänke hinausgeschoben wurde.

Seine Kameraden unten empfingen ihn am Fuß der Treppe, reichten ihm Stutzen und Hirschfänger und stellten sich unter seinen Befehl.

Der Förster und die Jäger waren ruhig auf ihren Plätzen geblieben.

Hiesel war in einer solchen Wut, dass er das ganze Wirtshaus anzünden und alle Bauern erschießen wollte. Seine Gefährten rieten ihm, von einem so schrecklichen Vorsatz abzusehen und an Rückzug zu denken. Unschlüssig, was er tun sollte, vernahm er plötzlich die Sturmglocke vom Kirchturm, welche alle Dorfbewohner und die Nachbarn weit und breit zu Hilfe rief.

Bald erschienen auch die aufgebrachten Burschen, Dorfbewohner, Knechte usw. mit Stangen, Eisenstäben, Pfählen, Sensen und Mistgabeln bewaffnet und stürmten mit lautem Geschrei auf Hiesel und seine Bande los, der seinen Stutzen anschlug und mit donnernder Stimme drohte, den Ersten, der sich ihm nähern würde, auf die Haut zu legen.

Sie kannten die Kunst des berühmten Schützen ebenso gut wie die Verwegenheit, womit er seine Entschlüsse zu vollziehen gewohnt war. Ein Wort Hiesels und jeder Wildschütze hätte einen Bauer hingestreckt! Sie stutzten und zauderten, und Hiesel benutzte diese Zeit, zwischen den Häusern hindurch den Wald zu erreichen.

Mit größerem Mut, furchtlos den Mündungen der Gewehre entgegen, wäre es an jenem Tag gelungen, den Hiesel samt seinen Kameraden zu fangen oder zu erschlagen.

 

***

 

Auffallend werden die lieben Leser Hiesels Gutmütigkeit gegen die Jäger im Wirtshaus zu Deißenhausen finden, da er doch allen Jägern und Soldaten ewige Rache geschworen hatte. Allein hier tritt wieder eine Gelegenheit ein, sein Gemüt zu durchschauen. Alle Gäste im Tanzsaal blickten auf ihn wie auf einen regierenden Fürsten. Der alte Förster war so klug, den Hiesel an seiner schwachen Seite, an der Eitelkeit, zu fassen und jenen Eigenschaften, auf welche er selbst den größten Wert legte, so gut wie möglich zu schmeicheln. Dadurch gelang es ihm, den wilden Trotz des Jägerfeindes zu zähmen.

Vergleichen wir damit seine grenzenlose Wut nach seiner gewaltsamen Entfernung aus dem Wirtshaus seinen jähzornigen Entschluss, das Haus in Brand zu stecken und die ihn verfolgenden Bauern zu erschießen, so zeigt sich eine außerordentlich reizbare Leidenschaft, deren Sturm er ohne äußere Mitwirkung nie zu widerstehen vermochte.