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Felsenherz der Trapper – Teil 7.4

Felsenherz-der-Trapper-Band-7Felsenherz der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 7
Die Mumie Matazumas
Viertes Kapitel
Das Geheimnis der Mumie

Thomas Blubb saß aufrecht im Gras und fuhr den kleinen Crax ärgerlich an.

»Du wirst gehorchen, Crax! Es ziemt sich für einen Diener nicht, seinem Herrn gute Lehren zu geben. Ich weiß allein, was ich zu tun habe. Hilf mir empor, Crax! Dort hinter den Tannen steht die Blockhütte, von der der Springende Hirsch uns sagte, dass sie die Mumie in dem Raum links von der Tür beherbergt. Ich will mir die Mumie zunächst mal ansehen.«

John Crax verbeugte sich tief.

»Sehr wohl, Euer Hochwohlgeboren! Ich gehorche! Ein guter Diener hat zu schweigen. Ich schweige daher. Aber ich denke laut, dass der Comanchenhäuptling mir das Betreten der Blockhütte genau so wie meinem Herrn verboten hat und dass er drohte, er würde uns ein gewisses rundes Stück Kopfhaut, Skalp genannt, vom Schädel ziehen, wenn wir …«

Thomas Blubb zitterte vor Wut.

»Crax – Crax, du bist entlassen!«, brüllte er. »Du bist mein Diener nicht mehr! Sofort entlassen wegen Ungehorsam!«

John Crax grinste. »Danke, Master Blubb! Einverstanden! Mein Skalp ist mir mehr wert als Eure Launen!«

Er setzte sich und holte aus seiner Jagdtasche eine kurze Tabakpfeife hervor, stopfte sie und pfiff dazu ein Matrosenlied.

Blubb starrte ihn verblüfft an.

»Crax«, meinte er dann, »du wirst doch …«

»Bitte, Master«, unterbrach der Kleine ihn, »mit dem ›Du‹ ist’s nun vorbei. Ich bin für Euch Master John Crax, ehemals Steuermann auf der Fregatte Niobe, bin ein Gentleman wie Ihr! Und jetzt lasst mich in Ruhe!«

Blubb stand auf, murmelte etwas vor sich hin und schritt langsam der Blockhütte zu, deren Tür weit offen war.

Thomas Blubb trat ein. Die Tür in der Balkenwand hatte nur außen zwei Holzriegel. Er schob sie zurück und öffnete.

Fenster besaß die Hütte nicht, nur längliche schmale Schießscharten. Durch diese fiel jedoch genügend Licht hinein, um auch diesen Raum, der etwa fünf Meter im Quadrat groß sein mochte, überblicken zu können.

In der Mitte bauschte sich der Felsboden – denn Dielen gab es hier nicht – zu einem durch Menschenhand später sauber behauenen, einen Meter hohen, länglichen, oben halb ausgehöhlten und daher sargähnlichen Block auf.

In diesem Steinsarg, der mit allerlei Tierfiguren in erhabener Arbeit verziert war, lag eine nur mit einem breiten Lendentuch umgürtete, tadellos erhaltene Mumie, deren Stirn, Wangen und Brust mit bunten Malereien bedeckt waren. Die Arme waren durch das Lendentuch an den Leib gepresst.

Der Professor schaute ganz andächtig die Mumie an und flüsterte entzückt: »Es ist eine Aztekenmumie! Ich sehe es auf den ersten Blick! Man müsste auch den Sarg mit nach El Paso schaffen! Schade, dass ich nicht Pferde und Wagen hierher mitgenommen habe – sehr schade!«

Felsenherz war lautlos eingetreten.

Blubb bemerkte ihn nicht. Er beugte sich über die Brust der Mumie, flüsterte wieder: »Hm … dies hier ist eine Zeichnung, ohne Frage, etwas wie eine Landkarte! Ich verstehe mich darauf … eine Landkarte … so, wie die Azteken sie zu zeichnen pflegten … Hm … dies links könnte der Golf von Kalifornien sein, dies die Insel Tiburon, hier der Colorado, der kalifornische Colorado, und hier rechts der Gila River … sehr interessant … sehr! Weshalb mag man der Mumie diese Landkarte mit in den Steinsarg gegeben haben …?«

Felsenherz entging kein Wort dieses Selbstgesprächs, das auch seine Aufmerksamkeit schon deshalb aufs Höchste fesselte, weil der Schwarze Panther und er selbst bisher vergeblich versucht hatten, diese seltsame Zeichnung zu enträtseln.

Blubb hatte sich noch tiefer über die Mumie gebeugt. »Aha!«, rief er leise. »Hier in der Karte erkennt man ja am linken Gila-Ufer neben einem bergähnlichen Dreieck, dessen Spitze einen Menschenkopf bildet, eine menschliche Hand, die irgendetwas umklammert hält. Es sieht aus wie ein Beutel oder ein Sack. In der Hieroglyphenschrift der Azteken bedeutet eine Hand, die einen Beutel hält soviel wie Reichtum, Besitz, Vermögen, Geld oder … Gold! Gold! Gold! Sollte die Karte etwa auf einen von den Aztekenherrschern verborgenen Schatz hinweisen? Dies ist ja fraglos eine Königsmumie. Diese Stirnzeichen bilden den Namen … M-a-t-a-z-u-ma … Matazuma! Das war ein Vorgänger des berühmten Montezuma!

Er lockerte die Lendenbinde etwas.

»Halt!«, rief Felsenherz da und wollte ihn beiseite drängen.

Doch Blubb hatte schon unter dem Lendentuch ein Blatt Papier hervorgezogen.

»Diese Mumie gehört mir!«, schnauzte er den jungen Trapper an. »Ich habe sie dem Springenden Hirsch abgekauft! Ich werde sie und den Steinsarg mit einem Wagen nach El Paso …«

Felsenherz hatte schon zugepackt, riss Blubb das Papier aus der Hand und beförderte ihn dann sehr unsanft ins Freie.

Vor dem Blockhaus erst ließ er Blubb los und drohte. »Wagt Ihr Euch nochmals in die Hütte hinein, dann binde ich Euch an einen Baum. Verstanden! Ihr seid nicht recht gescheit, dass Ihr jetzt so lächerlich Pläne macht, die Mumie wegzubringen! Draußen im Vortal lauern etwa zweihundert Apachen! Denkt lieber daran, Euren Skalp zu verteidigen! Wenn die Apachen auch in diesen Talkessel nicht hineinkönnen, weil er völlig unzugänglich ist, so werden wir doch alle Mühe haben, lebend hier fortzukommen!«

Blubb richtete sich hoch auf. »Master, ich bin der Professor der Altertumskunde Thomas Blu…«

»Ein Narr seid Ihr!«, fiel Felsenherz ihm ins Wort. »Schert Euch zum Teich hin! Zu Eurem bisherigen Diener! Der Mann ist vernünftiger als Ihr!«

»Wie? Ihr wagt es, diesen John Crax …« Er hatte dabei seine Büchse von der Schulter genommen. »… mit mir, dem berühmten Professor Thomas Blubb in einem Atem zu nennen? Mann, Ihr seid ein gewöhnlicher Trapper, seid ein roher Patron, dem ich zeigen werde, dass Thomas Blubb …«

Felsenherz lachte ärgerlich auf, packte wieder zu, hob Blubb empor, schüttelte ihn, warf ihn in das dichte Gras, hatte Blubbs Arme im Nu auf dem Rücken gefesselt und schob ihn dann vor sich her dem Teich zu.

Blubb war so verdutzt, dass er zunächst schwieg. Erst als Felsenherz ihn neben Crax auf den Boden drückte, zeterte er los.

Doch der junge Trapper hatte schon den Tomahawk in der Hand und holte zum Schein aus.

Blubb duckte sich, wurde aschfahl.

»Crax«, sagte Felsenherz nun, »ich befehle Euch, diesen verrückten Menschen zu erschießen, wenn er auch nur den Mund aufmacht! Er gefährdet unsere Sicherheit durch seine Zanksucht und Rechthaberei.«

»Sehr wohl, Master!«, entgegnete Crax völlig ernst. »Ihr habt ganz recht. Dieser Blubb hat einen regulären Klaps, wie man’s zu nennen pflegt. Fünf Jahre lang hat er mich geärgert. Nun wird er mal schweigen müssen!«

Felsenherz schritt der Blockhütte zu. Felsenherz hatte inzwischen das Stück Papier, das er Blubb aus der Hand gerissen hatte, auseinandergefaltet.

Zu seinem Erstaunen war es beschrieben. Offenbar waren als Tinte Ruß und Fett benutzt worden.

Da stand in englischer Sprache:

Ich habe zehn Jahre gebraucht, bis ich endlich die Zeichnung auf der Brust der Mumie entziffern konnte. Jetzt werde ich die Aztekenschätze heben.

Allan Lincoln

Felsenherz erinnerte sich, dass der Fluss nach dem geheimnisvollen Bewohner dieses Talkessels benannt worden war und dass dieser Lincoln, der auch die Blockhütte erbaut haben musste, dann eines Tages spurlos aus dieser Gegend verschwunden sein sollte.

Also deshalb hatte Allan Lincoln hier in der Einsamkeit gehaust …! Fraglos hatte er hier einst zufällig die Königsmumie gefunden und dann über dem Sarg, der früher noch, wie Steinreste bewiesen, von einem Gemäuer umgeben gewesen sein musste, die Hütte errichtet.

Felsenherz besann sich weiter, dass sein Freund, der alte Trapper Ben der Hinkende, erwähnt hatte, Lincoln sei vor etwa drei Jahren verschwunden.

Drei Jahre! Da hatte er sicherlich längst den Schatz gefunden … längst! Oder aber er war dort am Gila River, wo ein anderer Unterstamm der Apachen seine Dörfer hatte, den Rothäuten in die Hände gefallen.

Hier wurden seine Gedanken durch das Erscheinen des Comanchen abgelenkt.

»Mein Bruder Felsenherz mag die Schleuse aufziehen!«, rief der Schwarze Panther.»Die Apachen wollen den Block vor dem Tunnel sprengen. Einer der fünf Weißen, die bei ihnen sind, hat es ihnen geraten! Ich hatte mich bis dicht an den Block herangewagt und sah ihre Vorbereitungen!«

Felsenherz stürmte zu dem Teich und zog die Schleusentür vollends heraus. Das Wasser schoss nun in hoher Woge das Bachbett entlang, dem Kanal zu.

Der Schwarze Panther kam langsam hinterher. Der Oberschenkel schmerzte ihn stark, er hatte sich zu viel bewegt.

Als er den gefesselt dasitzenden Blubb erblickte, lächelte er ein wenig. Dann winkte er Felsenherz und den kleinen Crax beiseite. Sie setzten sich in das Gras.

»Wenn die Wassermassen die Sprengung nicht unmöglich machen«, begann der Häuptling ernst, » dann werden wir den Tunnel verteidigen müssen. Oder wir müssen noch in dieser Nacht fliehen und unsere Pferde hier zurücklassen.«

»Fliehen können wir, gewiss!«, meinte der blonde Trapper bedächtig. »Doch das hat noch Zeit, denke ich. Ich lasse meinen Braunen nicht gern zurück. Vielleicht findet sich ein anderer Ausweg.«

Der Häuptling war einverstanden.

Als sie sich nun erhoben, rief Thomas Blubb: »Ich verspreche, die Mumie nicht anzurühren und Euch in allem zu gehorchen. Ihr sollt mit mir zufrieden sein!«

»Das ist vernünftig von Euch!« Felsenherz lachte gutmütig auf. »Crax, nehmt ihm die Riemen ab!«

Blubb rieb sich die Handgelenke. »Master Felsenherz, Ihr sollt wirklich mit mir zufrieden sein«, wiederholte er nochmals. »Wenn ich jetzt um etwas Essbares bitten dürfte, ich habe Hunger, was kein Wunder ist. Es wird ja schon dunkel, und seit heute Mittag ist kein Bissen über meine Lippen gekommen.«

Der Schwarze Panther holte dann aus der Blockhütte gebratenes Fleisch, und er, Crax und Blubb nahmen unter den Bäumen am Teich die Abendmahlzeit ein, während Felsenherz am Tunnel Wache stand und das Wasser beobachtete, das ja sofort fallen musste, sobald an der Ausflussöffnung des Kanals der Block auch nur teilweise weggesprengt wurde. Nun füllte das angestaute Wasser das Loch bis oben aus. Es konnte also niemand den Tunnel passieren.