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Fort Aldamo – Band 10

Band-10-Die-Deserteure-von-Fort-AldamoBill Murphy
Fort Aldamo
Die Abenteuer des Master Sergeant Finnewacker
Band 10
Die Deserteure von Fort Aldamo

Western, Military, Heftroman, Bastei, Köln, 66 Seiten, 1,80 €, Neuauflage vom 22.03.2016, Titelbild von Günter König

Kurzinhalt:
Ein neuer Wind wehte durch die Mauern des alten spanischen Forts Aldamo, das der US-Kavallerie seit dem Ende des Bürgerkriegs als Standort diente. Doch war es auch ein frischer Wind, der da durch das alte Gemäuer blies?

Captain Link B. Mortimer hatte das Fort übernommen, und Finnewacker, ein großer und massiger Mann von vierzig Jahren, seines Zeichens Master Sergeant und bis zum Eintreffen des Captains allgewaltiger Herrscher über das Fort, war in das zweite Glied zurückgetreten …

Leseprobe:

Aus den Räumen der Kommandantur war er in das enge Verlies der Schreib­stube umgesiedelt.

Etwas breitbeinig, die Hände auf dem Rücken verschränkt, die Brust vorgereckt, das Notizbuch zwei Inches weit aus der Knopfleiste des sauber gebürsteten Feldrockes ragend, stand er im Schatten des Torbogens und sah dem Betrieb im Hof missmutig zu.

Nicht Sträflinge schienen da mehr Dienst zu schieben, sondern Rekruten, die eben eingerückt waren. Der zweite Zug übte Grüßen und Marschieren. Der dritte Zug war mit Gewehrdrill be­schäftigt. Und die Männer des vierten Zuges standen, knieten oder lagen vor Sandsackbarrikaden, auf denen Ge­wehre lagen, und übten Zielen.

Allein der erste Zug war in kleinere Arbeitskommandos aufgeteilt worden, die Ställe und Schuppen reinigten, Küchendienst taten, Wache am Tor und auf den Mauern schoben oder da­mit beschäftigt waren, vor der alten Schmiede Pappkameraden herzustel­len, auf die demnächst scharf geschos­sen werden sollte – trotz des bis dahin eisern eingehaltenen Gebotes, nur im Falle drohender Gefahr Munition an die Sträflinge auszugeben.

Sergeant Fitzgerald, bislang sein erster Stellvertreter, nun wieder ge­wöhnlicher Zugführer, trat aus der Wachstube und gesellte sich zu ihm.

Finnewacker maß den kraushaa­rigen Sergeant mit einem flüchtigen Blick.

Fitzgerald griente und hörte dem Geschrei der Chargierten eine Weile zu.

»So etwas hat es hier lange nicht mehr gegeben«, meinte er nach einer Weile.

»So etwas hat es hier in Aldamo noch nie gegeben!«, korrigierte Finnewa­cker den kleinen Sergeant knirschend.»Schießen und marschieren können die Kerle doch alle. Sogar reiten! Fehlt bloß noch, dass er auch noch Reitunterricht geben lässt, obwohl die Männer da alle wahre Meister sind. Aber deswe­gen sind diese Hundesöhne doch auch nicht hier. Diese Männer hat man uns geschickt, weil Sie nicht gehorchen und nicht parieren können. Und viele sind hier, weil ihnen der Sinn abhan­dengekommen ist, mein von dein zu unterscheiden. Das muss denen wieder beigebracht werden, aber nicht, wie man eine Knarre präsentiert.«

»Er hat eben seine eigene Methode«, sagte Fitzgerald.

»Schliff wird er damit backen!«, versetzte Finnewacker. »Na, ich sehe mir das in Ruhe an.«

Beide beobachteten zwei Männer in grauem Sträflingsdrillich, die gemäch­lich einen fertiggestellten Pappkame­raden quer über den Festungshof zu dem alten Pulverturm trugen, wo der Schießstand eingerichtet werden sollte.

Finnewacker verzog angewidert das Gesicht. »Bewegt euch mal ein biss­chen schneller, ihr lahmen Tüten!«, rief er knurrend. – Viel Erfolg hatte er damit nicht.

Unter seinem Kommando war hier alles im Laufschritt vonstattenge­gangen. Selbst auf dem Weg von der Unterkunft zur Latrine hatten sich die Männer im Laufschritt bewegen müssen.

Captain Link B. Mortimer hatte das sofort abgestellt. Doch solche Kleinig­keiten nahm Finnewacker dem neuen Commander nicht übel. Was ihn wirk­lich grämte, war die Tatsache, dass der Neue als erste Handlung wort- und kommentarlos das Festungserweite­rungskommando vorn Dienstplan ge­strichen hatte.

Das Festungserweiterungskom­mando war Finnewackers Erfindung und sein Steckenpferd gewesen. In dem Bemühen, diese Kompanie ge­strauchelter Männer zu Anstand und Redlichkeit zu erziehen, war er auf die Idee verfallen, die flachen Hänge des karstigen Hügels, auf dem das Fort stand, abtragen und steile Steinmauern errichten zu lassen, sodass sich feind­liche Reiterei dem Fort nicht einmal auf Steinwurfweite nähern konnte.

Mit Spaten und Hacken hatten die Männer schuften müssen. Die Steine zu den Mauern hatten sie aus den Bergen herangetragen, wo sie mit Hammer und Meißel aus dem Fels gebrochen worden waren.

Harter, knochenharter Dienst war Finnewackers Devise gewesen, und er hatte Erfolg damit gehabt. Solange er kommissarischer Kommandeur von Fort Aldamo gewesen war, war nicht ein Mann vor dem Tor erschienen, der schon mal da gewesen war.

Was in zivilen Gefängnissen und Zuchthäusern glatt an der Tagesord­nung war, nämlich, dass gewisse Typen in schönster Regelmäßigkeit immer wieder eingeliefert wurden, hatte es in Fort Aldamo, dem Standort der Straf­kompanie der US-Kavallerie, nicht einmal als Ausnahme gegeben.

Finnewacker war davon überzeugt, dass es auch damit nun in Zukunft vorbei sein würde. Wie mit so vielem.

Der Feldscher kam über den Platz zu Finnewacker und Fitzgerald. Er war Sergeant und trug blaue Kavallerieuni­form wie das gesamte Stammpersonal, das nur aus Diensträngen bestand.

»Himmel Herrgott, Finnewacker!«, stöhnte der Sergeant. »Willst du mir nicht endlich einen zweiten Gehil­fen zuteilen? Meine acht Betten sind vollständig belegt, und ich habe nur einen einzigen Mann zur Verfügung, um die Kranken zu versorgen.«

Finnewacker starrte zum Kranken­revier hinüber. Acht Sträflinge lagen dort faul in den Betten – als Kranke! Dabei hatte er jede Art von Drückeber­gerei vollständig ausgemerzt. Kranke hatte es während seiner Zeit als Com­mander nur alle Jubeljahre mal gegeben. Im Krankenrevier hatten höchstens Männer gelegen, die sich beim Festungs­erweiterungskommando verletzt hatten.

»Hast du mir gar nicht zugehört, Finnewacker?«, fragte der Feldscher verärgert.

Finnewacker senkte die fleischigen Lider und streifte den Feldscher mit trägem Blick. »Ich dachte, es hat sich inzwischen auch bis in deine Bude herumgesprochen, dass ich so etwas nicht mehr zu bestimmen habe. Geh doch zum Captain, aber fall mir nicht damit auf die Nerven!«

»Du meinst, ich soll … ?« Der Feld- scher sah unschlüssig von einem zum andern.

Finnewacker hatte seine Meinung kundgetan und blickte starr gerade­aus. Fitzgerald nickte dem Feldscher aufmunternd zu.

Der Feldscher machte zur Komman­dantur hin Front, rückte den Hut ge­rade und zog den Feldrock glatt. »Dann werde ich dem Alten mal auf die Bude rücken!«, sagte er, zog die Nase kräftig hoch und marschierte los.

Nur Fitzgerald sah ihm nach.

Vor der Tür zur Kommandantur stand der Feldscher stramm und klopfte an. Nach einer Weile trat er ein.

»Will der Captain auf die Pappkame­raden wirklich scharf schießen lassen?«, fragte Fitzgerald.

»Bis er selbst ein Loch im Kopf hat!«, versetzte Finnewacker brummig. »Der Kerl hat keine Ahnung, was es bedeutet, den Gefangenen geladene Waffen in die Pfoten zu geben.«

»Hast du ihm nicht berichtet, wel­chen Ärger wir hier mit Meutereien und Aufständen schon hatten?«, fragte der kraushaarige Sergeant.

»Er soll seine Erfahrung mal ge­fälligst selbst sammeln! Er hat mich heute schon zweimal angepfiffen, dass ich gefälligst erst reden soll, wenn er mich gefragt hat. Soll ich mir’s Maul verbrennen?«

Der Feldscher kam zurück, ein fro­hes Grinsen in den Zügen.

»Na, hat er dir einen zweiten Mann bewilligt?«, fragte Fitzgerald und lachte.

Finnewackers Blick zeigte nur mä­ßiges Interesse.

»Hat er!«, sagte der Feldscher und blieb vor den beiden stehen. »Meinen ersten Mann hat er zum Heilgehilfen ernannt, und ihm zur Seite hat er mir einen Hilfsheilgehilfen bewilligt, den ich mir selbst aussuchen kann.«- Er salutierte spöttelnd. »Zack zack! Alles immer klar und verständlich, oder der Laden bricht zusammen,« Er machte in übertriebener Manier kehrt, ruderte kurz und zackig mit den Armen und schritt auf den vierten Zug zu, da er schon einen Mann ins Auge gefasst hatte.

»Hilfsheilgehilfe!«, sagte Fitzgerald trocken.

»Dieser Armleuchter!«, sagte Finne- wacker und grinste sauer, und es war klar, dass er damit nicht den Hilfsheil­gehilfen oder den Feldscher meinte.

Da krachte auf der Ostmauer ein Schuss! Der gesamte Dienstbetrieb stockte. Alles sah hinauf zur Mauer, wo der Kopf des Postens über der Mauer­krone erschien, die Hände als Trichter am Mund.

»Eine Taube fällt ein!«, rief der Mann.

Da sahen die Männer der drei Züge den Vogel schon hoch über dem Fort seinen Kreis ziehen. Der Korbmeister, ein Sergeant, kam aus seiner Unter­kunft gestürzt und rannte zu dem alten Pulverturm hinüber, an dem die Tau­benschläge angebracht waren.

Die graue Brieftaube sank herab und flatterte dann tief über den Köpfen der Männer des dritten Zuges zu den Schlägen hinüber. Kurz darauf rannte der Korbmeister mit der Meldung über den Hof zur Kommandantur, und alle Männer, Chargierte wie Sträflinge, sahen ihm nach.

Darüber musste Finnewacker den Kopf schütteln. Aber war das noch sein Bier? Sollte er die Gruppen- und Zugführer zusammenstauchen!

»Du hast keine Ahnung, Fitzgerald, wie sehr mir Fort Aldamo noch immer am Herzen liegt«, sagte er grollend. »Aber es wäre mir recht, wenn der Vogel meine Versetzung zum Regiment gebracht hat.«

Fitzgerald musterte ihn besorgt. »Menschenskind, Finnewacker! Bist du so sauer?«

Finnewacker platzte der Kragen. Er trat zwei Schritte nach vorn. »Weiter­machen!«, rief er mit Stentorstimme. »Wer hat befohlen, den Dienstbetrieb zu unterbrechen?«

Sträflinge und Chargierte starrten ihn an. Kurz nur. Dann hallten die Kommandos wieder über den Platz.

Wütend kehrte Finnewacker an seinen Platz zurück. Sein Gesicht hatte sich nicht gerötet. Blass war er vor Zorn geworden.

Ein Alarmschuss wegen einer Brief­taube! Seit Fort Aldamo Standort der Strafkompanie war, hatte nur ein ein­ziger Posten ständig einen scharfen Schuss in der Kammer seines Sattel­karabiners gehabt. Das war der Mann auf dem Turm. Captain Link B. Mor­timer aber hatte befohlen, dass das ganze Wachkommando, das bis auf den Wachhabenden aus Sträflingen bestand, scharfe Munition fasste. Zwölf Schuss pro Mann!

Das musste nach Finnewackers Mei­nung ins Auge gehen. In beide Augen, und das bald schon.

Eine Ordonnanz trat aus der Kom­mandantur. »Alle Zugführer sofort zum Kommandeur!«, rief der Sträfling mit schriller Stimme.

Fitzgerald und Finnewacker sahen sich an. Finnewacker rückte den Feld­hut gerade.

»Na, dann wollen wir mal sehen, was es Neues gibt!«

Seite an Seite schritt er mit Fitzge­rald zur Kommandantur. Hinter ihnen kamen die Sergeants Gammer, Ellison und Wallowa eiligst angetrabt.

Quelle:

  • Bill Murphy: Fort Aldamo. Die Abenteuer des Master Sergeant Finnewacker. Band 10. Bastei Verlag. Köln. 22.03.2016