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Judith Arendt – Sündenbock

Judith-Arendt-SündenbockJudith Arendt – Sündenbock

Ruth Holländer, eine Frau um die fünfzig Jahre, betreibt ein Bistro in Berlin. Sie wohnt zusammen mit ihrer Tochter Annika, die kurz vor dem Abitur steht, in derselben Stadt. Ihr Sohn Lukas, Student, der im Laufe der geschilderten Zeit sein Studium hinschmeißt, um Altenpfleger zu werden, wohnt in seiner eigenen Wohnung, ebenfalls in dieser Stadt. Er will aber zu seinen Großeltern nach Westdeutschland ziehen und dort seine Ausbildung absolvieren.

Ruth ist seit einiger Zeit geschieden und hat einen Freund, Staatsanwalt Hannes Eisenrauch, der ebenfalls Kinder hat und sich von seiner Frau trennen will, die ihn betrog. Seine Frau ist allerdings zu ihm zurückgekehrt und will sich nun selber nicht mehr trennen, eine für alle Beteiligten schwierige Situation.

Zudem ist Ruth zur Schöffin bestellt worden, eine Tätigkeit, die niemand ablehnen kann und die sie außerdem sehr gerne ausübt. Wichtig ist allerdings für sie und ihren Geliebten, dass sie nicht in Ausübung ihrer gerichtlichen Tätigkeit miteinander zu tun haben.

Ruth wird im Lauf des Romans ein neuer Fall zugelost. Der Rentner Jürgen Dombroschke wird beschuldigt, seine an Parkinson leidende Frau Margit mit Rattengift getötet zu haben. Die Polizei ist in diesem Fall der Ansicht, die Geschehnisse restlos geklärt zu haben. Zunächst sieht alles danach aus, dass Dombroschke tatsächlich der Mörder ist. Man hat ihn neben der halb verwesten Leiche seiner Frau in der Wohnung gefunden, und er hat zugegeben, dass sie an Rattengift gestorben ist. Allerdings sagt er, er habe sie nicht vorsätzlich vergiftet, sondern das Gift könne durch eine Verkettung unglücklicher Zufälle in ihr Essen gelangt sein.

Der zweite dem Fall zugeloste Schöffe, Dieter Dehmel, glaubt, dass Jürgen Dombroschke homosexuell ist und mit seinem besten Freund, dem ebenfalls in seinem Fall aussagenden Zeugen Uwe Ringel, ein Verhältnis hatte. Ferner vermutet Dehmel, aus diesem Grund habe Dombroschke seine Frau getötet, denn er habe mit Ringel leben wollen.

Die beiden mit dem Fall betrauten hauptamtlichen Richter erinnern Dehmel daran, dass es das Wichtigste für einen Schöffen ist, unvoreingenommen an einen Fall heranzugehen und vorschnelle Verurteilungen zu unterlassen. Aber Dehmel ist, wie sich im weiteren Verlauf feststellen lässt, leider nicht von solchen Pflichten zu überzeugen, die mit seinem Amt verbunden sind.

Ruth selbst ist sich nicht ganz sicher, dass alles in diesem Fall so ist, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint. Allerdings ist es für sie fraglich, wer außer Jürgen Dombroschke der Täter sein könnte, denn es sieht so aus, als gebe es sonst niemanden, der ein Motiv haben könnte. Allenfalls die Überlegung, dass Dombroschke das Leiden seiner Frau nicht länger habe ertragen können und sie deshalb aus Mitleid getötet hat, quasi, um sie zu erlösen, macht für Ruth zunächst Sinn.

Sie beschließt, sich genauer mit dem Fall zu befassen und beginnt, sich ein bisschen umzuhören. …

Die Autorin schildert einen Fall, der, obwohl er von Anfang an völlig eindeutig zu sein scheint, viel komplexer ist, als man zunächst vermutet. Durch Rückblenden zeigt sie dem Leser, dass der mutmaßliche Täter, nämlich der Ehemann der Ermordeten, seine Frau eigentlich abgöttisch liebte und sie keineswegs deshalb aus dem Weg geräumt haben konnte, weil sie ihm im Weg stand und er sie loswerden wollte.

Ganz im Gegenteil verlor der Ehemann, indem seine Frau starb, seinen Lebensmittelpunkt, beziehungsweise jeden Grund, selbst weiterzuleben. Dies wird dem Leser schon dadurch klar, dass Jürgen Dombroschke seine Frau in seiner Wohnung lässt, auch als sie schon lange tot ist, und so gar nicht loslassen kann. Erst als die Nachbarn den Gestank der verwesenden Leiche bemerken und Polizei und Notarzt gerufen werden, lässt Dombroschke von der Leiche. Auch sein bester Freund, Uwe Ringel, traut ihm keinen Mord an seiner Frau zu. Erst viel später wird dessen Verstrickung in den Fall offensichtlich.

Auf diese Weise baut die Verfasserin geschickt die Spannung in ihrem Buch auf, die sie von Seite zu Seite steigert. Erst ganz am Ende, also im allerletzten Kapitel, wird genau geklärt, wie Margit Dombroschke zu Tode kam. Judith Arendt ist hier ein Meisterwerk der Spannung geglückt, das den Leser bis zum letzten Satz fesselt.

Zudem beschreibt sie sowohl das Leben der Dombroschkes, das ein Leben für den Tanz war und dann tragisch mit der Parkinsonerkrankung von Margit endete, als auch das Leben Ruth Holländers, ihrer Familie und Freunde, sehr intensiv und glaubhaft. So ist man immer der Ansicht, dass sich der Fall genau in dieser Weise im richtigen Leben zugetragen haben könnte.

Ein wenig übertrieben erscheinen mir allenfalls die Geschehnisse um Hannes Eisenrauchs Frau gegen Ende der Geschichte, denn die übrige Dramatik um die Lösung des Falles reicht meines Erachtens völlig aus, sodass es dieser Ereignisse eigentlich nicht bedarf.

Fazit:
Judith Arendt beschreibt in Sündenbock einen Kriminalfall, der zunächst eindeutig und einfach erscheint, im Laufe der Geschichte aber immer komplizierter wird und am Ende hochdramatisch daherkommt. Die Autorin versteht es, einen Spannungsbogen aufzubauen, der den Leser bis zum Ende des Romans in seinen Bann zieht, dramatisiert allerdings zum Schluss für meinen Geschmack ein wenig zu viel.

Ich möchte die Story jedem Leser empfehlen, der gediegene, spannende Krimikost liebt und sich zudem von einer guten Psychologin unterhalten lassen möchte.

Judith-ArendtDie Autorin:

Das Pseudonym Judith Arendt steht für eine Autorin, die gelegentlich Drehbücher für deutsche Fernsehserien schreibt und erfolgreich Kriminalromane veröffentlicht. Sie selbst sieht sich gerne amerikanische Serien an und liebt skandinavische und britische Krimis. Sie lebt mit ihrer Familie seit einiger Zeit in der Nähe von München.

Sündenbock ist der zweite Krimi um die Schöffin Ruth Holländer.

Quellen:

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung von Ullstein Buchverlage.
  • Foto der Autorin. Copyright: Gudrun Senger. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung von Ullstein Buchverlage.

(ww)