Ausschreibung
Sternenlicht-Anthologie

Download-Tipp
Band 6

Heftroman der Woche

Archive
Folgt uns auch auf

Die Chroniken von Kull

Die-Chroniken-von-KullJörg Kleugden
Reihe: Edition CL 1, Hrsg; Eric Hantsch
Die Chroniken von Kull
Edition CL, April 2014, Neustadt i. Sa.; Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, Phantastik, Privatdruck ohne ISBN, 292 Seiten, 23,00 Euro,
Umschlagmotiv und Innenillustrationen: Bernd Jans, Grafiken der Kopf- und Fußzeilen: Jörg Kleudgen

cthulhulibria.wordpress.com

Das Schriftwerk, in dunkles Leinen gebunden und stark vergilbt, mochte mehrere hundert Jahre alt sein und war von Hand geschrieben. Kullner Hystorien war auf dem Einband in einer abblätternden Goldschrift zu lesen, und Meer dachte daran, welch schlaflosen Nächte ihm das Buch beschert hatte. Seit seiner Lektüre hatte er die Welt mit anderen Augen gesehen. Nach und nach hatte sein Geist all das wieder verdrängt … jene Berichte über die wirklichen Ursprünge des Dombaus, die widerwärtigen Bewohner der abgelegen Randviertel, denen ein Atavismus aus der Zeit, da Riesenechsen die Erde beherrschten, anhaftete; die Sage von einem gewaltigen Wurm, der sich im Rhein wand, und viele andere Absurditäten.

(Aus: Das Grauen aus der Schachtel)

Der Leser/Die Leiche im Herbststurm

Im geerbten Haus am Rand des Moors entdeckt der neue Besitzer eine erstaunliche Sammlung antiker, wissenschaftlicher Schriften. Unter anderem Werke von Galwai, der davon berichtet, einen toten Menschen mithilfe von Elektrizität wieder zum Leben zu erwecken. Von da an zehren unheimliche Träume und Geräusche, als ob jemand nachts um sein Haus schleicht, an den Nerven des Mannes. Wochen später findet er auf einem seiner ausgedehnten Spaziergänge eine mumifizierte Leiche im Moor.

Die Infektion

Nach einer radikalen Veränderung seine Lebens, die ihn förmlich in ein Einsiedlerdasein drängt, entdeckt der Erzähler eines Morgens im Niedrigwasser des Rheins direkt unter der Wasseroberfläche einen Einstiegsdeckel. In der Universitätsbibliothek von Kull liest er schließlich von unterirdischen Räumen, die sich bis unter den Fluss erstrecken.

Stromberg
Der Stromberg übte von jeher eine unerklärliche Anziehungskraft auf Wanderer, aber auch auf Hexen und Zauberer aus. Probebohrungen zeigten, dass der Berg tatsächlich so stark magnetisch ist, dass weitere Untersuchungen dadurch verhindert wurden. Ein weiterer Forscher entdeckt einen Zugang ins Innere des Strombergs und darin eine unerklärliche Ansammlung bizarr angeordneter Metallteile.

Pans Dämonium

Fünf Studenten auf dem Gebiet des Okkulten gelingt es, erfolgreich eine Dämonenbeschwörung durchzuführen. Der Dämon stellt jedem von ihnen unermessliche Macht in Aussicht, wenn er die vier anderen als Opfer darbringt.

Das Grauen von Kraam

Eine unscheinbare Kleinanzeige verheißt dem Kenner einen wahrhaft seltenen Schatz: ein Buch, verfasst in der berüchtigten Bibliothek von Kull. So begibt sich der Sammler auf den Weg in das ihm unbekannte Kraam. Im Haus des Verkäufers angekommen, erwartet ihn das Grauen.

In Zeitstrom versunken

Mit einer selbstgebauten Apparatur gelingt es John Wander, Unregelmäßigkeiten im Zeitstrom festzustellen, die sich immer mehr häufen. Ein Abstieg in die untersten, vergessenen Schichten der Stadt Kyrandia, die sich stets selbst erneuert, soll die Ursache der Anomalie ans Tageslicht bringen.

Die Chroniken von Kull

Als letzter lebender Nachkomme seiner Familie kehrt der Protagonist nach Kull in das Haus seiner verstorbenen Großtante zurück. Neben der Entdeckung geheimnisvoller Schriften und Tagebücher seines Onkels drängt sich auch förmlich die Nachricht eines Mordes in sein Interesse sowie Hinweise auf eine geheimnisvolle »unsichtbare« Instanz, die die Geschicke der Stadt lenkt. Seine Erkundigungen führen ihn immer weiter in die buchstäblichen Tiefen der Stadt.

Bernstein (Fragment)

Auf einem Waldspaziergang nahe der Stadt Kull wird ein Wanderer von einem Sturm überrascht. Gegen das wütenden Wetter kämpft er sich weiter auf der Suche nach dem Herz des Waldes. Doch plötzlich umschlingt ihn das honigfarbene Harz einer riesenhaften Föhre.

Das Grauen aus der Schachtel

Bei einer seiner Ausgrabungen entdeckt der Archäologe Alt etwas, das es vor seinen Mitarbeitern zu verbergen sucht. Sein Assistent Sedonius kontaktiert daraufhin den Journalisten Frank Meier. Bei ihren Recherchen stoßen die beiden Männer auf okkulte Schriften, die der Professor studiert hat. Tagebucheinträge legen nahe, dass er bei seinen Ausgrabungen auf das Ei einer fremden Lebensform gestoßen ist.

Der Inquisitor des Westens-Zyklus

Staub

James Gunn, der Inquisitor des Westens, verfolgt den Mörder seines Vaters, des Bischofs von Kull, durch die unendliche Wüste. Als er ihn endlich stellt, berichtet ihm der Flüchtige über seinen Auftrag. Gunn geht den Weg des Mörders weiter und gelangt in die sagenhafte Stadt Theth. Unterwegs macht er die Bekanntschaft von John Crowley, der sich ebenfalls auf dem Weg nach Theth befindet.

Nach Jahrtausenden

James Gunns Auftrag führt ihn durch das gefährliche Ödland des postatomaren Krieges nach Kull, wo er ein Relikt untersuchen soll, das Diebe bei einem Museumseinbruch zurückgelassen haben. Ein wertvoller mumifizierter Leichnam. Doch noch bevor der Inquisitor den Körper untersuchen kann, wird er niedergeschlagen und nahezu jeder Mensch im Plast bestialisch ermordet.

Zur Untersuchung des Ereignisses begibt sich Gunn zur verlassenen Burg Reichenfels, wo er selbst einen Teil seiner Kindheit verbracht hat. In der Bibliothek seines Vaters erhofft er sich, Hinweise zu finden. Während seiner Studien erlebt der Inquisitor jedoch immer wieder Bewusstseinssprünge,  von denen ihn einer bis in die sagenhafte Stadt Ybh führt.

Der Inquisitor des Westens

David Gunn, der Inquisitor des Westens wird von seiner Kirche als neuer Pfarrer nach El tporso geschickt. Einige aufrechte Männer bezeugen ihm ihre Unterstützung dabei, die heruntergekommene Kirche wieder aufzubauen. Doch in der umgebenden Wüste lauern Gefahren, die schon einige Opfer unter den Dorfbewohnern gefordert haben.

Als ich mich in dieser Nacht zur Ruhe begab, hatte ich einmal mehr das Gefühl, irgendjemand oder irgendetwas nähere sich meinem Lager, um mich zu beeinflussen. Es besaß die Aura von etwas unsagbar Bösem, und es schenkte mir Träume von fledermausköpfigen Wesen mit fetten, aufgedunsenen Leibern, die einen fürchterlichen Gesang anstimmten und um etwas noch viel schrecklicheres herumtanzten, das ich nicht sehen konnte.

(Aus: Der Leser/Die Leiche im Herbststurm)

Obwohl Jörg Kleudgen nie einen Hehl daraus gemacht hat, Geschichten im Sinne H. P. Lovecrafts zu schreiben, verfügen seine Erzählungen doch von Beginn an über eine ganz eigene Tonalität; im Gegensatz zu vielen Lovecraft-Nachahmern, die sich um Originalität bemühen, unterm Strich aber doch nur den x-ten Aufguss einer Geschichte mit Tentakeln aufs Papier bringen. Kleudgen verwendet eigene Wesen, Subjekte und Orte, die er zwar eindeutig lovecraftianisch anlegt und verwebt, die jedoch nie als plumpe Plagiate wahrgenommen werden. Auch die Vorgehensweise, Orte, Personen und Dinge mehrfach zu verwenden, ist dem Vorbild geschuldet. Doch auch hier bleibt der Eifler immer »bei seinen Leisten«, sprich in Deutschland verhaftet.

Ihre originelle Wirkung beziehen Kleudgens phantastische Geschichten aus den großen Anteilen surrealer Elemente, was sie sogar noch in Richtung Clark Ashton Smith schiebt. Oftmals wissen die meist einsamen Protagonisten seiner Erzählungen gar nicht, wie ihnen geschieht, wenn sie sich unversehens und ohne die Möglichkeit, das Geschehen selbst zu kontrollieren, in einem bizarren Abenteuer finden. So wirken die Personen, denen man als Leser folgt, oft wie bloße Beobachter des Geschehens, auch wenn sie gerade mitten drin stecken. Dazu gesellt sich nicht selten ein scheinbarer Status der Unfertigkeit. Ein Anfang scheint zu fehlen, der notwendige Basisinformationen liefern könnte, oder ein Ende, das die Geschichte restlos auflöst. Kleudgen selbst weist im Nachwort sogar auf das »Fehlen von Pointen und schlüssigen Handlungen« hin. Doch es ist gerade diese (gewollte) Unvollkommenheit, die den Reiz der Geschichten ausmacht. Die Unsicherheit, die Unvorhersehbarkeit, die Traumhaftigkeit, die wie ein dämpfender Schleier über diesen Erzählungen liegt.

Die Stadt Kull hat Jörg Kleudgen vor allem in seiner Anfangszeit als Autor beschäftigt und begleitet. Einige seiner Kurzgeschichten spielen in und um diesen fiktiven Ort, hinter dem man als Namensgeber vielleicht den Eifler Ort Kyll vermuten kann. Schließlich klingen auch einige andere Ortsnamen aus diesen Erzählungen wie phantastische Zwillinge Eifler Kleinstädte (Stromberg, Kruften/Kruft). Dabei ist es keineswegs so, dass die Geschichten aufeinander aufbauen würden oder Elemente der einen wieder in der anderen vorkommen. Einen Plan ihres Aussehens, der gesellschaftlichen und politischen Strukturen oder der Historie von Kull scheint es nicht zu geben. Der gemeinsame Nenner ist lediglich die Stadt selbst, teils auch nur durch die Erwähnung ihres Namens in einem Schriftstück.

Abgerundet wird diese Sammlung von einem sehr persönlichen Nachwort des Autors, der spürbar gerührt ist und es offensichtlich nicht bereut hat, nach 20 Jahren nach Kull zurückzukehren.

Bis es die vorliegende Form erreichte, machte Die Chroniken von Kull einige Metamorphosen durch; zunächst bestimmt im Kopf des Herausgebers, bis hin zu einem Probedruck, der noch den Titel Das Grauen aus der Schachtel trug und lediglich eine ungeordnete Auswahl von Jörg Kleudgens Geschichten aus den frühen 1990er Jahren darstellte. Nach nochmaliger Sichtung der GOBLIN PRESS-Bände drängte sich jedoch die fiktive Stadt Kull als wiederkehrendes Element in den Vordergrund. Mithilfe des Autors sammelte Eric Hantsch die Geschichten dieses losen Zyklus, 11 an der Zahl, die hier in teilweiser Überarbeitung und sogar Vervollständigung des Autors vorliegen. Exklusiv für diesen Band wurde zusätzlich die Titelgeschichte Die Chroniken von Kull verfasst. Der bemerkenswerteste Streich, der Eric Hantsch gelungen ist, besteht jedoch darin, den Künstler Bernd Jans ausfindig gemacht und von der Teilnahme an diesem Liebhaberprojekt überzeugt zu haben. Der Künstler ist für die Illustration – skurrile Monster, bestehend aus Augen, Tentakeln, Flügeln, Knochen, mit Tusche aufs Papier gebracht – vieler »alter« GOBLIN PRESS-Titel verantwortlich, doch hatten Jans und Kleudgen sich später aus den Augen verloren. Hier steuert er die Innenillustrationen, ganz in seinem eigenen klassischen Stil, bei. Für den Schutzumschlag kreierte Bernd Jans außerdem ein grandioses Wrap-Around Covermotiv mit 3D-Effekt. Die Grafiken der Kopf- und Fußzeilen auf jeder Textseite wurden von Jörg Kleudgen selbst erstellt.

Die Chroniken von Kull erschien als Band 1 der Edition CL, einer bibliophilen Buchreihe unter Herausgabe des Cthulhu Libria-Erfinders und Chefredakteurs Eric Hantsch. Gefertigt ist das Buch als Hardcover mit Goldprägung auf dem Buchrücken, Schutzumschlag und Lesebändchen. Die Auflage ist limitiert auf 80 nummerierte Verkaufs- und 15 Belegexemplare (römisch nummeriert). Der Kontakt zwischen Autor und Herausgeber bestand lange vor diesem Projekt, da Eric Hantsch als Sammler deutschsprachiger Phantastik zwangsläufig mit den Werken aus Jörg Kleudgens Miniverlag GOBLIN PRESS in Berührung kam. Die Auflagen zählten auch dort lediglich zwischen 50 und 100 teilweise handgefertigten Exemplaren pro Band, gelten jedoch unter Phantastik-Liebhabern als durchweg gelungen und zählen heuer zu äußerst gesuchten Stücken. Die Zusammenarbeit entwickelte sich soweit, dass beide inzwischen gleichberechtigt als Herausgeber für das Phantastikmagazin Cthulhu Libria Neo verantwortlich zeichnen.

Das Buch ist beim Herausgeber inzwischen vergriffen und wahrscheinlich nur noch mit viel Glück und gewiss nicht mehr zum Selbstkostenpreis von ursprünglich 23,- Euro zu haben.

Als schöne Ergänzung zu Die Chroniken von Kull findet sich die von Johann Peterka gezeichnete Graphic Novel von Stromberg in Cthulhu Libria Äon 1. (Gratisdownload über: cthulhulibria.wordpress.com)

Fazit:
Bibliophile und liebevolle Sammlung von Jörg Kleudgens losem „Kull-Zyklus“, teilweise überarbeitet und vervollständigt.

(eh)