Ausschreibung
Sternenlicht-Anthologie

Download-Tipp
Band 6

Heftroman der Woche

Archive
Folgt uns auch auf

Das Harzmärchenbuch von August Ey Teil 27

Sagen und Märchen aus dem Oberharz
Gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862

Die goldene Rose

Ein Förster hatte drei Töchter, die Jüngste davon war die Hübscheste und die Beste, eine brave Seele. Deshalb hatte sie aber auch Vater und Mutter lieber, wie die anderen. Die Zweite war ein pockennarbiges und hämisches Mädchen. Die Älteste, nun das ging, man konnte sie nicht schön und auch nicht gut nennen. Kurz, das Jüngste hatte der Vater am liebsten und fragte dasselbe, als er einst auf die Jagd ging, was er ihm mitbringen solle.

Das Mädchen legte sein Köpfchen an des Vaters Schulter und sagte so recht schmeichelnd: »Bring mir eine goldene Rose mit.«

»Das wird schwerlich gehen«, sagte der Vater, »denn goldene Rosen sind selten. Ich will es aber versuchen.«

Nun ging er fort und dachte immer an die Rose, die er seiner Tochter mitbringen sollte, sah sich auch um danach, fand aber kaum einen Hagebuttenstrauch, der Klatschrosen hatte, aber noch nicht einmal eine gewöhnliche, viel weniger eine goldene Rose. Die Jagd hatte er ganz vergessen. So wollte er schon umkehren, weil ihm alles vergeblich dünkte. Da dachte er wieder an sein Töchterlein, dass das deshalb vielleicht traurig werden könnte und wendete wieder um. Er wollte nochmals sein Heil versuchen und schlug sich seitwärts in den Wald hinein, wo er Jahre lang nicht gewesen war. Zu seiner Verwunderung kam er an ein Schloss, das er noch gar nicht gesehen hatte. I, dachte er, das musst du dir näher ansehen. Er geht hinein, kein Mensch ist drin, dagegen findet er schöne Zimmer mit herrlichen Sachen, Tischen, Stühlen, Sofas, großen Spiegeln und dgl. Auch kommt er in einen Speisesaal, da steht ein großer Tisch mit den köstlichsten Gerichten. Die Braten dampfen, sodass es unser Förster nicht verschmäht, er setzt sich und lässt es sich wohl schmecken, wenn ihn auch keiner dazu nötigt, denn es ist niemand da gewesen. Der Wein ist feurig, und er schenkt flott ein. Nach einer Stunde, da ist der Wein sein Meister geworden, er muss sich hinlegen, so schwer ist ihm der Kopf. Er sucht sich ein Bett aus, legt sich gespornt und gestiefelt hinein und schläft, dass ein Auge das andere nicht sieht. Am folgenden Morgen wacht er erst wieder auf, als die Sonne über Berg und Tal scheint.

»Das heiß ich geschlafen«, sagt der Förster, steht auf und tritt ans Fenster, um zu sehen, wo er ist und wie es außerhalb aussieht. Dabei wird er im Garten, in den er gerade hineinsehen kann, einen Rosenstock gewahr, der über und über voll goldener Rosen hängt. Den sehen, hinuntergehen und die Beste davon abschneiden, ist das Werk von einigen Minuten. Kaum hat er aber die wunderbar schöne Blume in der Hand, so steht ein raues Ding vor ihm, sieht aus, wie der glünige Teufel und spricht: »Entweder du musst sterben, der du die Rose gepflückt hast, oder du versprichst mir die, welche die Rose haben soll.«

Wer will nun aber gern sterben? Er verspricht also dem Teufel seine Tochter. Nun macht sich der Förster auf und geht nach Hause. Unterwegs kommt er erst recht zur Besinnung darüber, was er gemacht und gelobt hat. Vor tiefem Kummer fängt er zu weinen an und tritt, ohne dass er weiß, wie sehr er sich gemutpresst hat, in die Stube seiner Tochter und gibt ihr die Rose. Voll Freude dankt ihm die Tochter, voll Traurigkeit fragt sie, warum er geweint hat. Da sagt er es. Die Tochter aber spricht, er solle nur nicht bange sein, sie wolle es machen. Sie wüsste ein gutes Mittel, das helfe gegen Tod und Teufel, das angewandt, würde sie auch von dem rauen Ding befreien. Darauf steckt sie sich die Rose vor die Brust, geht fort, singt und trällert und zeigt den anderen die Wunderblume. Am anderen Tage kommt eine Kutsche mit vier Schimmeln vor das Försterhaus. Heraus steigt ein kleines Männchen und bittet die jüngste Förstertochter, mit einzusteigen. Ihr Vater hätte ihr ja wohl Bescheid gesagt. Ja, sagt sie, nur müsse sie sich erst anziehen. Das tut sie. Das beste Kleid, was sie hat, zieht sie über und steckt die goldene Rose vor die Brust, nimmt dann von dem Vater, der Mutter und den Schwestern Abschied und steigt in den Wagen, der auch ganz mit Rauwerk ausgeschlagen ist. Der Kutscher schlägt die Pferde an und fort geht es im sausenden Galopp. Nach langem Fahren hält die Kutsche, und das Männchen steigt mit der Förstertochter aus und führt sie in ein großes schönes Schloss, dann in eine Stube, die so schön eingerichtet gewesen ist, dass eine Königin darin hätte wohnen können.

Dann sagt das Männchen: »Jetzt verlass ich dich. Was man dir befiehlt, das tue ja, wenn dir dein Leben lieb ist. Ich werde dir beistehen.«

Kaum wird es Nacht, so kommt ein raues, ungestaltetes Ding in die Stube, tritt vor die Förstertochter und zapft ihr drei Tropfen Blut ab und spricht: »Hier bring ich dir Garn, davon musst du bis morgen früh zwölf Paar Strümpfe gestrickt haben. Hörst du?«

Vor Schrecken spricht das Mädchen, ja. Darauf ist der Unhold verschwunden. Als sich das arme Mädchen von seinem Schrecken erholt hat, macht es sich gleich an die Arbeit. Es wird um acht, um neun, um zehn, da hat es erst einen Strumpf fertig, und das ist rasch gegangen. Lieber Gott, denkt es, nun erst einen Strumpf fertig und bis morgen früh noch dreiundzwanzig – das ist rein unmöglich. Doch du sollst es nicht an dir fehlen lassen. Gott wird dir beistehen, der verlässt dich nicht, das ist dein einziger Schutz.

Kaum hat es das gedacht, so tritt das kleine Männlein zu ihm ein, ganz in Weiß gekleidet und spricht: »Komm, gutes Kind, ich steh dir bei.«

Dann setzen sich beide hin und fangen an zu stricken, dass die Sticken klappern, als wenn es die beste Musik wäre. In der Zeit von einer Stunde liegen alle zwölf Paar Strümpfe fix und fertig zusammengebunden da. Dem geängstigten Mädchen ist es, als wäre ein schwerer Stein von seinem Herzen gefallen. Im Stillen dankt es Gott und laut sagt es dem kleinen Männchen seinen Dank und bittet dasselbe, ihm doch immer so beizustehen und ihm Rat und Tat zu geben.

Das verspricht denn auch der Kleine und sagt zuletzt: »Nun kannst du dich doch hinlegen und noch ein gut Teil schlafen.«

Morgen früh solle es aber hinabgehen in den Garten und vor den Rosenstock hintreten und sprechen: »Ich soll dich erlösen, und du sollst mich erlösen.« Dann würde aus dem Rosenstock heraus ein hässliches Katzengesicht schauen, das solle es küssen, sich aber ja nicht fürchten oder bange sein.

Das Mädchen sagt, ja, das wolle es gerne tun, wenn es nur mit dem Leben davonkäme.

Darauf sagt der kleine Mann, das hätte nichts zu sagen. Es müsse ihm nur folgen. Nun sagt das Männlein gute Nacht und ist verschwunden.

Das Mädchen legt sich ins seidene Bett, was da steht, und schläft darin ruhig und ungestört bis zum anderen Morgen. Dann steht es auf, zieht sich an und geht hinab in den Garten. Da steht der Rosenstrauch mit den prächtigsten goldenen Rosen. Ohne Angst und Furcht pflückt sich die Förstertochter die beste Rose ab und spricht: »Ich soll dich erlösen, und du sollst mich erlösen.«

In dem Augenblick glotzt sie aber ein glubsches Katzengesicht an. Die Erschrockene tritt aber näher und küsst das Katzengesicht. Da ist es verschwunden, und ihre gepflückte Rose sitzt wieder an ihrer Stelle. Der Tag geht wieder so hin, der Abend kommt heran, und das arme Mädchen wartet, was ihm heute Abend aufgehoben sei. Kaum hat es sieben Uhr geschlagen, so tritt das hässliche Ding wieder zur Tür herein und bringt ihm zwölf Bettüberzüge, die müssten bis morgen früh fertig genäht sein; dann ist es verschwunden. Das arme Mädchen quält daran und hat bis zur Mitternacht erst einen Überzug fertig. Da kommt aber das kleine Männchen wieder und im Um-und Aufsehen sind die Bettüberzüge fertig. Dann sagt das Männchen: »Jetzt leg dich zur Ruhe, morgen früh geh in den Garten, pflück dir wieder eine Rose und sage dabei: ›Heum, Heum, Heum, komm und lass dich frein.‹ Und was aus dem Rosenstock herauskommt, das küsse ohne Furcht.«

Das Mädchen folgt dem Männlein, und als es die Rose am anderen Morgen pflückt und dabei die Worte sagt, da kommt ein grimmiger Bär aus dem Rosenstock. Ohne Furcht aber fasst es ihm an den Kopf und küsst ihn. Da ist er verschwunden. Die gepflückte Rose sitzt wieder an dem Rosenstock. Jetzt besieht sich die Förstertochter den Garten erst genau, der ist voll der schönsten Blumen. Darin bringt sie den ganzen Tag zu. Am Abend geht sie wieder ins Schloss und um sieben kommt das gefährliche Ding wieder, nimmt, so wie den vorhergehenden Tag die Strümpfe, diesmal die Bettüberzüge und gibt dem Mädchen zwölf Hemden zu nähen, die wieder bis zum anderen Morgen fertig sein müssten. Alles geht so wieder, wie die vorhergehenden Tage, und spricht das Männchen, als die Hemden fertig sind: »Morgen früh , wenn du in den Garten zu dem Rosenstock kommst und pflückst dir die Rose, dann sage ›Ich soll dich erlösen, du sollst mich erlösen.‹ Dann werden alle Blätter und Rosen abfallen. So wie das geschähe, dann sprich weiter: ›Heum, Heum, Heum, komm und lass dich frein!‹ Was dann geschieht, das umarme und küsse es.«

Das Mädchen folgt getreulich, und als es am anderen Morgen vor dem Rosenstock gestanden und die letzten Worte gesprochen hat, da steht vor ihm ein wunderschöner Prinz, der umarmt sie auch, herzt und küsst sie und führt sie ins Schloss, da sind so viele Diener und Herrschaften, und das Schloss ist erlöst. Oben auf der Stube, wo die neue Königin wohnen soll, da liegen aufs Schönste gestrickt und genäht das Dutzend Strümpfe, die sie gemacht hat und daran steckt eine goldene Rose, ebenso das Bettzeug und die Hemden, an jedem eine goldene Rose. Und zum ewigen Andenken, wie der Teufel überwunden wird durch Gottvertrauen und zum immerwährenden Dank für den großen Mut seiner Frau nimmt der junge König eine goldene Rose in seinem Wappen auf. Diese Rose sieht man noch oft in schönen Wappen. Das kommt bloß daher.