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Der wilde Raubgraf Bruno von Rabenhorst Kapitel 5

Raubgraf-Bruno-von-RabenhorstDer wilde Raubgraf Bruno von Rabenhorst und sein schreckliches Ende in der Teufelsmühle
Oder: Das furchtbare Femgericht um Mitternacht
Eine Geschichte aus den rohen Zeiten des Faustrechts
Um 1860 niedergeschrieben

Kapitel 5

Wo Raub und Mord auf dem Gewissen lasten,
da ruht auch schwerer Fluch dabei.
Es hilft kein Beten und kein Fasten,
bis dass die Schuld gesühnet sei!

Nachdem nun Bruno von Rabenhorst den schändlichen Mord an Elwira begangen hatte, geriet er unterdessen in eine Fehde mit einem seiner Nachbarn, der gegen seine Knappen einen Zug Kaufleute, die Erstere überfallen, in Schutz genommen und dadurch Brunos Hass auf sich gezogen hatte. Es war dies der edle Kurt von Dillenburg, dessen Schloss nicht besonders weit entfernt auf einer steilen, mit vielen tiefen Felsenklüften umgebenen Anhöhe auf der linken Seite des Ellerbaches lag, und deshalb nicht bedeutend befestigt war. Ohne nun vorher dem Kurt die Fehde kundzutun, wie es einem Rittersmann geziemt hätte, überfiel er denselben mitten in der Nacht und wählte hierzu eine solche aus, in welcher der Sturmwind fürchterlich den Forst durchsauste.

Auch dieses Mal begleitete ihn sein böser Burgvogt, der ihn zu jeder schändlichen Tat aufmunterte, und stets mit einem teuflischen Rat, der nur in dem ruchlosen Herzen eines solchen Bösewichtes entstehen konnte, bei der Hand war.

Als sie das Schloss Dillenburg erreicht hatten, warf der elende Burgvogt Brunos das Gewand eines Pilgers über sich und begehrte mit kläglicher Stimme Einlass, indem er vorgab, sich in diesem Unwetter verirrt zu haben. Der Torwart des menschenfreundlichen Kurts, der den schönen Auftrag von demselben hatte, niemanden den Eintritt in sein gastliches Schloss zu verwehren, der Schutz und Obdach hier suche, dachte nichts Arges, um so weniger in dieser Kleidung, und öffnete sogleich dem vermeintlichen Pilger ein kleines Pförtchen, das neben dem Haupttor über eine tiefe Felsenkluft angebracht war.

Doch kaum war der böse Vogt über die Schwelle getreten, als er seinen Dolch, den er unter dem Pilgermantel verborgen gehalten hatte, dem ehrlichen Torwart auf der Stelle in die Brust bohrte, sodass dieser lautlos zu Boden sank. Hierauf nahm er dessen Laterne zur Hand und gab damit das verabredete Zeichen, worauf Bruno, der sich inzwischen mit seinen Knappen genähert hatte, sogleich in die Burg eindrang, in deren Mauern die Bewohner derselben in friedlicher Ruhe schlummerten.

»Nun wollen wir den ehrlichen Kurt aus seinen Federn tagen, dass es eine Lust sein soll«, sagte Bruno, indem er Befehl gab, alle Ausgänge schnell zu besetzen, und jeden, der herauskäme, sogleich zu fesseln und zu knebeln.

Dann nahm er sein Hüfthorn und blies hinein, dass es schauerlich durch die Nacht hallte, und alle Schlafenden davon erwachten. Kurt riss das Fenster auf, um zu erfahren, was dieser Lärm bedeute. Da er aber von niemand Antwort erhielt, so eilte er in den Hofraum, um sich zu überzeugen, wer es von seinen Leuten wage, die nächtliche Ruhe also zu stören. Doch kaum trat er in denselben, als er sogleich zu Boden gerissen, gebunden und vor Bruno geführt wurde.

»Ich habe«, sprach Bruno zu demselben, »Eure ritterlichen Tugenden so sehr rühmen gehört, und Ihr habt dieselben auch auf meine Kosten ausgeübt, indem Ihr gegen meine Knappen und also auch gegen mich fochtet. Ich bin deshalb gekommen, um Euch diese freche Tat, die nur Euer Übermut begehen konnte, zu bestrafen!«

»Wie könnt Ihr Euch das Recht anmaßen«, unterbrach ihn Kurt in seiner hämischen Rede, »mich für eine Tat bestrafen zu wollen, durch welche ich das Recht des Eigentums beschützte und ich auch gar nicht unter Eurer Botmäßigkeit stehe. Wie könnt Ihr überdies es wagen, nächtlicher Weise in meine friedliche Burg einzudringen?«

»Haltet das Maul«, donnerte ihm Bruno entgegen, »ich bin jetzt Herr über Euch und Eure Burg und habe zu befehlen, brauche daher Euer Geschwätz nicht anzuhören. He, holla, Burgvogt, schnell ans Werk, das wir uns vorgenommen haben!«

»Ist bereits vollendet, und Ihr dürft nur befehlen, dass die wilde Hetze ihren Anfang nehme«, entgegnete der Burgvogt mit einem teuflischen Grinsen.

»Dazu müssen wir aber besseres Licht haben. Deshalb werft ein paar brennende Fackeln in des Schlosses Innere. Kurt wird nichts dagegen haben, wenn ich seine elenden Baracken niederbrenne. Er mag sich, falls er mit dem Leben davonkommt, ein festeres Schloss bauen«, erwiderte Bruno.

»Barmherziger Himmel! Erbarmt Euch meiner Gattin und schont sie und meine Kinder! Wenn ihr Euch an mir rächen wollt, nehmt mich, stoßt mich nieder, reißt Glied für Glied von meinem zuckenden Körper, nur schont meine arme Familie, die Euch ja nichts getan hat!«, so flehte Kurt mit erhobenen Händen.

Allein der Unmensch lachte seiner und trieb seine Leute zur Eile an, die auch nur zu willig seinem Befehl nachkamen, denn alsbald loderten aus einigen Fenstern schon die hellen Flammen empor, die der Sturmwind mit arger Wut an das Gemäuer peitschte und die Glut auf die Nebengebäude übertrug, sodass das ganze Schloss in kurzer Zeit in vollen Flammen stand und eine große Rauch- und Flammensäule den nächtlichen Himmel blutrot färbte.

»So ist es jetzt hell genug, nun können wir beginnen. Führt zuerst Kurts Knappen herbei!«, befahl Bruno. »Also hört«, sagte er zu denselben, »ich habe großmütig das kleine Pförtchen aufgelassen, und ihr könnt euch Rettung durch die Schnelligkeit eurer Beine verschaffen! Ich lasse jeden von euch einzeln durch zwei meiner Knappen mit bloßen Schwertern verfolgen, gebe jedem drei Schritte vor, und auf ein Zeichen mit meinem Horn dürft ihr alle zugleich nach jenem Pförtchen rennen. Aber wehe dem, der zu langsam ist. Er wird von meinen Knappen in Stücke gehauen. Also, Burgvogt! Stellt Eure Jäger und das Wild auf!« So schrie von höllischer Freude erfüllt der grausame Bruno, nahm sein Horn zur Hand und ließ den furchtbaren Ton erschallen, der Kurt und seinen Leuten durch Mark und Bein drang. Diese rannten nun mit größter Schnelligkeit dem Pförtchen zu, durch welches sie zu entkommen und ihr Leben zu retten hofften. Allein durch den großen Andrang verstopfte sich dieses, sodass nur wenige durchkamen und die meisten niedergemetzelt wurden. Ein Todesschrei nach dem anderen durchdrang grässlich die Luft, die durch das Glutmeer des brennenden Schlosses fast zum Ersticken heiß geworden war. Die wenigen, die durch das Pförtchen gedrungen, waren nicht gerettet, denn sie lagen zerschmettert in den Felsenklüften, welche außerhalb demselben sich befanden. Der abgefeimte Bösewicht hatte nämlich durch seinen Vogt die kleine Brücke, die von dem Pförtchen über die tiefe Schlucht zu einem Nebenweg führte, kurz vorher abtragen lassen.

Nun waren bereits die Flammen in Kurts Wohngebäude bis zu den obersten Stockwerken, wohin sich seine Gemahlin geflüchtet hatte, hinauf gedrungen. Man sah sie mit einem Kinde im Arm, um Hilfe schreiend, sich zum Fenster hinausbeugen. Diese herzzerreißenden Töne erweckten Kurt aus seiner Erstarrung, in die er durch das Grässliche der eben erlebten Szene versetzt worden war. Wütend schleuderte er die Knappen Brunos von sich, und wollte auf Letzteren losstürzen, um ihn zu erwürgen. Da umklammerte ihn Brunos Burgvogt, und indem er andere Mordgesellen herbeirief, sagte er: »Gemach, Herr Ritter Kurt! Durch das Pförtchen geht Euer Weg!«

»Nun edler Kurt«, hob vor innerer Mordlust Bruno an, »wollt Ihr nicht auch Euer Heil in der Flucht versuchen?«

»Ich von der Burg meiner Väter fliehen, in dem Augenblick, wo mein Weib und Kind mit dem Tode ringen? Nun und nimmermehr«, schrie Kurt außer sich. Indem er mit aller Gewalt, gleich einem Rasenden, um sich schlug, um sich wieder frei zu machen, da stürzte mit entsetzlichem Krachen das Wohngebäude zusammen und begrub unter seinen Trümmern, aus welchen eine weißglühende mächtige Flamme emporloderte, Kurts Weib und Kind.

Dieser riss sich los und schrie dem Bruno zu: »Wo mein Weib und Kind ist, da will auch ich sein. Das Blut aller derer, die Ihr hingemordet habt, und auch mein Tod soll Eure Höllenpein vergrößern. Die Schmerzen des Flammentodes sollen Euch in Eurem Inneren brennen, dass Ihr nimmer Ruhe Finden möget!« Dies sagend stürzte er sich mitten in die Flammen, die prasselnd von allen Seiten über ihn zusammenschlugen.

Der verhärtete Bösewicht blieb selbst bei dieser Schreckensszene ganz gleichgültig. Zu seinem Burgvogt sich hinwendend, sagte er spöttisch: »Morgen wollen wir dafür fasten, und mein Hauspfaffe mag eine Messe für mich lesen.«

»Und meinetwegen auch für mich«, sagte der Vogt.

Beide riefen nun ihre Knappen zusammen und verließen die brennenden und rauchenden Trümmer Dillenburgs, von dem Rachefluch der Gemordeten verfolgt, der sie nun bald erreichte und ihren abscheulichen Taten ein Ende machte.